Innovationen – Vom Logo bis zum Spiel

Die VSOU-Kongresspräsideten Uwe de Jager, Hagen Schmal und Helmut Weinhart (v.l.) bei ihrer Ansprache auf der Kongresseröffnungsveranstaltung (Foto: hr, Biermann Medizin)

„Innovation“ war das zentrale Thema der abendlichen Eröffnungsveranstaltung der 72. VSOU-Tagung in Baden-Baden, das sich auch im Kongressmotto versteckt hat. So präsentiert der Kongress nicht nur Wissenschaft, sondern auch gesundheitspolitische Themen auf neuestem Stand. Gleich zu Beginn jedoch zeigte sich die VSOU in neuem Gewand, während der Festredner der Innovation noch mehr Spielraum einräumte.

„Meet and greet“, lautete das Motto zur abendlichen Eröffnungsveranstaltung des ersten Kongresstages, auf dem der 1. Vorsitzende der Vereinigung Süddeutscher Orthopäden und Unfallchirurgen (VSOU), Dr. Bodo Kretschmann, nach seinen Grußworten das neue Logo der Vereinigung präsentierte. So ist das bisherige Orthobäumchen einem modernen geschwungen VSOU-Schriftzug gewichen, welcher Orthopädie und Unfallchirurgie auch optisch noch besser als gleichwertig im Logo der Vereinigung sichtbar machen soll. Zeitgleich und passend dazu erhielt auch die VSOU-Webseite einen neuen Look.

Das neue VSOU-Logo (Foto: hr/biermann.medizin)

Das Kongressmotto „Cutting Edge for Science and Family“ habe auch er erst einmal googeln müssen, gab Kretschmann danach zu. „Cutting edge”, was übersetzt „innovativ, auf dem neuesten Stand“ bedeutet, knüpfe hervorragend an das Kongressmotto 2023 an „Next Generation – Werte. Wandel. Visionen, indem innovative Entwicklungen eben nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch im Bereich der Karriereplanung des Nachwuchses von O und U, der die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zurecht fordere, zu einem Hauptthema des diesjährigen Kongresses gemacht wurde. „Neu, aber eine Ausnahme 2024 ist unser Kongresspräsidenten-Dreigestirn“, erläuterte Kretschmann. Dr. Uwe de Jager (Freudenstadt) habe dankenswerterweise den in der Kongressvorbereitung erkrankten, aber nun wieder genesenen Dr. Helmut Weinhart (Starnberg) unterstützt, komplettiert von Prof. Hagen Schmal (Freiburg).

Die Themen der Kongresspräsidenten

„Sind Sie glücklich?“, fragte Schmal die Teilnehmenden der Eröffnungsveranstaltung. Er verwies auf die Messung von Glück in einem kürzlich veröffentlichtes Länderranking zum Thema Glück hinwies, bei dem Deutschland den 19. Platz zwischen den USA und Mexiko belegte. Auch bei diesem Score hätte das Thema Gesundheit eine wichtige Stellung, um Glück zu messen.

Und so spannte er die Assoziationskette von Glück zu Gesundheit zum Wissen über Gesundheit weiter. Noch nie habe man so viel über Gesundheit gewusst, aber mache es auch glücklicher? Wissen in der Medizin wachse derart schnell an, dass es nicht einfach zu durchdringen sei. Doch genau dafür seien Kongresse wie die VSOU-Frühjahrstagung unverzichtbar: um komplizierte Zusammenhänge aufzubereiten und verständlich zu präsentieren.

Ob unsere krisengeschüttelte Zeit aber unglücklich macht, war seine weitere als Frage gestellte These. Schmal zitierte Studien zu Wirtschaftskrisen, die gegenteilige Zusammenhänge belegten. Diesen zufolge machen Krisen gesünder, da sie die Resilienz fördern. Denn Menschen wertschätzten in Krisen Bestehendes mehr, während „gute Zeiten” gesundheitsschädigendes Verhalten förderten. „Machen Krisen auch unser Gesundheitssystem resilienter?“, fragte er seinen Co-Kongresspräsidenten Weinhart.

„Noch können wir in Deutschland stolz auf unser Gesundheitssystem sein“, übernahm Weinhart den zugespielten Ball, denn dieses garantiere nicht nur ein ausgedehntes Versorgungsnetzwerk sondern auch einen niedrigschwelligen Zugang zu diesem. Ob das so bleibe, müsse man sich aber immer häufiger fragen und übte dabei deutliche Kritik an Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der an diesem Tag die Abschaffung der doppelten Facharztschiene ambulant-stationär, in den Raum gestellt habe.

„Selbst, wer ökonomisch denkt, sollte nicht in der Gesundheitspolitik sparen“, forderte Weinhart. Doch das Gegenteil sei der Fall, wie die derzeitige ökonomische Schieflage von Kliniken und Praxen zeige. Ein sinnvoller Ausweg aus der Krise ist dem Mediziner zufolge die Ambulantisierung, die aber erst langfristig zur Kostenreduzierung und Qualitätssicherung im Gesundheitssystem beitragen werde. Gerade deswegen sei es aber sinnvoll, sie weiter voranzutreiben. Das zur Unterstützung dieser Entwicklung vorgelegte Konzept der Hybrid-DRGs sei aber nicht an der Komplexität und Realität des Systems angepasst, relevante Zukunftsfragen, wie die Aufstellung der Weiterbildung, noch ungelöst, so Weinhart weiter.

Ungelöst, so de Jager, ist auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gerade Ärztinnen wüssten wovon sie reden, wenn sie dies einforderten – zurecht. „Wir brauchen neue Strukturen, neue Ausbildungskonzepte und Kooperationen zwischen den Niedergelassenen und den Klinken“, forderte er. Familien, die wegen der Weiterbildung umziehen müssten mit einem mühseligen Neuanfang an neuen Orten: „Das brauchen wir nicht!“

In diesem Zusammenhang kritisierte der niedergelassene Arzt weitere Fehlentwicklungen im ambulanten Bereich, wie etwa die „Pseudodigitalisierung. „Wir fühlen uns hier als Beta-Tester“, lehnte er ab. Auch die Abwanderung von immer mehr Medizinischen Fachangestellten in Kliniken benannte er als Problem. Die Frage sei, wie man immer neue Mängel, gegen andere Mängel ausgleichen könne. „Wir müssen uns in allen Bereichen für den Nachwuchs sorgen, deshalb müssen und wollen wir auch die Politik aktiv mitgestalten“, forderte er ein.

Politische Rahmenbedingungen mitgestalten ist berufspolitische Pflicht und Kür“, ergänzte Weinhart, was aber mit Lauterbach nur schwer umzusetzen sei. Seine Gesetzesvorhaben wie Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG)1 oder Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) seien nicht nur Wortungetüme, sondern Regelungsmonster, die zu Konflikten zwischen Bund und Ländern führten. Ob dies alles noch vor dieser Sommerpause oder gar in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden könne sei „sehr fragwürdig“.

Innovation – Alles nur ein Spiel?

„Just a game: Warum Innovation mehr Spielraum braucht“, so lautete der Titel des Festredners Till Hasbach, der sich den Kongresspräsidenten nicht zeitlich, sondern auch inhaltlich anschloss. „Ich möchte Sie mitnehmen in eine Welt, in der wir spielen“ lud der Kreativitätsforscher und Spielentwickler die Zuhörenden ein. Er benannte fehlende Innovation und Motivation in der Berufswelt und – noch schlimmer – in der Welt der Ausbildung als ein Grundübel und empfahl Spiel und Kreativität, um aus dieser Entwicklung herauszukommen.

„Doch was ist Kreativität?“, frage er. Drei Komponenten seien für Kreativität wichtig: Expertise, Creativity Skill und – ganz entscheidend – Motivation, zitierte er ein Modell aus dem Jahr 1983 von Teresa Amabile vom Havard Entrepreneurial Managment. Der größte Killer von Motivation sei aber Angst. Deshalb brauche man Mut, Mut zum Spiel – mehr Spielraum, auch zum Denken „Out oft the box“. (hr)