Katalytische Immuntherapie gegen Krebs: Nanopartikel als künstliche Enzyme

Kupfertellurid-Nanopartikel ahmen unter NIR-Licht Enzyme nach und lösen oxidativen Stress in Tumorzellen aus. Diese verlieren ihren immunsuppressiven Status und Entzündungsprozesse werden angestoßen. Grafik: © Wiley-VCH, Quelle: Angewandte Chemie: Presseinfo 27/2019

Der Aufbau einer „Antitumor-Immunität“ könnte jetzt greifbar werden – dank neuartiger Kupfertellurid-Nanopartikel, die unter NIR-Licht Enzyme nachahmen und oxidativen Stress in Tumorzellen auslösen, ihren immunsuppressiven Status aufheben und Entzündungsprozesse anstoßen. Das berichten chinesische Wissenschaftler in der Zeitschrift „Angewandte Chemie“.

Sogenannte „Nanoenzyme“ sind heiße Kandidaten für eine „katalytische Immuntherapie“. Es handelt sich dabei um Nanopartikel, die zwar vollkommen anders aufgebaut sind als Enzyme, aber deren katalytische Aktivität nachahmen. Im Vergleich zu natürlichen Enzymen lassen sie sich einfacher herstellen, sind kostengünstiger und wesentlich stabiler.

Die Forscher um Wansong Chen und You-Nian Liu von der Central South University (Changsha, Hunan China) stellen jetzt ein neues Nanoenzym vor: Kupfer-Tellurid-Nanopartikel (Cu2-xTe) ahmen die Aktivität der Enzyme Glutathion-Oxidase und Peroxidase nach. Die Aktivitäten basieren auf einem Wechsel der enthaltenen Kupfer-Ionen zwischen zwei verschiedenen Oxidationsstufen.

Als Substrat wird Glutathion benötigt, ein Antioxidans, das in Tumorzellen in wesentlich höherer Konzentration vorkommt als in gesunden Zellen. Daher sind die Nanoenzyme nur in Tumorzellen aktiv. Die Nanoenzyme absorbieren NIR-II-Licht (nahes Infrarot im Wellenlängenbereich von 1000 bis 1350 nm), wodurch sich ihre Umgebung lokal aufheizt. Dieser Effekt verstärkt die enzymnachahmende Aktivität der Nanoenzyme ganz erheblich. Die NIR-II-Bestrahlung könnte bei einer Behandlung selektiv auf den Tumor ausgerichtet werden.

Versuche in Tumor-Zellkulturen und mit Tumormäusen ergaben, dass durch Nanoenzyme und NIR-II-Bestrahlung eine ganze Kaskade zellulärer Antworten ausgelöst wird, die den oxidativen Stress innerhalb des Tumors sehr stark erhöhen, was letztlich zum Zelltod führt.

Ganz entscheidend aber ist, dass gleichzeitig die Unterdrückung immunologischer Vorgänge innerhalb der Mikroumgebung des Tumors aufgehoben wird. Stattdessen werden entzündungsfördernde Stoffe freigesetzt und eine Immunantwort ausgelöst. Im Einklang damit konnten die Forscher unter anderem eine erhöhte Konzentration von Effektor-T-Gedächtniszellen beobachten. Das Immunsystem soll dadurch lernen, sich gegen Metastasen zu verteidigen und ein „immunologisches Gedächtnis“ aufzubauen, das einen Rückfall verhindert.

Angewandte Chemie: Presseinfo 27/2019

Autor: You-Nian Liu, Central South University (China), [email protected]

Publikation: https://doi.org/10.1002/ange.201909729