Internationale Studie zu Hörverlust: Wer Hörprobleme hat und Hörgeräte nutzt

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In Ländern mit den höchsten Raten an Hörverlust nutzen vergleichsweise wenige Betroffene ein Hörgerät, so das Ergebnis einer internationale Studie zu Hörverlust. Außerdem berichteten Männer häufiger als Frauen über Hörschwierigkeiten.

Der aktuellen in „BMJ Global Health“ veröffentlichten Studie zufolge hatte schätzungsweise ein Fünftel der Weltbevölkerung im Jahr 2019 – 1,57 Milliarden Menschen – einen Hörverlust. Und laut den Forschern wird dieser bis 2050 voraussichtlich 2,45 Milliarden Menschen betreffen. Allerdings seien derzeit genaue Messungen von Hörverlust aufgrund fehlender audiologischer Dienstleistungen und der hohen Kosten für die Erfassung von Hörtestdaten nur begrenzt möglich, geben die Studienautoren zu bedenken.

Internationale Studie zu Hörverlust deckt 28 Länder ab

Um die Evidenzbasis zu stärken, analysierte das Team um Erstautorin Anastasia Lam von der Humboldt-Universität Berlin selbst gemeldete Hörverluste und die Verwendung von Hörgeräten aus acht national repräsentativen Langzeitstudien. Diese repräsentieren 28 Länder für den Zeitraum zwischen 2001 und 2021: die brasilianische Längsschnittstudie zum Altern (ELSI-Brazil, 2016–20), die chinesische Längsschnittstudie zu Gesundheit und Ruhestand (CHARLS, 2011–18), die costa-ricanische Studie zu Langlebigkeit und gesundem Altern (CRELES, 2005–09), die mexikanische Studie zu Gesundheit und Altern (MHAS, 2001–21), die südafrikanische nationale Einkommensdynamikstudie (NIDS, 2008–17), die koreanische Längsschnittstudie zum Altern (KLoSA, 2006–20), die US-amerikanische Studie zu Gesundheit und Ruhestand (HRS, 2002–20) und die europäische Studie zu Gesundheit, Altern und Ruhestand (SHARE, 2004–15).

Jede Studie sammelte umfangreiche Daten zu den demografischen, sozioökonomischen, verhaltensbezogenen und gesundheitlichen Merkmalen ihrer erwachsenen Teilnehmer, von denen die meisten in ihren 60ern waren.

Prävalenz von Hörverlust variiert stark im internationalen Vergleich

Die Hörfähigkeit wurde anhand der Angaben der Teilnehmer dazu bewertet, ob sie ein Hörgerät benutzten und wie sie ihr eigenes Gehör einschätzten (von „ausgezeichnet“ bis schlecht“). Die Forscher kombinierten diese Antworten. Als Hörverlust definierten sie, wenn die Befragten ein mäßiges beziehungsweise schlechtes Gehör oder die Verwendung eines Hörgeräts berichteten.

Die Prävalenz von Hörverlust variierte stark, wobei die höchste Prävalenz in China (65 %) und die niedrigste in Südafrika (16,5 %) gemeldet wurde. Die vier Länder mit der höchsten gemeldeten Prävalenz von Hörverlust – China, Südkorea, Mexiko und Brasilien – wiesen auch die niedrigste Verwendung von Hörgeräten auf, die von einem Prozent der Personen mit Hörverlust in China bis zu sechs Prozent in Brasilien reichte.

Am anderen Ende der Skala gaben Erwachsene mit Hörverlust in Nordeuropa, den USA und Westeuropa am häufigsten an, ein Hörgerät zu verwenden. Die Werte lagen zwischen 24 Prozent in Westeuropa und 39 Prozent in Nordeuropa.

Unterschiede bei Prävalenz von Hörverlust im Alter

Wenig überraschend zeigen die Antworten auch, dass die Wahrscheinlichkeit eines Hörverlusts in allen Ländern mit zunehmendem Alter stieg. Allerdings konnten die Autoren auch hier Unterschiede zwischen den Ländern feststellen.

So gaben die hochaltrigen Befragten in Costa Rica und Südafrika am seltensten einen Hörverlust an. Hier stieg die Prävalenz bei den über 85-Jährigen kaum über 40 Prozent. Ganz anders ist die Situation in China. Schon von den 50- bis 54-Jährigen gaben mehr als die Hälfte an, unter Hörverlust zu leiden, bei den Ältesten waren es sogar 80 Prozent. Auch das Geschlecht machte in den meisten Ländern einen Unterschied: Mit Ausnahme von China, Südkorea und Südafrika gaben Männer in fast allen Altersgruppen signifikant häufiger als Frauen an, unter Hörverlust zu leiden.

Unterschiedliche Nutzung von Hörgeräten je nach Alter und Geschlecht

Die Studie zeigt auch internationale Unterschiede bei der Verwendung von Hörgeräten nach Alter und Geschlecht. In den Regionen mit der höchsten Nutzungsrate – Nordeuropa, USA, Westeuropa – stieg diese linear mit dem Alter an.

In Nordeuropa beispielsweise trugen etwa 13 Prozent der 50- bis 54-jährigen Männer mit Hörverlust Hörgeräte, verglichen mit 74 Prozent der Männer, die älter als 85 Jahre waren. Auch in anderen Teilen Europas, in Brasilien und Südkorea stieg die Nutzung mit zunehmendem Alter, obwohl das Gesamtniveau selbst in den ältesten Altersgruppen niedrig war.

In Südafrika war das Altersmuster umgekehrt. Sowohl ältere Männer als auch ältere Frauen gaben seltener an, Hörgeräte zu verwenden, als ihre jüngeren Altersgenossen. In Brasilien trugen Frauen häufiger Hörgeräte als Männer, während in Nord- und Südeuropa, Costa Rica, Mexiko und Westeuropa nur geringe oder gar keine geschlechtsspezifischen Unterschiede zu beobachten waren.

In Regionen mit den größten geschlechtsspezifischen Unterschieden gaben Männer unter 70 Jahren bis zu doppelt so häufig einen Hörverlust an wie Frauen, allerdings verringerte sich dieser Unterschied mit zunehmendem Alter. In China, Südafrika und Südkorea hingegen gab es in keiner Altersgruppe nennenswerte geschlechtsspezifische Unterschiede beim Hörverlust.

Nicht in allen Ländern geschlechtsspezifische Unterschiede

In Regionen mit hoher Hörgeräteverbreitung (Nordeuropa, USA, Westeuropa und Israel) trugen jüngere Frauen häufiger Hörgeräte als jüngere Männer. In Regionen mit mittlerer Verbreitung (Costa Rica, Mittel- und Osteuropa sowie Südeuropa) waren die geschlechtsspezifischen Unterschiede über die Altersgruppen hinweg uneinheitlich.

Und obwohl die Nutzung in Südafrika, Südkorea und China gering oder praktisch nicht vorhanden war, trugen Männer fast aller Altersgruppen in diesen Ländern durchweg und signifikant häufiger Hörgeräte als Frauen.

Die Autoren räumen verschiedene Einschränkungen ihrer Ergebnisse ein, darunter die Abhängigkeit von selbst gemeldeten Messungen des Hörverlusts und der Nutzung von Hörgeräten anstelle objektiver Messungen. Außerdem deckte die Studie zwar eine Vielzahl von Ländern ab, beschränkte sich aber auf Länder, die als Länder mit hohem bis sehr hohem Einkommen eingestuft wurden.

Internationale Studie zu Hörverlust: „Finanzieller Zugang zu Versorgung nur ein Teil der Geschichte“

Trotzdem betonten die Autoren der Studie, dass „die große Bandbreite der selbst gemeldeten Hörverluste, die von 17 Prozent in Südafrika bis zu 65 Prozent in China reicht, auf komplexe Wechselwirkungen zwischen den strukturellen Faktoren eines Landes, wie dem Gesundheits- und Bildungssystem, und einer Vielzahl soziokultureller Elemente, wie beispielsweise Vorstellungen über Stigmatisierung, Behinderung und Geschlechternormen, hindeutet“.

Sie fügen hinzu: „Die Rolle struktureller Systeme könnte besonders relevant für [Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen] sein, deren Gesundheitssysteme sich noch in der Entwicklung befinden und in denen spezialisierte Dienstleistungen wie Audiologie erst seit kurzem angeboten werden.“ Es sei jedoch schwierig, den Zusammenhang zwischen Zugang und Inanspruchnahme auf internationaler Ebene genau zu bestimmen, betonen sie.

„Selbst in Ländern mit vollständiger oder nahezu vollständiger Versicherungsdeckung (z. B. Westeuropa, Nordeuropa) liegt die Inanspruchnahme von Hörgeräten weiterhin deutlich unter 100 Prozent, was darauf hindeutet, dass der finanzielle Zugang nur einen Teil der Geschichte erklärt“, schreiben sie. (ja/BIERMANN)