Kardiogener Schock: Mehr Evidenz in der Therapie ist dringend nötig

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Ob akuter Herzinfarkt, chronische Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen, Klappenerkrankungen oder schwere Lungenembolie: Viele Wege führen in den kardiogenen Schock. Die Therapie bleibt eine Herausforderung, zeigt eine neue Arbeit.

Dr. Leonhard Binzenhöfer von der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des LMU Klinikums München, einer der Studienautoren, sagt über den kardiogenen Schock: „Letztlich kann er die gemeinsame Endstrecke all dieser Erkrankungen sein, wobei es aufgrund einer verminderten Pumpleistung des Herzens zur Durchblutungsstörung aller Organe kommt, die bis zum Multiorgan-Versagen führen kann.” Erstautor PD Dr. Enzo Lüsebrink, ebenfalls an der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des LMU Klinikums München tätig, ergänzt: „Über die Gesamthäufigkeit des Krankheitsbildes variieren die Daten im internationalen Vergleich. Allerdings lässt sich sagen, dass es etwa fünf bis 15 Prozent der Patienten mit einem Herzinfarkt trifft.“

Und klar ist: Wenn ein Mensch mit einem kardiogenen Schock in die Klinik eingeliefert wird, besteht oft akute Lebensgefahr. „Das sind meistens Fälle für die Intensivstation“, sagt Lüsebrink weiter, „und noch immer sind die therapeutischen Möglichkeiten, die in ihrer Wirkung wirklich bewiesen sind, begrenzt.“

Einsatz von Medikamenten

Um Patienten mit kardiogenem Schock zu helfen, kommen neben einer Optimierung des Flüssigkeitshaushaltes des Körpers primär Medikamente infrage, die die Pumpkraft des Herzmuskels steigern und den Blutdruck aufrechterhalten. Allerdings „sind die Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Substanzen in verschiedenen Patientengruppen, das Vorgehen bei fehlendem Ansprechen auf eine erste Therapiestrategie und die Komplikationsraten begrenzt und wurden teilweise aus Studien abgeleitet, die sich auf andere Schockformen konzentrierten“, erklärt Binzenhöfer.

Mechanische Kreislaufunterstützungssysteme

„Die Bedeutung von mechanischen Unterstützungssystemen“, so Lüsebrink, „ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.“ Damit meint der Kardiologe die veno-arterielle extrakorporale Membranoxygenierung (VA-ECMO) und die Impella. Letztere bedeute für einen erwachsenen Menschen „eine substanzielle, wenn nicht gar vollständige Entlastung und Unterstützung der linken Herzkammerfunktion“, erklärt Binzenhöfer. Dies wurde jetzt auch erstmals in einer randomisiert-kontrollierten Studie für Patienten mit einem kardiogenen Schock nach einem Herzinfarkt gezeigt. Mit Impella überlebten mehr Patienten als ohne die Pumpe. Für die VA-ECMO liegt laut den Forschenden bislang kein Beweis für einen Überlebensvorteil aus einer randomisiert-kontrollierten Studie vor.

Behandlung der Grunderkrankung

Binzenhöfer nennt einen ganz wichtigen Punkt: „Lässt sich bei einem Patienten schnell der Infarkt beheben, indem man das betroffene Herzkranzgefäß wiedereröffnet, dann hat er gute Chancen, dass sich eine anfangs bestehende Pumpfunktionsstörung wieder erholt oder zumindest stabilisiert.“ Der Vorteil einer Herzkatheteruntersuchung und Stentimplantation bei Patienten im infarktbedingten Schock sei durch Studien mit höchstem Evidenzniveau bewiesen. Für andere Grunderkrankungen, die den kardiogenen Schock verursachen, ist die Datenlage leider noch nicht ausreichend obwohl neue Katheter-gestützte Verfahren das Spektrum an Behandlungsoptionen – zum Beispiel spezielle Absaugkatheter für Lungenembolien – stetig erweitern.

Struktur des Gesundheitssystems

Nach Ansicht der Münchner Forscher stellt sich auch eine versorgungstechnische Frage: Ist es sinnvoll, dass Notärzte Patienten direkt zu einer spezialisierten Einrichtung wie einem Universitätsklinikum bringen? Oder ist es vorteilhafter, dass man diese Patienten möglichst zügig an einem kleineren Haus versorgt und sie erst dann in ein großes Zentrum verlegt, wenn zur Stabilisierung zum Beispiel ein mechanisches Kreislaufunterstützungssystem infrage kommt? Binzenhöfer sagt dazu: „Zu dieser Frage sehen wir erste vielversprechende Daten. Es scheint vorteilhaft zu sein, wenn ein großes Zentrum mit mehreren Kliniken verbunden ist und über sogenannte Schockteams bestehend aus Spezialisten für Intensivmedizin, Kardiologie und Herzchirurgie die Versorgung dieser Patienten koordiniert. Ersthelfer oder Kollegen an kleineren Kliniken würden in diesem Modell mit einem zentralen Schockteam Kontakt aufnehmen, gemeinsam die beste Therapiestrategie erarbeiten und gegebenenfalls einen Transport organisieren.“ Auch das könnte laut Lüsebrink dazu beitragen, „unsere Behandlung zu verbessern und die nach wie vor hohe Sterblichkeit der Patienten von 40 bis 50 Prozent hoffentlich noch weiter zu reduzieren.“