Informationsverarbeitung: Lokale Lieferketten in Neuronen – Wer kommt an die Ware?29. Oktober 2021 Die Landschaft der neuronalen Proteinproduktion (Heatmap) und -verteilung (Konturenkarte) ähnelt einer regionalen Regen-/Wetterkarte (l.). Bildquelle: Max-Planck-Institut für Hirnforschung / C. Sun. Modifiziert von Sun et al. 2021. Hirnforscher haben eine enge räumliche Beziehung zwischen der Proteinproduktionsmaschinerie und den Produkten in Neuronen dargestellt. Die Ergebnisse des Wissenschaftsteams vom Max-Planck-Institut für Hirnforschung, Max-Planck-Florida-Institut und von der Goethe-Universität Frankfurt deuten auf die gemeinsame Nutzung lokaler Ressourcen hin … auf eine “Nachbarschaft” von Synapsen. Um Informationen zu speichern und zu verarbeiten, produziert und verteilt das Gehirn fortwährend Proteine – die wesentlichen zellulären Ressourcen. Neuronen verarbeiten ständig Informationen von Tausenden von Synapsen. Diese sitzen zahlreich auf Dendriten (den informationsempfangenden Fortsätzen), die bis zu Hunderte Mikrometer vom Zellkörper, der autonomen Einheit der Zelle, entfernt sein können. Anders als in anderen – runden – Zellen stellt die Verteilung von Waren, hier Proteinen, für Neuronen also eine besondere “logistische Herausforderung” dar.Lokale Hotspots der ProteinsyntheseAnstatt nur eine zentrale Quelle – den Zellkörper – zu nutzen, was angesichts des großen neuronalen Volumens ziemlich ineffizient wäre, haben Neuronen eine lokale Lösung gefunden. Sie setzen Ribosomen, die Proteinsynthesemaschinen, sowie Boten-RNAs (mRNAs), die Vorlagen für die Proteinsynthese, an “lokalen Knotenpunkten” ein. „Diese können entfernte Populationen von Synapsen versorgen”, sagt Prof. Erin Schuman, Direktorin am Max-Planck-Institut für Hirnforschung.Während die lokale Proteinsynthese für verschiedene Mechanismen der synaptischen Plastizität erforderlich ist, sind die Häufigkeit und Verteilung von Ribosomen und neu-synthetisierten Proteinen in der Nähe von Synapsen bislang nicht gut erforscht. Schuman und ihr Team wiesen nun Ribosomen und ihre Produkte (neu synthetisierte Proteine) mit einer noch nie dagewesenen Auflösung nach, indem sie DNA-PAINT und metabolische Markierung in Kombination mit superauflösender Mikroskopie anwendeten.“Wir entdeckten Ribosomen in der Nähe von circa 85 Prozent der Synapsen, mit durchschnittlich zwei Orten der Proteinproduktion pro Synapse. Überraschenderweise war fast die Hälfte der entstehenden Proteinprodukte in der Nähe von Synapsen verteilt. Das deutet darauf hin, dass die lokale Proteinproduktion in der Nähe von Synapsen auch unter grundlegenden Bedingungen weit verbreitet ist”, erklärt Chao Sun, Postdoc im Schuman-Labor, der die Arbeit leitete.Synaptische Nachbarn teilen sich lokale VorräteWie viel Protein erhält jede Synapse und teilen sich synaptische Cluster den Vorrat? Um die Dynamik der lokalen Proteinverteilung zwischen benachbarten Synapsen während spontaner neuronaler Aktivität zu untersuchen, stimulierten die Forschenden Neuronen sowohl global als auch lokal mit hoher räumlicher Präzision. “Es stellte sich heraus, dass die synaptische Aktivität ein guter Indikator für die lokale Proteinversorgung ist”, sagt Sun. “Interessanterweise war die globale Proteinverteilung im Neuron zwar homogen, aber benachbarte Synapsen wiesen oft sehr heterogene Proteinversorgungsniveaus auf. Und dieser lokale Unterschied bleibt sowohl während der globalen als auch der lokalen synaptischen Plastizität bestehen.”Schuman: “Dieses logistische Schema könnte eine gute Lösung sein, um die Homöostase der gesamten Synapsenpopulation aufrechtzuerhalten und gleichzeitig lokale Vielfalt zu ermöglichen.“ Originalpublikation:Chao Sun, Andreas Nold, Claudia M. Fusco, Vidhya Rangaraju, Tatjana Tchumatchenko, Mike Heilemann, and Erin M. Schuman. The Prevalence and Specificity of Local Protein Synthesis During Neuronal Synaptic Plasticity. Science Advances 2021. https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.abj0790
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