Kälte fördert Infektionen der oberen Atemwege – Biologische Erklärung gefunden8. Dezember 2022 Foto: Paolese/stock.adobe.com US-amerikanische Forschende haben eine bislang unentdeckte Immunantwort in der Nase identifiziert, die Viren abwehrt, die für Infektionen der oberen Atemwege verantwortlich sind. Kälte hemmt die schützende Immunantwort, Infekte werden wahrscheinlicher. Die Anfang Dezember veröffentlichte Studie liefert den ersten biologischen Mechanismus, der erklärt, warum Erreger wie etwa Erkältungs-, Grippe- oder Corona-Viren sich bei kalten Temperaturen mit höherer Wahrscheinlichkeit verbreiten, wie die Autoren betonen. „Üblicherweise ging man davon aus, dass die Erkältungs- und Grippesaison in die kalten Monate fällt, weil sich Menschen dann häufiger in Innenräumen aufhalten, wo sich durch die Luft übertragenen Viren besser verbreiten“, so Benjamin S. Bleier, MD, Direkter der Otolaryngology Translational Research am Mass Eye and Ear, USA und Senior-Autor der Studie. „Allerdings weisen unsere Studienergebnisse auf eine biologische Wurzel als Ursache für die saisonalen Variationen bei Infektionen der oberen Atemwege hin, die wir jedes Jahr sehen“, so Bleier weiter. Jüngstes Beispiel sei die COVID-19-Pandemie. Erste Verteidigungslinie in der Nase Die Nase ist einer der ersten Kontaktpunkte zwischen der äußeren Umwelt und dem Körperinneren und damit wahrscheinliche Eintrittspforte für Pathogene. Wie sich die Atemwege gegen solche Pathogene wappnen, war lange nur unzureichend verstanden. Bleier und Mansoor Amiji, PhD, Distinguished Professor of Pharmaceutical Sciences at Northeastern University deckten 2018 eine angeborene Immunantwort auf, die ausgelöst wird, wenn Bakterien durch die Nase eingeatmet werden: Zellen im vorderen Bereich der Nase erkennen die Bakterien, worauf hin extrazelluläre Vesikel in den Nasenschleim ausgeschüttet werden, um die Bakterien einzuschließen. Die Studie zeigte außerdem, dass die extrazellulären Vesikel protektive antibakterielle Proteine durch den Mukus vom vorderen zum hinteren Bereich der Nase transportieren, die Zellen vor den Bakterien schützen, bevor diese zu tief in den Körper eindringen können. Für ihre aktuelle Studie wollten die Forschenden herausfinden, ob diese Immunantwort auch durch Viren, die durch die Nase inhaliert werden ausgelöst wird. Virus-Abwehr-Mechanismus unter verschiedenen Bedingungen getestet Unter der Leitung von Di Huang, PhD, vom Mass Eye and Ear und Northeastern analysierte den Forschenden wie nasale Zellen auf drei verschiedene Viren reagierten: ein Corona-Virus und zwei verschiedene Rhinoviren, die normale Erkältungen auslösen. Die Zellen stammten aus Gewebeproben aus den Nasen von Patienten, die sich einer Operation unterziehen mussten und gesunden Freiwilligen. Die Autoren konnten zeigen, dass jeder der Viren eine Antwort der extrazellulären Vesikel bei den nasalen Zellen auslöste, allerdings mittels eines anderen Signal-Wegs als dem, der bei der Abwehr von Bakterien genutzt wird. Das Team identifizierte einen weiteren Mechanismus, der bei der Antwort gegen Viren eine Rolle spiel: Nach ihrer Freisetzung dienten die extrazellulären Vesikel als „Köder“, indem sie Rezeptoren präsentieren, an die die Viren binden – anstatt an Zellen zu binden. „Je mehr Köder, desto eher können die extrazellulären Vesikel Viren im Mukus binden, bevor diese die Chance haben sich an nasale Zellen zu binden – das unterdrück die Infektion,“ erklärte Huang. Die Froschenden testeten auch wie sich kalte Temperaturen auf diese Antwort auswirken. Das ist für die nasale Immunität besonders relevant, da die interne Temperatur der Nase stark von der Außentemperatur abhängt. Gesunde Freiwillige kamen aus einer Umgebung mit normaler Raumtemperatur und wurden für 15 Minuten einer Umgebungstemperatur von 4,4 Grad Celsius ausgesetzt. Die Temperatur in der Nase fiel dadurch um fünf Grad Celsius. Die Forschenden verringerten dann die Temperatur der nasalen Gewebeproben ebenfalls um fünf Grad und beobachteten unter diesen Bedingungen eine verminderte Immunantwort. Die Menge der sekretierten extrazellulären Vesikel sank um 42 Prozent und die antiviralen Protein in den extrazellulären Vesikeln waren beeinträchtigt. „In Kombination liefern diese Ergebnisse eine mechanistische Erklärung für die saisonalen Variationen bei Infektionen der oberen Atemwege“, so Huang. Therapeutisches Potenzial? Künftige Studie zielen darauf ab diese Ergebnisse mit weitern Pathogenen zu replizieren. Weitere Forschungen könnten als Challenge-Studien konzipiert sein, bei denen im Tiermodell oder beim Menschen eine Virenexposition stattfindet und die nasale Immunantwort gemessen wird. Ausgehend von ihren aktuellen Ergebnissen ist für die Autoren auch denkbar, dass Therapeutika die angeborene Immunantwort der Nase auslösen oder verstärken. So könnte beispielsweise ein Nasenspray entwickelt werden, das die Zahl der extrazellulären Vesikel in der Nase oder die Rezeptoren für Viren der Vesikel steigert, so die Idee der Autoren. (ja)
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