Jean Dussault-Medaille für Heidelberger Langzeitstudien zum Neugeborenen-Screening

Ein Blutstropfen genügt: Das Neugeborenenscreening ermöglicht eine frühe Diagnose und Behandlung von angeborenen Stoffwechsel- und Hormonstörungen. (Foto: © Universitätsklinikum Heidelberg)

Wie entwickeln sich Kinder, bei denen im Rahmen des Neugeborenen-Screenings eine angeborene Stoffwechselerkrankung diagnostiziert wurde? Lassen sich schwere Entwicklungsstörungen vermeiden oder eindämmen? Diese Fragen konnte PD Dr. Ulrike Mütze, Kinderärztin am Dietmar-Hopp-Stoffwechselzentrum und Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), mithilfe einer groß angelegten Langzeitstudie beantworten.

Für ihre Arbeiten ist sie nun von der International Society for Neonatal Screening (ISNS) mit der Jean Dussault-Medaille geehrt worden. Die Auszeichnung ist mit 2000 US-Dollar dotiert und wird seit 2007 jährlich von der ISNS für herausragende Forschungsergebnisse im Bereich Neugeborenen-Screening vergeben.

Förderer des Neugeborenen-Screenings am Universitätsklinikum Heidelberg ist bereits seit mehr als 20 Jahren die Dietmar Hopp Stiftung, die in dieser Zeit rund 16 Millionen Euro für Forschungsprojekte und den Ausbau der Infrastruktur gespendet hat. Die nun ausgezeichneten Forschungsarbeiten sind Teil des Projekts NGS2020/ NGS2025 zur Langzeitentwicklung von Kindern und Jugendlichen mit angeborenen StoffwechseIerkrankungen nach Identifizierung im Neugeborenen-Screening, das von der Stiftung mit mehr als zwei illionen Euro gefördert wird.

Mütze ist als Studienärztin und -koordinatorin an verschiedenen nationalen und internationalen Netzwerk-Studien zu angeborenen Stoffwechselerkrankungen beteiligt. 2021 habilitierte sie sich mit ihren Arbeiten zur Langzeitentwicklung betroffener Kinder und leitet eine Forschungsgruppe zu diesem Thema.

Für die multizentrische Beobachtungsstudie wurden Kinder, die im Neugeborenen-Screening seit 1999 identifiziert wurden, in festgelegten Zeitabständen nachuntersucht, um herauszufinden, ob die frühe Diagnose Stoffwechselkrisen verhindern und den Gesundheitszustand der Kinder nachhaltig verbessern konnte. Diese mehr als 550 betroffenen Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind die weltweit größte Patientengruppe dieser Art mit den gleichzeitig längsten Nachbeobachtungszeiten. In ihren Auswertungen zeigte Mütze, dass die Mehrzahl der gescreenten Kinder von der frühen Diagnosestellung innerhalb des Untersuchungszeitraums nachhaltig profitierte. Zusätzlich belegte sie unabhängig davon in einer nationalen Patientenkohorte den Nutzen für die seltene Stoffwechselstörung Isovalerianazidurie, sowie für den angeborenen Vitamin-B12-Mangel, der noch nicht im Regelscreening enthalten ist. „Da der Vitamin-B12-Mangel durch die vorübergehende orale Gabe des Vitamins gut behandelt werden kann und die behandelten Kinder eine normale Entwicklung aufzeigten, sind diese Ergebnisse ein gutes Argument für die Aufnahme des Vitamin-B12-Mangels in das reguläre Screening“, so Mütze.

Bei jedem tausendsten Neugeborenen wird beim Screening eine Krankheit entdeckt

Angeborene Stoffwechsel- und Hormonstörungen können unentdeckt zu Organschäden, körperlicher oder geistiger Behinderung oder sogar zum Tod führen. Das Neugeborenen-Screening ermöglicht eine frühe Diagnose und Behandlung. Im Dietmar-Hopp-Stoffwechselzentrum am UKHD werden jährlich Proben von mehr als 140.000 Neugeborenen aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland auf mittlerweile 19 Erkrankungen getestet. Etwa bei jedem tausendsten Kind wird eine Krankheit entdeckt. Im besten Fall gibt es ein passendes Medikament; anderen Betroffenen kann zum Beispiel durch eine lebenslange spezielle Diättherapie geholfen werden. Die Erweiterung des Neugeborenen-Screenings um weitere Erkrankungen ist Ziel aktueller Pilotprojekte am UKHD.