Interview zu Vector-Borne Diseases: Infektionsgefahr besteht an beiden Enden der Leine

Prof. Christina Strube, Direktorin des Instituts für Parasitologie, Zentrum für Infektionsmedizin Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Prof. Ute Mackenstedt, Leiterin der Parasitologie, Universität Hohenheim und Prof. Gerhard Dobler, Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für FSME, Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München Fotos: © Strube: Christina Strube; Mackenstedt: Universität Hohenheim/Astrid Untermann; Dobler: Julia Lang, Sanitätsakademie der Bundeswehr München

„Zeckensaison“ ist das ganze Jahr über: Die Zecke Dermacentor reticulatus, Vektor von Babesia canis und dem FSME-Virus, hat sich im gesamten Bundesgebiet ausgebreitet. Neben Ixodes ricinus eine weitere Gefahrenquelle für Mensch und Tier. Hunde sollten ganzjährig vor Zecken geschützt werden, für Menschen stehen FSME-Impfungen zur Verfügung.

Das Interview führte Tierärztin Sigrun Grombacher. Es ist in Kompakt VetMed 03/2023 erschienen.

Frau Prof. Strube, Sie haben eine große Zeckensammelstudie durchgeführt (Probst J et al.). Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?

Strube: Wir haben mit der Einsendungsstudie zum Zeckenbefall bei Hund und Katze, bei der fast 20.000 Zecken von den rekrutierten Tierarztpraxen eingeschickt wurden, gleich drei wesentliche Erkenntnisse gewonnen. Erstens zeigte sich, dass die Wiesen- oder Buntzecke, D. reticulatus (Anmerk. d. Red.: landläufig auch als „Auwaldzecke” bezeichnet), nach dem Holzbock Ixodes ricinus mittlerweile die zweithäufigste Zeckenart bei Hunden in Deutschland ist. Die rasante Ausbreitung von D. reticulatus über das gesamte Bundesgebiet, die wir kürzlich mithilfe einer Citizien-Science-Studie gezeigt haben, spiegelt sich also bereits in der Befallshäufigkeit bei unseren Hunden wider. Das zweite zentrale Ergebnis war, dass sowohl D. reticulatus als auch I. ricinus und die Igelzecke Ixodes hexagonus, die die zweithäufigste Zeckenart bei der Katze und die dritthäufigste beim Hund war, selbst in den Wintermonaten, also von Dezember bis Februar, regelmäßig an den Tieren gefunden wurden. Dies hängt mit den milderen Wintern infolge des Klimawandels zusammen, die es den Zecken nunmehr erlauben, in allen Monaten des Jahres aktiv zu sein. Wir müssen also hinsichtlich der „Zeckensaison“ umdenken – diese geht nicht mehr nur von „April bis Oktober“, sondern Zecken befallen unsere Hunde und Katzen nun ganzjährig. Als drittes Schlüsselergebnis hat uns die Länge der Blutmahlzeit an den Hunden und Katzen überrascht. Die Auswertung der durchschnittlichen Saugdauer adulter weiblicher I. ricinus-Zecken ergab, dass diese an Hunden knapp 79 Stunden, an Katzen sogar knapp 83 Stunden gesaugt hatten, bis sie von den Kollegen in den teilnehmenden Praxen entfernt wurden. Die durchschnittliche Dauer der Blutmahlzeit war also bei beiden Tierarten deutlich länger als 3 Tage, was ein erhebliches Risiko für Zecken-übertragene Krankheiten nach sich zieht, da diese Zeitdauer eine substanzielle Übertragung sämtlicher Krankheitserreger erlaubt. Unsere Ergebnisse zeigen sehr eindrücklich, dass für exponierte Hunde und Katzen ein effizienter Schutz vor Zecken und übertragenen Krankheiten nunmehr in jeder Jahreszeit wesentlich ist.

Was bedeutet dieses hohe Vorkommen von D. reticulatus als Überträgerzecke von B. canis für die Tierärzte hierzulande?

Strube: Uns bereitet die Häufigkeit, speziell in Verbindung mit der nunmehr deutschlandweiten Verbreitung von D. reticulatus, große Sorgen, denn die canine Babesiose ist eine potenziell tödliche Erkrankung. Und in bestimmten Gebieten Deutschlands ist B. canis endemisch etabliert – nun gilt es zu verhindern, dass aus diesen „Zündelstellen“ ein Flächenbrand wird. Berliner Kollegen unter der Leitung von Prof. Barbara Kohn wiesen, kurz nachdem wir die bundesweite Ausbreitung von D. reticulatus veröffentlicht hatten, vermehrt Babesiose-Fälle bei Hunden im Raum Berlin/Brandenburg nach (Weingart C et al., 2023) (Anmerk. d. Red.: s. auch Interview mit Prof. Kohn „Vorbeugen ist besser als heilen”, das auch die Therapie der Babesiose thematisiert auf www.biermann-medizin.de, auffindbar mithilfe der Suchfunktion). Dann kamen Berichte über Fallhäufungen aus anderen Gebieten hinzu. Auch aus solchen, die bis dato als Babesiose-frei galten. Wir untersuchen aktuell gerade die D.-reticulatus-Exemplare aus der Citizien-Science-Studie auf eine B.-canis-Infektion und hatten einen überraschenden „Positivtreffer“ bei einer auf einem Hund im bayerischen Fürth gefundenen Zecke. Dies ist Neuland für B. canis und wir haben daher bei den Einsendern genauer nachgefragt. Sie berichteten uns, am Tag vor dem D.-reticulatus-Fund mit ihrem Hund von einer Reise zurückgekehrt zu sein – und zwar aus Freiburg im Breisgau, einem seit langem bekannten Babesiose-Endemiegebiet. Es liegt in der Verantwortung von uns Tierärzten, eine bundesweite Endemisierung der caninen Babesiose zu verhindern. Dabei ist eine effektive Zeckenprophylaxe unumgänglich. Hier gilt es zu bedenken, dass Zecken auch in innerstädtischen Grünflächen vorkommen, oft sogar in überraschend hoher Zahl. Dies wird von den Tierbesitzern oft unterschätzt. Für jeden Hund muss individuell das geeignete Zecken-Präparat im Gespräch mit den Besitzern gefunden werden. Wichtig ist dabei, das Lebensumfeld und die Gewohnheiten des Hundes sowie die möglichen Bedenken der Besitzer (topische vs. orale Applikation) zu berücksichtigen und ggf. auszuräumen, anstatt etwas „überzustülpen“. Wesentlich ist auch, die Besitzer über die jeweilige Zeit bis zum Wirkungseintritt und die Wirkdauer zu beraten – hier gilt es zu beachten, dass bei manchen Präparaten die Wirkdauer gegen D. reticulatus kürzer als die gegen I. ricinus ist. Bezüglich sogenannter Importhunde steht bei den praktizierenden Tierärzten neuerdings die Frage im Raum, ob in Anbetracht der veränderten Situation bei symptomlosen Trägertieren eine Imidocarb-Behandlung zur Erregerelimination angezeigt ist. Und ja, diese sollte nunmehr erfolgen, da von diesen Hunden ein hohes Risiko hinsichtlich der weiteren Endemisierung von B. canis und damit einer ernsten Gefährdung unserer heimischen Hundepopulation ausgeht. Im Idealfall erfolgt die Behandlung bereits bevor die Hunde nach Deutschland verbracht werden.

Auch die canine granulozytäre Anaplasmose, wird nach Einschätzung der Autoren einer Studie (Schäfer I et al., 2023) weiter an Bedeutung gewinnen …

Strube: Generell kann gesagt werden, dass die canine Anaplasmose hierzulande die häufigste Zecken-übertragene Erkrankung beim Hund darstellt, während Erkrankungsfälle einer Borreliose, anders als bei uns Menschen, von geringerer Bedeutung sind. In der angesprochenen kürzlich publizierten Studie, in der Diagnostikdaten eines großen Labordienstleisters der Jahre 2008–2020 ausgewertet wurden, zeigten sich knapp 5% der Hunde PCR-positiv für A. phagocytophilum, und 25% wiesen Antikörper gegen diesen Erreger auf. Andere Untersuchungen berichten sogar von bis zu 50% A.-phagocytophilum-seropositiven Hunden. Die Werte hinsichtlich der Borrelia-Seroprävalenz schwanken je nach Studie zwischen etwa 4% und 36%. Allgemein gilt es bei der Interpretation solcher Ergebnisse zu beachten, dass diese des Öfteren auf einer Vorselektion der Studienpopulation beruhen, weil z.B. Tiere mit verdächtigen Symptomen vermehrt untersucht werden. Übrigens stellt auch ESCCAP neuerdings Kartenmaterial über Nachweise der wichtigsten VBDs bei Hunden bereit (www.esccap.org/parasite-infection-map/#/).

Mit welchen weiteren durch Zecken übertragenen Erregern müssen Tierbesitzer in Deutschland rechnen?

Strube: Bei Hunden muss neben B. canis, A. phagocytophilum und Borrelien noch mit Erkrankungen durch Hepatozoon spp. und das FSME-Virus gerechnet werden. Letzteres wird von I. ricinus und D. reticulatus übertragen, während der Hepatozoon-Vektor hierzulande noch unklar ist. In wärmeren Gefilden ist es die Braune Hundezecke, Rhipicephalus sanguineus, für Deutschland werden I. hexagonus und auch I. ricinus diskutiert. Anerkannt ist, dass I. ricinus das Bakterium Neoehrlichia mikurensis auf Hunde übertragen kann, jedoch ist die klinische Relevanz beim Hund noch nicht abschließend geklärt. Bei der Katze treten Zecken-übertragene Erkrankungen insgesamt seltener als beim Hund auf, jedoch wird des Öfteren über Erkrankungen durch A. phagocytophilum berichtet. Erste Berichte gibt es auch über Erkrankungsfälle durch Hepatozoon und Cytauxzoon spp., als Vektoren dieser protozoären Erreger werden hierzulande I. hexagonus und/oder I. ricinus vermutet. Möglicherweise könnte auch B. canis für Katzen Relevanz erlangen. So wurde über einen klinischen Fall mit letalem Ausgang aus Spanien berichtet (Remesar S et al., 2022, s. auch Kompakt VetMed 3/2022). Hämotrope Mykoplasmen wie Mycoplasma haemofelis sind hierzulande bereits als pathogene Erreger bei Katzen bekannt und können insbesondere bei geschwächten Tieren zu Symptomen führen. Zwar ist der Übertragungsweg noch nicht aufgeklärt, Zecken und Flöhe werden jedoch als Vektoren postuliert.

Frau Prof. Mackenstedt, wenn wir an das andere Ende der Leine denken, uns Zweibeiner, – welche Landstriche in Deutschland gehören zu den Hauptrisikogebieten für FSME (Vektor: I. ricinus
und D. reticulatus), resp. Borrelien (Vektor: I. ricinus)?

Mackenstedt: Zunächst einmal ist I. ricinus, der Gemeine Holzbock, in ganz Deutschland gleichmäßig verbreitet. Es gibt also kein Nord-Süd-Gefälle. Trotzdem sind insbesondere die humanen FSME-Fälle (die FSME beim Menschen ist in Deutschland meldepflichtig) in Süddeutschland (Baden-Württemberg und Bayern) konzentriert. Mehr als 80 % der FSME-Fälle werden aus diesen beiden Bundesländern an das RKI gemeldet. Allerdings wurden in den letzten Jahren zunehmend auch in anderen Bundesländern wie Sachsen, Thüringen, Brandenburg und auch Niedersachsen FSME-Fällen dokumentiert. Wir sehen also eine Ausbreitung der FSME nach Norden. Welche Gründe dafür verantwortlich sind, ist Gegenstand intensiver Forschung. Die Borrelien sind dagegen in ganz Deutschland sehr weit verbreitet und die Prävalenz schwankt regional zwischen 10 % und 30 %. Auch die Durchseuchung der Zecken mit Borrelia spp. ist viel höher als die Prävalenz der FSME-Viren in den Zecken. Die Gefahr, dass Zecken während des Stichs Borrelien übertragen, ist daher weitaus höher einzuschätzen, auch wenn nicht jede Übertragung zu einer Borreliose führen muss, was übrigens auch auf die FSME zutrifft. Die Borreliose ist demnach in ganz Deutschland weit verbreitet. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Auftreten von Borrelia und den FSME-Viren besteht auch darin, dass die FSME-Viren nur sehr kleinräumig in den Zecken vorkommen, wir sprechen hier von Naturherden, in denen die FSME-Viren zwischen Zecken und hauptsächlich Kleinsäugern zirkulieren. Die Größe dieser Naturherde wird sehr häufig mit der Größe von halben Fußballfeldern in Relation gebracht. Warum diese Naturherde auf der einen Seite so stabil sind und auf der anderen Seite so klein, ist auch noch nicht klar. Selbst in diesen Naturherden sind nur etwa 0,5-2% der Zecken mit FSME-Viren befallen.

Herr Prof. Dobler, können Sie uns die Symptome der FSME beim Menschen schildern?

Dobler: Die FSME verläuft in Mitteleuropa meisten in zwei Krankheitsphasen. Die erste Phase tritt gewöhnlich 5-8 Tage nach dem Zeckenstich auf und verläuft mit einer unspezifischen Symptomatik, Unwohlsein, Appetitlosigkeit, ggf. leichtem Fieber, Magen-Darm-Problemen, Husten oder Rachenschmerzen, Muskelschmerzen. Nach einer Zwischenphase (meist 4-7 Tage) kommt bei einem Teil der Infizierten die zweite Phase mit Beteiligung des Gehirns. Diese manifestiert als

  • Hirnhautentzündung: mit hohem Fieber (höher als in Phase 1) und starken Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen
  • Gehirnentzündung: zusätzlich Schwindel, Bewegungseinschränkung, Zittern, Orientierungsschwierigkeiten (zeitlich, örtlich, persönlich), Bewußtseinseintrübung bis hin zum Koma)
  • Rückenmarksentzündung: zusätzlich zu den beschriebenen Symptomen Muskellähmungen, v.a. der Schultermuskulatur, aber auch der Extremitäten und in der schwersten Form Beeinträchtigungen des Herzschlags, der Atmung, des Blutdrucks und weiterer lebenswichtiger Funktionen

Bei Kindern ist die Symptomatik zu Beginn sehr unspezifisch und damit ist die Diagnose der Erkrankung zu Beginn schwierig. Meist entwickeln sich bei Kindern Symptome der Hirnhautentzündung. Allerdings können selten auch Symptome der Gehirnentzündung und der Rückenmarkslähmung auftreten und auch ein schweres Krankheitsbild verursachen.

Bei Verdacht auf eine FSME-Infektion sollte sofort ein Arzt aufgesucht und eine entsprechende Diagnostik eingeleitet werden. FSME-Patienten sollen grundsätzlich im Krankenhaus betreut und bei Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung zugeführt werden. Um schweren Verläufen vorzubeugen, ist eine Impfung für exponierte Erwachsene und Kinder empfehlenswert.

In einer Studie wurden 54 FSME-Fälle bei Hunden in der Schweiz beschrieben (Kleeb C et al., 2021). In einer experimentellen Studie waren Hunde hingegen nicht allzu empfänglich für eine FSME-Infektion (Salat J et al., 2021). Wie ist der aktuelle Wissenstand zu FSME bei Hunden?

Strube: Hunde scheinen glücklicherweise nicht besonders empfänglich für das FSME-Virus zu sein, und Katzen sind nach dem derzeitigen Kenntnisstand vollständig resistent gegen das Virus. In bekannten Hochendemiegebieten für humane FSME-Fälle wurden 15% und mehr der Hunde seropositiv getestet, eine Studie unter der Leitung von Prof. Dobler ergab in einem bayerischen Hochendemiegebiet sogar eine Seroprävalenz von 22 %. Dennoch erkranken Hunde nur selten, sodass die Literatur nur über vereinzelte Fälle berichtet. Nichtsdestotrotz sollte bei neurologischen Symptomen immer eine FSME- Infektion differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden, und dies gilt nicht nur für bekannte Endemiegebiete. So konnten wir in Zusammenarbeit mit Gerhard Dobler in einer zur Veröffentlichung eingereichten niedersächsischen Studie zeigen, dass gut 1% der untersuchten Hunde Antikörper gegen das FSME-Virus aufweist, und für 5 der 15 seropositiven Hunde gaben die Besitzer an, dass diese weder aus bekannten FSME-Endemiegebieten stammten noch dorthin gereist waren.

Tierärzte kommen gar nicht so selten in die Verlegenheit, einen Blick auf Hautveränderungen bei Tierbesitzern werfen zu dürfen … Herr Prof. Dobler, wie stellt sich die Borreliose klinisch beim Menschen dar?

Dobler: Die Borreliose manifestiert sich in ca. 95% in Deutschland als Wanderröte. Diese tritt frühestens 7 Tage nach einem Zeckenstich auf und es ist charakteristisch, dass sie sich sukzessive vergrößert. Eine sofortige Rötung (insbesondere, wenn diese die Größe eines 2-€-Stücks nicht überschreitet) ist zumeist Ausdruck einer allergischen Reaktion auf den Zeckenstich und nicht einer Borreliose. Alle anderen Manifestationen der Borreliose (Entzündung von Gelenken, Nervenwurzeln, Herz und/oder Augen) treten deutlich später (Wochen bis Monate) nach einem Zeckenstich auf.

Herr Prof. Dobler, polnische Wissenschaftler konnten Neoehrlichia mikurensis in I. ricinus- und D. reticulatus-Zecken im Nordosten Polens nachweisen in einer Studie (Szczotko M et al., 2023), was auf ein potenzielles Übertragungsrisiko für dort von Zecken gestochene Menschen hinweist. Auch konnten sie zeigen, dass Zecken, die aus städtischen Gebieten gesammelt wurden, häufiger infiziert waren als Zecken aus vorstädtischen und natürlichen Gebieten. Dies könnte, nach Auffassung der Autoren, auf eine bedeutende Rolle von Haustieren bei der Ausbreitung des Erregers hindeuten, was eine größere Gefährdung durch Neoehrlichiose für Menschen darstellen könnte, die in Ballungsräumen leben. Welche Symptome charakterisieren die durch N. mikurensis verursachte Neoehrlichiose?

Dobler: Neoehrlichiose wird überwiegend bei Personen mit einem geschwächten Immunsystem und nur vereinzelt Perosnen ohne Grunderkankungen beschrieben. Ein wichtiges Symptom ist hohes und vorübergehend nachlassendes Fieber, häufig mit Schüttelfrost und Nachtschweiß. Daneben werden starke Muskel- und Gelenkschmerzen und seltener Hautausschläge oder weniger spezifische Symptome wie Husten, Durchfall und Gewichtsverlust beschrieben. Im Blut zeigt sich eine Anämie (Blutarmut) und häufig Komplikationen von Seiten der Gerinnung wie Venenthrombosen, Lungenembolie.

Deutsche Wissenschaftler konnten zeigen, dass die Häufigkeit bakterieller Meningitiden durch Streptococcus pneumoniae, Neisseria meningitidis und Haemophilus influenzae während der Pandemie signifikant abgenommen hat. Ebenfalls abgenommen hat die Häufigkeit viraler Meningitiden (insbesondere der Enterovirus-Meningitis). Dahingegen hat die Anzahl der an Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) erkrankten Patienten und die Zahl der Borreliose-Fälle im ersten Jahr der Pandemie zugenommen, möglicherweise im Rahmen eines veränderten Freizeitverhaltens. Was können wir aus diesen Beobachtungen lernen?

Dobler: Dies zeigt meiner Meinung nach zuerst einmal, dass die Epidemiologie der FSME nicht mit der Übertragung anderer Formen/Ursachen von Meningitis beim Menschen vergleichbar ist. Ein Erklärungsversuch war, dass durch CoVID die menschlichen Interaktionen eingeschränkt waren und dadurch von Mensch zu Mensch übertragene Erreger nicht mehr so gut übertragen werden konnten. Daneben spielen jedoch auch die bisher nicht verstandenen Naturzyklen des FSME-Virus eine Rolle, da entsprechend hohe FSME-Zahlen in Deutshcland auch nach CoVID beobachtet werden, die jetzt nicht mehr durch CoVID erklärt werden können. Wir sehen im gesamten mittel- und südosteuropäischen Raum einen deutlichen Anstieg der FSME-Fälle, sowohl in der weniger durchimpften deutschen Bevölkerung als auch in der hoch-durchimpften Bevölkerung Österreichs. Dies bedeutet, dass die Intersität des FSME-Virus in der Natur zuzunehmen scheint.

Bei welchen durch Zecken übertragbaren Erregern sehen Sie steigende Tendenzen in der Relevanz für die Humanmedizin?

Dobler: Wir sehen in Deutschland insbesondere einen deutlich ansteigenden Trend bei der Zahl der FSME-Fälle. Die Borreliose ist schwierig zu beurteilen, da sie nur in einigen Bundesländern meldepflichtig ist und zum anderen auch häufig eine klinische und keine laborgestützte Diagnose ist. Weiterhin sehen wir einen Anstieg der Tularämie (Hasenpest)-Fälle, deren Erreger ebenfalls durch Zecken übertragen werden kann. Alle anderen Zecken-übertragenen Erkrankungen (Rickettsiosen, Anaplasmose, Ehrlichiose, Babesiose) spielen in Deutschland beim Menschen bisher keine Rolle. Damit lassen sich keine eindeutigen Tendenzen zur Häufigkeit aussagen.

Frau Prof. Mackenstedt, Sie forschen zur Überlebensfähigkeit der Braunen Hundezecke, R. sanguineus, hierzulande …

Mackenstedt: Wir führen in der Tat experimentelle Untersuchungen durch, um die Überlebensfähigkeit der Braunen Hundezecke hier in Deutschland außerhalb von Wohnungen zu untersuchen. Die ersten Ergebnisse haben gezeigt, dass es diesen Zecken möglich ist, eine gewisse Zeit im Freien zu überleben, aber natürlich gehen wir auch davon aus, dass Hunde die Braune Hundezecke z. B. aus dem Mittelmeerraum mitbringen, etwa über Hundeimporte oder wenn mitreisende Hunde nicht gegen Zeckenbefall geschützt werden. Daher müssen auch solche Krankheitserreger miteinbezogen werden, die in den Ursprungsländern auftreten, wie Ehrlichia canis, Rickettsia conorii, Anaplasma-Arten sowie auch Babesia-Arten, z.B. Babesia vogeli.

Wissenschaftler sehen bislang keine Invasion von Hyalomma marginatum in Großbritannien (Gillingham EL et al., 2023). Wie ist das bei uns?

Mackenstedt: Wir haben eine große Citizen-Science-Studie durchgeführt, nachdem mehrere Hyalomma-Zecken auf Pferden entdeckt worden waren. Mittlerweile wissen wir auch aus Gesprächen mit den Pferdebesitzern selbst, dass diese immer wieder Hyalomma-Zecken auf den Pferden beobachten konnten. Allerdings wurden sie aufgrund ihrer schnellen Bewegung vielfach für Spinnen gehalten. Wir gehen davon aus, dass regelmäßig Hyalomma-Zecken mit Zugvögeln z. B. aus afrikanischen Ländern oder aus Süd- ost-Europa nach Deutschland verbracht werden. Es handelt sich bei Hyalomma um 2-wirtige Zecken, die mehrere Wochen auf einem Wirt (z.B. Vögeln) verbringen und sich als vollgesogene Nymphen abfallen lassen. Was dann weiter mit diesen Nymphen passiert, ist vom Wetter abhängig. Treffen die Zecken auf hohe Temperaturen und lange Trockenphasen, dann können sie sich zu adulten Zecken häuten, die anschließend auf Wirtssuche gehen (z.B. Pferde). Bleibt es dagegen kühler und auch regnerischer, entwickeln sich die Zecken mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht weiter. Wir haben sowohl Hyalomma-rufipes– als auch H.-marginatum-Zecken eingeschickt bekommen. Ob diese Zeckenarten in Deutschland bzw. Mitteleuropa endemisch werden können, bleibt abzuwarten und kann aufgrund des Klimawandels nicht ausgeschlossen werden.

Herzlichen Dank für das Gespräch.