Immun-Escape-Strategie des Zikavirus – wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung antiviraler Therapien

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Ein Forschungsteam unter Leitung des Paul-Ehrlich-Instituts hat die Interaktion zwischen Zikavirus und dem antiviral wirkenden Restriktionsfaktor Tetherin untersucht. Dabei zeigte sich, dass die infizierten Zellen als Antwort auf die Virusinfektion zwar verstärkt das antivirale Protein bilden, das Virus jedoch in der Lage ist, dessen schnellen Abbau zu vermitteln und so erfolgreich die Immunabwehr zu unterwandern.

Das Zikavirus (ZIKV) ist ein Flavivirus, das hauptsächlich durch Aedes-Mücken übertragen wird. Internationale Aufmerksamkeit erregte das Virus im Jahr 2015, als es im Südpazifik sowie in Süd- und Nordamerika zu einer ZIKV-Epidemie kam.

Eine ZIKV-Infektion verläuft in den meisten Fällen mild. In der Schwangerschaft, insbesondere im ersten Trimenon, kann sie beim Fötus jedoch zu Mikrozephalie und anderen Fehlbildungen des Gehirns führen. Zudem wurde die Infektion mit dem Guillain-Barré-Syndrom in Verbindung gebracht. Bisher gibt es keinen Impfstoff und keine spezifischen Therapeutika zur Behandlung einer ZIKV-Infektion.

Forscherinnen und Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts, des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), der Universitätsklinik Aachen und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), Braunschweig, unter Leitung von Prof. Eberhard Hildt, Leiter der Abteilung Virologie des Paul-Ehrlich-Instituts, erforschen die Interaktionen zwischen dem Zikavirus und seinem Wirt, dem Menschen. Ein Fokus liegt dabei auf den Wechselwirkungen zwischen dem Zikavirus und dem Restriktionsfaktor Tetherin. Tetherin ist ein durch Interferon induzierbares zelluläres Protein mit antiviralen Eigenschaften gegen ein breites Spektrum umhüllter Viren. So hemmt es deren Freisetzung, indem es sie aneinander und an die Zellmembran heftet. Tetherin ist damit ein wichtiger Bestandteil der angeborenen Immunantwort. Allerdings haben Viren unterschiedliche Strategien entwickelt, um Tetherin zu entkommen.

Die Forschungsgruppe untersuchte in Zellkulturen mit unterschiedlichen Zelltypen (HaCat-, A549-, Vero- und HT-1080-Zellen) sowie mit zwei unterschiedlichen ZIKV-Stämmen („French Polynesia H/PF2013 und Uganda 976), welche Effekte das Zikavirus auf die Expression der Tetherin-mRNA hat. Eine verstärkte Expression der mRNA bedeutet in der Regel eine verstärkte Bildung des Proteins. Umgekehrt untersuchten die Wissenschaftler, wie Tetherin die Freisetzung des Zikavirus beeinflusst.

Dabei stellte das Team fest, dass es durch eine ZIKV-Infektion der Zellen zwar zu einer verstärkten Tetherin-mRNA-Expression kommt. Dies führte jedoch nicht zu einer erhöhten Tetherin-Proteinkonzentration in den Zellen, was angesichts der verstärkten Transkription zu erwarten gewesen wäre. Vielmehr war die Tetherinkonzentration aufgrund reduzierter Halbwertszeit sogar verringert.

Die experimentellen Daten deuten darauf hin, dass es zu einem lysosomalen Abbau von Tetherin in mit ZIKV infizierten Zellen kommt. Wurde dagegen der Abbau von Tetherin in Zellen experimentell verhindert, war Tetherin durchaus in der Lage, die Freisetzung und Vermehrung des Zikavirus zu verhindern. Die Hemmung des Tetherin-Abbaus gelang durch Abreicherung des ESCRT-0-Proteins HRS. Der ESCRT-Komplex spielt eine wichtige Rolle bei verschiedenen zellulären Prozessen, wie beispielsweise der Einsortierung von Membranproteinen zum lysosomalen Abbau oder der viralen Umhüllung. Die Fähigkeit des Zikavirus, in infizierten Zellen für einen verstärkten Abbau von Tetherin zu sorgen, ist demnach eine wirksame virale Fluchtstrategie.

Welche Bedeutung haben diese Ergebnisse?

Gerade auch im Hinblick auf neu auftretende Viren und der sich in Zeiten der Globalisierung und der globalen Erwärmung weltweit schnell verbreitenden Viren ist es wichtig, antivirale Behandlungsstrategien zu entwickeln, die für möglichst viele unterschiedliche Virustypen nutzbar sind. Therapieansätze, die es dem Menschen ermöglichen, die Immun-Escape-Strategien der Viren auszuhebeln und sie dadurch erfolgreich zu bekämpfen, kommen diesem Ziel nach.

In jüngerer Zeit werden zur Bekämpfung von Virusinfektionen unter anderem Hemmstoffe des Fibroblasten-Wachstumsfaktors (fibroblast growth factor, FGF) diskutiert. FGF beeinträchtigt die Interferonantwort, die wiederum eine wichtige Säule in der Infektionsabwehr ist. Die aktuellen Ergebnisse weisen jedoch auf die Diskrepanz einer erhöhten Genstimulation (verstärkte mRNA-Transkription) und der nachgeschalteten Funktionalität hin. Ein antiviraler Ansatz könnte daher die gezielte Hemmung des Abbaus dieser Interferon-induzierten Proteine sein, um dadurch ihre antivirale Wirksamkeit zu ermöglichen. Die Hemmung des oben beschriebenen Proteins HRS könnte nach Einschätzung der Wissenschaftler eine weitere antivirale Strategie sein.

Herrlein ML et al. Catch me if you can – the crosstalk of ZIKV and the restriction factor Tetherin. J Virol, 22. Dezember 2021 https://doi.org/10.1128/jvi.02117-21

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Quellen Paul-Ehrlich-Institut - Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, 18.01.2022