In der Cochlea produziertes Superoxid führt zu Hörverlust

Rekonstruiertes Computerbild übereinander gelagerter Querschnitte des Corti-Organs vertikal zum Modiolus bei zwei Monate alten Mäusen (homozygot Nox3-Cre+/+;tdTomato). Die Anwesenheit des rot fluoreszierenden Tomato-Proteins, weist darauf hin, dass Nox3 in den äußeren Haarsinneszellen exprimiert wird (*) sowie in verschiedenen unterstützenden Zellen. Bild: Takehiko Ueyama

Japanische Forscher haben in der Cochlea Zelltypen identifiziert, in denen Superoxid gebildet wird. Als Reaktion auf Alter, Lärm oder ototoxische Medikamente nimmt die Zahl dieser Zellen zu.

Die Autoren gehen davon aus, dass ihre Studienergebnisse dazu beitragen könnten, Medikamente gegen Hörverlust zu entwickeln. So könnten künftige Therapien etwa darauf beruhen, reaktive Sauerstoffspezies aus der Cochlea zu entfernen oder ihre Produktion zu unterdrücken. Eine weitere Möglichkeit könnte die Entwicklung von Inhibitoren für die NADH-Oxidase 3 (Nox3) sein, die für die Bildung von Superoxiden verantwortlich ist.

Insgesamt gibt es beim Menschen sieben Typen des Enzyms. Nox3 wird in der Cochlea exprimiert und ist bereits als verantwortlich für reaktive Sauerstoffspezies beschrieben worden. Nicht bekannt war bislang welche Zelltypen im Innenohr Nox3 wann exprimieren – genauso wie der Mechanismus durch den Superoxide Hörverlust verursachen.

Das Team um Prof. Takehiko Ueyama (Biosignal Research Center, Kobe University) und die Inneohr-Forschungsgruppe der Kyoto Prefectural University of Medicine haben für diese Forschungsarbeit ein Mausmodell entwickelt (Nox3-Cre;tdTomato), bei dem rotes Fluoreszenzlicht emittierende Proteine (tdTomato) in Nox3-exprimierenden Zellen ebenfalls exprimiert wurden. Außerdem haben sie eine Nox3-Knockout-Mauslinie entwickelt (Nox3-KO).

Mithilfe dieser Mausmodelle konnte die Gruppe die Nox3-exprimierenden Zellen in der Cochlea identifizieren, also die Zellen, die für die Produktion von Superoxiden verantwortlich sind. Außerdem konnte die Gruppe zeigen, dass Nox3 eine wichtige Rolle beim Einsetzen verschiedener Arten des erworbenen Hörverlustes spielt – alters- und lärmbedingter Hörverlust sowie Beeinträchtigung des Gehörs durch Medikamente.

Mittels Fluoreszensmikroskopie verfolgten die Forschenden die Expression von Nox3 in den Zellen über die Zeit ab der Geburt der Mäuse. Sie konnten zeigen, dass Nox3 in folgenden Zellen des Innenohrs exprimiert wird: Haarsinneszellen, verschiedene unterstützende Zelltypen und Neuronen des Spiralganglions.

Von den zwei Arten von Haarsinneszellen, sind die äußeren Haarsinneszellen verletzlicher was äußere Einflüsse betrifft und in vielen Fällen geht eine Hörbeeinträchtigung auf den Verlust dieser Haarsinneszellen zurück. Dieses Detail untersuchten die Wissenschaftler. Sie verwendeten dabei Mäuse mit der durch Nox3 vermittelten Fähigkeit Superoxide zu bilden (heterozygotes Nox3-Cre/-;tdTomato)und Mäuse ohne Nox3 (homozygous Nox3-Cre+/+;tdTomato).

Die erste Mäusegruppe exprimierte Nox3, wie durch Fluoreszenz nachgewiesen wurde, in den inneren Haarsinneszellen. Nox3 wurde allerdings nicht in den äußeren Zellen des Ohrs nachgewiesen – unabhängig von Alter, Lärm oder Cisplatin-Gabe – das für seine ototoxische Wirkung bekannt ist.

Unter Verwendung der Mäuse, die kein Nox3 exprimierten, aber dafür das fluoreszierende Tomato-Protein, fanden die Studienautoren, dass Zahl Zellen, die das Tomato-Protein exprimierten; abhängig von Alter, Lärm und Cisplatin-Gabe zunahm. Diese Zelltypen exprimieren unter normalen Bedingungen Nox3.

Für die Forscher zeigen die Ergebnisse, dass die äußeren Haarsinneszellen, die Nox3 exprimieren und Superoxide bilden, von diesen Superoxiden geschädigt werden und absterben. Der Verlust der äußeren Haarsinneszellen kann auch durch die Produktion von Superoxiden durch umliegende Zellen ausgelöst werden, auch wenn die äußeren Zellen selbst Nox3 nicht exprimieren, so ein weiteres Ergebnis der Studie.

Für die Forscher zeigen die Ergebnisse einen neuen Ansatz auf, um einem alters-, lärm- oder medikamentenbedingten Hörverlust vorzubeugen, indem die Expression beziehungsweise von Nox3 in der Cochlea unterdrückt wird. Sie gehen davon aus, dass ein solcher Inhibitor nur milde Nebenwirkungen in anderen Körperregionen zeigt, da Nox3 spezifisch im Innenohr gebildet wird, wie in anderen Studien berichtet wurde. (ja)

Originalpublikation:
Mohri H et al. Nox3-Derived Superoxide in Cochleae Induces Sensorineural Hearing Loss. Journal of Neuroscience, 2021;41(21):4716-4731.