Internationaler Protest gegen Gewalt in der Geburtshilfe15. November 2021 Foto: © Anna Om – stock.adobe.com Am 25. November 2021 findet der Roses Revolution Day statt, welcher 2011 international ins Leben gerufen wurde. In Deutschland werden zum 9. Mal Rosen als Zeichen für erlebte und miterlebte Gewalt in der Schwangerschaftsvorsorge, in der Geburtshilfe und in der Wochenbett-Nachsorge niedergelegt. Seit 9 Jahren machen rosafarbene Rosen diese Gewalt sichtbar; als Zeichen niedergelegt von betroffenen Müttern, PartnerInnen und/oder anderen Begleitpersonen. Zunehmend mehr Geburtshelfer, Fachpersonal und Doulas beteiligen sich an der Niederlegung und machen an der Seite von Betroffenen auf deren Gewalterfahrungen aufmerksam. Auch angehendes Fachpersonal äußert sich vorsichtig zur Thematik, da es in den Praxisphasen der Ausbildung Gewalt im klinischen Arbeitsalltag vorgelebt bekommt und selbst erfährt. Durch starre Hierarchien in einem gewaltgeprägten System könnten sie mit ihrem Einsatz für Betroffene Repressalien im eigenen weiteren Ausbildungsweg riskieren. Viele brechen die Ausbildung ab, weil sie sich der regelmäßigen Konfrontation mit dieser Gewalt und auch dem Druck von Vorgesetzten, sich an dieser Gewalt zu beteiligen, langfristig nicht aussetzen können. Seit Jahren formieren sich vermehrt Initiativen, Vereine und andere Organisationen, die sich für eine sichere, gewaltfreie Geburtshilfe einsetzen. Sie tragen das Thema in die Medien und damit ins öffentliche Bewusstsein und gestalten auch auf politischer Ebene aktiv mit. Petitionen, Anfragen und Hinweise treffen an vielen relevanten Stellen allerdings auf gleichgültige Ignoranz. In den vergangenen Jahren wurde aber zumindest schon einmal der Fokus auf die strukturellen Probleme der deutschen Geburtshilfe vergrößert. Personalmangel, Überarbeitung, Unterfinanzierung durch das nicht bedarfsgerechte DRG-Abrechnungssystem der gesetzlichen Krankenkassen, zunehmende Schließungen von Geburtsstationen, inakzeptabel längere Fahrwege oder Rettungswagen als “lokaler Ersatz” für Gebärende, eingeschränkte Möglichkeiten bei der gesetzlich verbrieften freien Wahl des Geburtsortes und immer mehr verzweifelte Schwangere, die trotz frühzeitiger Suche (oft schon gleich nach dem ersten positiven Schwangerschaftstest) keine (Beleg-)Hebamme für die Geburt und/oder für die Nachsorge finden. Die massive Gefährdung von Müttern und Kindern bis hin zur indirekten kausalen Todesfolge durch Gewalt und parallel nicht akzeptabler Unterversorgung wird toleriert. All diese Themen bewegen die Medien und die Gesellschaft zunehmend; allerdings weiterhin mit einseitigem Fokus oder einer sozialverträglichen Darstellung – beides einer akut erforderlichen, notwendigen radikalen Veränderung nicht dienlich. Zitate der Verantwortlichen aus diversen Erfahrungsberichten betroffener Frauen lassen laut Roses Revolution Deutschland vor allem eins erkennen: Einen Mangel an Respekt vor Schwangeren und Gebärenden. Ein Machtgefälle zwischen diesen und Geburtshelfern, welches nur allzu leicht ausgenutzt werden kann und bereits in der Schwangerschaft sichtbar wird: – “In meinem Kreißsaal wird gemacht, was ich sage!”– “Da gibt es nichts zu überlegen, es wird eingeleitet!”– “Das Kind hole ich noch während meiner Schicht.”– “Sie können gar keine Schmerzen mehr haben.”– “Stell dich nicht so an!”– “Schrei nicht so rum, du verängstigst mir die Mütter nebenan!”– “Ich bin seit x Jahren in dem Beruf. Ich weiß wohl besser als du, wie es dir grade geht!”– “Unter Wehen bist du eh nicht zurechnungsfähig.” Entscheidet sich eine Frau, gegen die erlebte Gewalt vorzugehen, kommen weitere Formen von Gewalt hinzu. Begonnen mit der Verweigerung der Patientenakte, zu deren Herausgabe an den betreffenden Patienten jede Klinik nach § 630g BGB gesetzlich verpflichtet ist, über Relativierungen und Infragestellung der Aussagen Betroffener bei der polizeilichen Vernehmung im Rahmen einer Strafanzeige bis hin zum Umgang von Anwälten, Richtern und Gutachtern zu dem Thema. Geburtsschäden der Mütter existieren offiziell nicht – denn sie können bei einer Geburt generell auftreten. Es wird nicht differenziert, ob sie hätten vermieden werden können und aus brachialer Gewaltanwendung resultieren. Und auch die Diagnose und Anerkennung der aus dem Trauma resultierenden Erkrankungen (akute Belastungsreaktion, posttraumatische Belastungsstörung, Depression, diverse Angststörungen) sei für Betroffene oft schon ein kaum zu bewältigender Spießrutenlauf. Resultierende Traumata betreffen zudem voraussichtlich mehrere Generationen und prägen die Gesellschaft.
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