Kachexie: Wie Krebs-Botenstoffe die Muskeln zerstören29. Dezember 2025 PD Dr. Arnab Nayak untersucht die Auswirkung von entzündungsfördernden Botenstoffen auf den Muskelabbau bei Krebs. Foto: ©Tim Holler/MHH. MHH-Wissenschaftler untersucht, wie entzündungsfördernde Zytokine in den Stoffwechsel der Muskeln von Krebspatienten eingreifen und sie aktiv umgestalten. Krebspatienten verlieren häufig übermäßig stark an Gewicht. Das betrifft bis zu 80 Prozent der Erkrankten und ist hauptsächlich auf die Abnahme von Muskelmasse und Fettgewebe zurückzuführen. Ausgelöst wird diese durch Krebs induzierte Kachexie (CIC) von Krebszytokinen, also entzündungsfördernden Botenstoffen, welche die Tumorzellen selbst aussenden. Nicht selten ist zudem der Herzmuskel betroffen, was die Patienten zusätzlich schwächt. Je nach Krebsart ist die CIC laut der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) für 20 bis 50 Prozent aller krebsbedingten Todesfälle weltweit verantwortlich. Eine heilende Therapie gibt es nicht. Um einen wirksamen Behandlungsansatz zu finden, hat sich ein Forschungsteam um PD Dr. Arnab Nayak, Wissenschaftler am Institut für Molekular- und Zellphysiologie der MHH, mit den bislang unbekannten molekularen Mechanismen beschäftigt, die mit CIC in Verbindung stehen. Mit seiner Arbeitsgruppe „Chromatin and SUMO Physiology“ hat der Molekularbiologe gezeigt, dass die Krebszytokine direkt in den Stoffwechsel der Muskelzellen eingreifen und diese aktiv umgestalten. Außerdem sorgen sie dafür, dass der Muskel weniger Kalzium freisetzen kann, was die Muskelkontraktion beeinträchtigt. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Journal of Cachexia, Sarcopenia and Muscle“ veröffentlicht worden. Verlust der Kontraktionsfähigkeit Die Forschenden untersuchten in der Zellkultur die Auswirkung einer CIC auf die Skelett- und Herzmuskelzellen von Mäusen und Ratten. Dabei testeten sie die kontraktilen Eigenschaften der Muskelzellen nach elektrischer Stimulation und maßen die Kalzium-Freisetzung innerhalb der Muskelzellen. Außerdem überwachten sie in einem hochauflösenden Mikroskop, wie sich die CIC auf die Organisation der Sarkomere auswirkt, die kleinsten Funktionseinheiten des Muskels. Des Weiteren analysierten sie die Signalübertragungen in den Zellen, die regulieren, welche muskelspezifischen Gene an- oder abgeschaltet werden. „Wir beobachteten einen drastischen Verlust der Kontraktion der quergestreiften Muskelzellen bei CIC, der in erster Linie auf akut desorganisierte Sarkomerstrukturen und einen beeinträchtigten Kalziumtransportprozess zurückzuführen war“, stellt Nayak fest. Die proinflammatorischen Zytokine vermindern aber nicht nur die Fähigkeit des Muskels zur Kontraktion. Sie zerstören auch die Muskelzellen selbst. So aktivieren sie einerseits ein Enzym, das Muskelproteine für den Abbau markiert. Das System soll eigentlich fehlerhafte Proteine aus der Zelle entfernen. In diesem Fall sorgt das Abbausystem jedoch dafür, dass funktionierende Muskelproteine zerstört werden. Zudem beeinflussen die Zytokine einen zentralen Signalweg innerhalb der Muskelzellen, der ihr Wachstum, ihre Teilung, den Stoffwechsel und das Überleben reguliert. SUMO-Signalweg als Therapieansatz Aktuelle Therapien konzentrieren sich eher auf die Linderung der Symptome. So wird mit Nahrungsergänzungsmitteln wie mehrfach ungesättigter Omega-3-Fettsäure in Kombination mit Vitamin D3 sowie über Ausdauer- und Kraftübungen versucht, den Muskelschwund zu stoppen. Auch Herzmedikamente wie ACE-Hemmer oder Beta-Blocker sollen helfen, den Muskelabbau zumindest zu reduzieren. Nayak setzt auf molekularbiologische Methoden, genauer gesagt, den SUMO-Signalweg. Bei diesem Mechanismus wird das Protein SUMO (small ubiqutin-like modifier) an andere Proteine gebunden, um deren Funktion zu verändern. Der SUMO-Signalweg spielt eine wichtige Rolle beim Muskelabbau. Die SUMO-spezifischen Enzyme SENP3 und SENP7 regulieren epigenetische Prozesse in den muskelspezifischen Genen. Diese steuern die Genaktivität, ohne die DNA selbst zu verändern. Bei Kachexie werden die Enzyme abgebaut und infolgedessen ihre muskelspezifischen Zielgene herunterreguliert. So können sich die Sarkomere, die kleinsten Funktionseinheiten des Muskels, nicht mehr wie vorgesehen bilden, und die Muskeln verlieren ihre Fähigkeit zur Kraftentwicklung. „Wir haben in unserer Untersuchung SENP3 und SENP7 hochreguliert und einen Rückgang des Muskelabbaus beobachtet“, sagt der Molekularbiologe. Ob dieser Ansatz über die Zellkultur hinaus funktioniert, muss jedoch noch weiter untersucht werden. Nayak und sein Team wollen die muskelrettende Wirkung daher als nächstes im Mausmodell überprüfen.
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