Insomnie: Leitlinie und Versorgungsrealität klaffen auseinander

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Bei der Kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) treten häufig Nebenwirkungen auf, die die Therapieadhärenz gefährden. Am Universitätsklinikum Freiburg wird derzeit untersucht, wie eine Kombination mit einer anderen Therapieform die KVT-I in dieser Hinsicht optimieren könnte.

„Die Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie kann in relativ kurzer Zeit zu sehr guten Ergebnissen führen, geht aber häufig mit erheblichen Nebenwirkungen einher“, weiß Dr. Fee Benz von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg. „Die Patienten leiden häufig vorübergehend unter Tagesmüdigkeit und einer reduzierten Lebensqualität.“ Um die Patienten noch besser unterstützen zu können, hat sie gemeinsam mit Dr. Anna Johann und weiteren Kollegen eine klinische Studie durchgeführt. Ziel war es zu untersuchen, ob die Kombination der S3-Leitlinienbehandlung mit der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) den Schlaf noch zusätzlich verbessern und den Patienten helfen könnte, besser mit den Nebenwirkungen der KVT-I umzugehen.

Etwa zwei Drittel der Behandelten beenden die Therapie mit ausreichenden Verbesserungen ihres Schlafes oder leiden nicht mehr unter einer Insomnie. Ein Drittel profitiert jedoch nicht ausreichend. Hier könnte ACT ansetzen, indem vermittelt wird, die Herausforderungen in Bezug auf die Schlafstörungen und die Nebenwirkungen der Behandlung anzunehmen.

Ein zentraler Bestandteil der ACT ist es, eine annehmende Haltung gegenüber Dingen, die (vorerst) nicht zu ändern sind, zu entwickeln und ein werteorientiertes Leben zu führen. „Im Prinzip möchten wir den Patienten neben der Behandlung der Insomnie damit ein Werkzeug an die Hand geben, um die Schwierigkeiten im Hier und Jetzt aushalten, sprich die Therapie durchhalten zu können“, erklärt Johann. Die Auswertung der aktuellen Studie am Freiburger Universitätsklinikum über die Kombination von KVT-I mit ACT steht noch aus. Ergebnisse einer früheren Studie, in der Insomnie-Patienten mit ACT behandelt wurden, zeigten bereits, dass sich die Lebensqualität deutlich verbesserte.

Weil viele Menschen von Ein- und Durchschlafstörungen betroffen sind und diese häufig mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität einhergehen, ist es wichtig, Behandlungsstrategien wie die KVT-I weiter zu optimieren. Dieses Thema hat auch für die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) einen hohen Stellenwert. Der Praxisalltag steht jedoch oft im Gegensatz zu den empfohlenen Behandlungsstandards der Schlafmedizin.

Versorgungsrealität versus Leitlinie

Auf der 32. Jahrestagung der Gesellschaft, die vom 14. bis 16. November 2024 in Essen stattfindet, findet daher auch das Thema der aktuellen Versorgungsrealität Raum. In der wissenschaftlichen Sitzung „Ambulante Versorgung – Hochschultheorie versus Realität“ schildern niedergelassene Schlafmediziner die Kontroverse zwischen den empfohlenen Behandlungsstandards und der Realität in ihren Praxen.

„Die Leitlinien stehen im absoluten Gegensatz zur Realität. Die Patienten sollen vordergründig psychotherapeutisch therapiert und nur im äußersten Notfall medikamentös versorgt werden. Die Medikamentengabe wird superkritisch gesehen. Im Behandlungsalltag ist es jedoch so, dass viele Patienten keine Verhaltenstherapie wollen, viele kommen erst nach einem langen Leidensweg beim Schlafmediziner an und sagen dann, dass sie keine weiteren schlafhygienischen Maßnahmen wollen, weil die jahrelang schon mehr oder weniger erfolgreich versucht worden sind. Viele Patienten sind auch bereits derart erschöpft, dass sie weitere therapeutische Maßnahmen gar nicht durchhalten oder abbrechen. Deshalb würde ich sagen, dass ich mindestens der Hälfte meiner Patienten eine medikamentöse Therapie anbiete. Man hat aufgrund der Leitlinien fast ein schlechtes Gewissen dabei, aber die meisten Niedergelassenen, mit denen ich mich austausche, machen es genauso. Es geht in der Versorgung gar nicht anders. Und die Erfolge bei den Patienten sprechen zudem dafür“, berichtet Dr. Corinna Frohn, die seit zehn Jahren als Psychiaterin tätig ist, derzeit im MVZ Bethanien in Solingen, und Insomniker behandelt.

Schlafmedizin mehr Stellenwert beimessen

Digitale Therapieprogramme in Form von Apps sollen in dieser Versorgungslücke helfen. Jedoch fehlt jegliche Diagnostik vorab. Patienten lassen die Apps teils direkt bei der Krankenkasse ohne jeglichen Arztkontakt freischalten oder bekommen sie von ihrem Arzt, der jedoch zu wenig schlafmedizinische Erfahrung besitzt, um eine wirkliche Indikation zu erkennen. Frohn sieht die Wirksamkeit von Apps kritisch und hat eher einen anderen Vorschlag, um die Versorgung zu verbessern: „Die schlafmedizinische Ausbildung sollte dringend Teil des Medizinstudiums werden. Wenn mehr Wissen bei bestimmten Fachrichtungen dazu vorhanden ist, dann wird auch die Patientenversorgung gelingen.“

Ähnlich sieht das auch Dr. Michael Feld, niedergelassener Allgemeinarzt und Somnologe aus Frechen-Königsdorf. Auch er sieht es als wichtig an, mehr Schlafmediziner auszubilden, weiter über die Wichtigkeit von Schlaferkrankungen bei Hausärzten und vor allem berufspolitisch aufzuklären. In der Hausarztpraxis sei die schlafmedizinische Diagnostik schon etwas besser geworden als noch vor Jahren, berichtet Feld. In den hausärztlichen Check-up auch die Abklärung von schlafbezogenen Atmungsstörungen mit aufzunehmen, kann abgerechnet werden, und wird somit auch vermehrt durchgeführt. Dies sei wichtig, weil die Schlafapnoe zum einen sehr häufig ist, zum anderen sei sie ein hoher Risikofaktor für Herzinfarkt, Schlaganfall und Demenz, erklärt Feld.

Verbesserungsbedarf sieht der Allgemeinmediziner aber bei den Abrechnungsmodalitäten der Krankenkassen. „Diese haben natürlich immer ein Interesse, dass nicht zu viel diagnostiziert wird, weil daran Folgekosten hängen. Auch ein Grund, warum es nicht mehr Schlaflabore gibt. Das ist aber dumm, weil die schlafmedizinischen Behandlungskosten deutlich günstiger wären, als es die Kosten durch die Folgeerkrankungen von Schlafapnoe sind. Zum Beispiel wenn man aufgrund einer unentdeckten Schlafapnoe Herzprobleme bekommt und dann teure Herzmedikamente und Untersuchungen benötigt“, erklärt Feld.

Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) versucht hier seit Jahren gesundheitspolitische Änderungen herbeizuführen, jedoch: „Die Lobby der meisten anderen medizinischen Disziplinen, nehmen wir wiederum das Beispiel der Kardiologie, ist hier zahlenmäßig stärker vertreten und so auf den Prio-Listen weiter oben als wir Schlafmediziner“, beklagt Feld.