Jeder dritte Patient mit größerer OP leidet unter Blutarmut

Bild: ©24K-Production – stock.adobe.com

Die ALICE-Studie untersucht die Ursachen der präoperativen Anämie. Ihr Fazit: Jeder Dritte ist von einer Anämie betroffen und die Sterblichkeit in diesen Fällen um das Fünffache erhöht.

Ein Mangel an Hämoglobin führt bekanntlich zu Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen und Herz-Kreislauf-Beschwerden. Während einer Operation steht der Körper zusätzlich unter Stress, sodass das Risiko für Komplikationen wie Herz-Kreislauf-Probleme und Infektionen steigt. Da die Organe und das Gewebe schlechter mit Sauerstoff versorgt werden, verzögert sich auch die Wundheilung. Schließlich benötigen anämische Patienten häufiger Bluttransfusionen, was weitere Risiken birgt.

Patient Blood Management zur Steigerung der Patientensicherheit

Oft wird Eisenmangel als Hauptgrund für diese Blutarmut angesehen. Deshalb beschränkt sich die präoperative Behandlung im Rahmen des „Patient Blood Managements“ bisher auf die Gabe von Eisenpräparaten. Das Auffüllen der Eisenspeicher fördert die Bildung neuer Blutzellen, verbessert die Sauerstoffversorgung und verringert den Transfusionsbedarf.

Tatsächlich kann eine Anämie jedoch viele verschiedene Ursachen haben. Um diese besser zu verstehen und die Behandlung gezielter zu gestalten, wurde in der internationalen, multizentrischen, prospektiven ALICE-Studie untersucht, wie häufig Anämie vor größeren Operationen auftritt und welche Gründe dafür verantwortlich sind.

Ganzheitliches Anämie-Management etablieren

„Unser Ziel ist es, die Patientensicherheit zu erhöhen und ein ganzheitliches Anämie-Management zu etablieren“, sagen Prof. Patrick Meybohm, Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW), und Prof. Kai Zacharowski, Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie des Universitätsklinikums Frankfurt am Main. Meybohm und Zacharowski sind die Letztautoren der Studie. Als Leiter des Deutschen Patient Blood Management Netzwerks liegt ihnen besonders am Herzen, die körpereigenen Blutreserven zu stärken (www.patientbloodmanagement.de).

Die Auswertung der Daten von insgesamt 2830 Patienten aus 79 Krankenhäusern in 20 Ländern auf fünf Kontinenten wurde nun in „The Lancet Global Health“ veröffentlicht. Die in der Studie untersuchten Personen waren mindestens 18 Jahre alt, unterzogen sich einer größeren Operation und hatten einen mindestens 24-stündigen Krankenhausaufenthalt.

Auch ein Mangel an Folsäure oder Vitamin B12 kann zur Anämie führen

Erstautorin Dr. Suma Choorapoikayil von der Universitätsmedizin Frankfurt fasst die Ergebnisse zusammen: „Unter den Patientinnen und Patienten hat jeder Dritte eine Anämie. Mehr als die Hälfte von ihnen (55,2 %) wies einen Eisenmangel auf, 7,7% einen Vitamin-B12-Mangel, 14,5% einen Folsäuremangel und 8,7% eine chronische Nierenerkrankung. Zudem zeigte sich in unseren Ergebnissen, dass eine präoperative Anämie das Risiko für Bluttransfusionen um das Dreifache, die Komplikationsrate um das 2,5-Fache und die Sterblichkeit um das Fünffache erhöht.“

Die Autoren sind sich einig, dass es entscheidend für die Zukunft ist, eine präoperative Anämie, die mit einer so hohen Häufigkeit auftritt und einen erheblichen Einfluss auf das operative Ergebnis hat, nicht mehr zu ignorieren. Zudem müsse neben dem Eisenmangel auch ein Vitamin-B12- und Folsäuremangel diagnostisch und therapeutisch berücksichtigt werden.