Kardiovaskulärer Schutz durch Statine überwiegt das Risiko von Muskelbeschwerden7. September 2022 Symbolbild: ©nuttiwut – stock.adobe.com Statine beugen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einschließlich Herzinfarkten und Schlaganfällen, vor, können aber Muskelschmerzen und -schwäche verursachen. Einer auf dem ESC-Kongress 2022 vorgestellten und zeitgleich in „The Lancet“ veröffentlichten Studie zufolge ist das Risiko dieser Nebenwirkung jedoch so gering, dass der Nutzen bei weitem überwiegt. Die Statintherapie ist ein wirksames Mittel zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und wird häufig verschrieben. Es gibt jedoch Bedenken, dass Statine Muskelschmerzen oder -schwäche verursachen können, was einige Patienten dazu veranlasst, ihre Behandlung abzubrechen – meist grundlos, wie die Untersuchung unter Studienleiter Prof. Colin Baigent, Direktor der Medical Research Council Population Health Research Unit an der Universität Oxford (Großbritannien), zeigt. „Bei den meisten Menschen, die ein Statin einnehmen, sind muskelbezogene Symptome wahrscheinlich nicht durch das Medikament verursacht worden. Die bekannten schützenden Wirkungen von Statinen gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen übersteigen bei weitem das leicht erhöhte Risiko von Muskelbeschwerden“, fasst der Spezialist für kardiovaskuläre Epidemiologie das Studienergebnis zusammen. „Bei 1000 Personen, die ein Statin mittlerer Intensität einnehmen, würde die Behandlung beispielsweise im ersten Jahr 11 im Allgemeinen leichte Episoden von Muskelschmerzen oder -schwäche verursachen, ohne dass es in den folgenden Jahren zu einem signifikanten Anstieg kommt. Über einen Zeitraum von fünf Jahren verhindern Statine typischerweise 50 größere vaskuläre Ereignisse bei Personen mit vorbestehenden Gefäßerkrankungen und 25 größere vaskuläre Ereignisse bei Personen ohne vorbestehende Gefäßerkrankungen, wobei eine längere Behandlung einen größeren Nutzen bringt“, erläutert Baigent. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Statine ursächlich für Muskelbeschwerden sind, die während der Therapie teilweise beobachtet werden, wird in der Studie mit zehn Prozent angegeben. Metaanalyse unter Einbeziehung von 155.000 Patienten Bei der „Lancet“-Studie handelt es sich um eine Metaanalyse der Daten einzelner Teilnehmer, die in groß angelegten randomisierten Doppelblindstudien zur Statintherapie aufgezeichnet wurden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten Daten aus 23 Studien der Cholesterol Treatment Trialists’ (CTT) Collaboration zusammen, die Informationen über fast 155.000 Patientinnen und Patienten enthielten. Alle Studien umfassten mindestens 1000 Patienten und eine geplante Behandlungsdauer von mindestens zwei Jahren. Daten zu unerwünschten Ereignissen wurden für alle Teilnehmer an 19 großen randomisierten Doppelblindstudien zur Statintherapie im Vergleich zu Placebo (123.940 Patienten) und an vier randomisierten Doppelblindstudien zur intensiveren im Vergleich zur weniger intensiven Statintherapie (30.724 Patienten) erhoben. Die Forschenden untersuchten alle Daten über unerwünschte Wirkungen, die von den an den klinischen Studien teilnehmenden Patienten gemeldet wurden, sowie Daten über den Zeitpunkt und die Gründe für den Abbruch der Studienbehandlung, die Einnahme anderer (nicht an der Studie teilnehmender) Medikamente, andere Gesundheitszustände und Laborergebnisse, die bei der Interpretation bestimmter unerwünschter Ereignisse hilfreich sein könnten. Nur Bruchteil von Muskelbeschwerden auf Statine zurückzuführen In den 19 Studien, in denen ein beliebiges Statinregime mit Placebo verglichen wurde, meldeten während einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 4,3 Jahren 16.835 Patienten (27,1%) in der Statingruppe und 16.446 (26,6%) in der Placebogruppe Muskelschmerzen oder -schwäche (Ratenverhältnis [RR] 1,03; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,01–1,06). Im ersten Jahr gab es einen relativen Anstieg der Berichte über Muskelschmerzen oder -schwäche um sieben Prozent bei denjenigen, die ein Statin erhielten (RR 1,07; 95 % CI 1,04-1,10), was einer absoluten Überschreitungsrate von 11 (95%-KI 6–16) Berichten pro 1000 Personenjahre entsprach; in der restlichen Nachbeobachtungszeit gab es keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko (RR 0,99; 95%-KI 0,96–1,02). Während des ersten Jahres war nur etwa einer von 15 gemeldeten Fällen von Muskelschmerzen oder -schwäche auf die Statintherapie zurückzuführen. In den vier Studien mit intensiverer gegenüber weniger intensiver Statintherapie führten hochintensive Therapieschemata (z. B. Atorvastatin 40 bis 80 mg täglich oder Rosuvastatin 20 bis 40 mg täglich) zu einem größeren relativen Anstieg der Häufigkeit von Muskelschmerzen oder -schwäche als mäßig intensive Therapieschemata, mit einem Ratenverhältnis von 1,08 (95%-KI 1,04–1,13) bzw. 1,02 (95%-KI 1,00–1,05). Baigent führt aus: „Muskelsymptome wie Schmerzen oder Schwäche traten bei ähnlich vielen Personen in der Statin- und der Placebogruppe auf. Bei mehr als 93 Prozent der Patienten, die über Symptome berichteten, waren die Statine nicht die Ursache der Muskelschmerzen. Die Statintherapie erhöhte geringfügig die Häufigkeit, aber nicht den Schweregrad muskelbezogener Symptome. Das geringe erhöhte Risiko für Muskelbeschwerden trat vor allem im ersten Jahr nach Beginn der Therapie auf.“ Auf Basis dieser Ergebnisse halten die Studienautoren es für sinnvoll, die Informationen für Ärzte und Patienten, wie z.B. die Arzneimittelkennzeichnung und die Leitlinien, zu überprüfen. „Die Ergebnisse sollten Ärzten und Patienten helfen, fundierte Entscheidungen darüber zu treffen, ob sie eine Statintherapie beginnen oder beibehalten sollen“, schließt Baigent. (ah)
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