KHAG schwächt den Kampf gegen Infektionen und Resistenzen

Antibiotikaresistenzen nehmen weltweit rasant zu. (Foto: © jarun011 – stock.adobe.com)

Heute (12.11.) steht das Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) im Bundestag zur ersten Lesung. Zahlreiche Fachgesellschaften und Verbände befürchten durch das Gesetz eine deutliche Schwächung im Kampf gegen Infektionskrankheiten. Denn das KHAG sieht unter anderem die Streichung der Leistungsgruppe Infektiologie vor.

Weltweit war im Jahr 2023 jede sechste laborbestätigte bakterielle Infektion resistent gegen Antibiotika – die Resistenzentwicklung verlaufe aktuell schneller als die Fortschritte der modernen Medizin und bedrohe die globale Gesundheit, warnte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Oktober. Für Deutschland kommt eine aktuelle Studie zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2019 hierzulande circa 10.000 Menschen aufgrund von Infektionen mit antibiotikaresistenten Erregern gestorben sind.

„Im internationalen Vergleich sind die Zahlen noch relativ niedrig. Aber Krankheitserreger halten sich nicht an nationale Grenzen“, betont Prof. Maria Vehreschild, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI). Um eine rationale Verordnung von Antibiotika sicherzustellen und der Ausweitung der Resistenzproblematik entgegenzuwirken, sind die fachärztliche infektiologische Expertise und die sogenannten Antibiotic Stewardship-Programme in Kliniken unverzichtbar.“

Infektiologische Expertise spart Kosten

Experten für Infektionskrankheiten werden der Fachgesellschaft zufolge nicht nur wegen der wachsenden Zahl antibiotikaresistenter Infektionen benötigt. Der zunehmende Anteil älterer Patienten mit geschwächtem Immunsystem, aber auch große operative Eingriffe, komplexe Therapien bei Krebs und chronischen Erkrankungen und weitere Entwicklungen der modernen Medizin könnten mitunter komplizierte Infektionen nach sich ziehen. „Bei schweren Infektionen verbessert die Einbindung von Fachärztinnen und Fachärzten der Infektiologie die Überlebenschancen von Betroffenen um bis zu 20 Prozent, reduziert Komplikationen und senkt den Antibiotikaverbrauch – das belegen zahlreiche wissenschaftliche Daten“, erklärt Vehreschild. „Eine strukturelle Verankerung infektiologischer Kompetenz ist deshalb nicht nur medizinisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll.

Was bedeutet die Streichung der Leistungsgruppe für Patienten?

Das KHAG sieht aktuell allerdings das Gegenteil vor: Hier sollen nun mehrere Leistungsgruppen komplett entfallen – darunter auch die Infektiologie. „Für Kliniken heißt das konkret: Ohne eine Leistungsgruppe lässt sich spezielle Infektiologie kaum finanzieren – entsprechende Stellen zur Weiterbildung des medizinischen Nachwuchses würden wegfallen, Fachärztinnen und Fachärzte ohne Perspektive in andere Gebiete abwandern“, erläutert Prof. Gerd Fätkenheuer, Past-Präsident der DGI. Die Streichung der Leistungsgruppe habe strukturelle Konsequenzen und führe dazu, dass die Krankenhausplanung der Länder keine Infektiologie vorsieht. Selbst komplizierte Infektionen würden dann in nicht spezialisierten Kliniken versorgt werden. „Das gefährdet in hohem Maße die Versorgungsqualität und vor allem die Sicherheit der Patientinnen und Patienten“, warnt Fätkenheuer.

Schwächung der Infektionsmedizin – ein deutsches Phänomen

„Die Leistungsgruppe Infektiologie sollte – so der ursprüngliche Plan – nicht flächendeckend, sondern gezielt und kosteneffizient an spezialisierten Zentren vorgehalten werden, um dort Patienten mit komplexen Infektionen nach optimalen Qualitätsstandards zu versorgen, erläutert Vehreschild. „Mit dem aktuellen Entwurf des KHAG droht jetzt allerdings eine fundamentale Schwächung der Infektionsmedizin insgesamt. Damit handeln wir komplett entgegengesetzt zu anderen hochentwickelten, effizienten Gesundheitssystemen.“

Als Begründung für die Streichung der Leistungsgruppe werden vor allem technische Argumente, wie die Zuordenbarkeit von Leistungen zu vorhandenen Abrechnungsziffern (DRG), vorgebracht. „Hierfür gibt es jedoch pragmatische Lösungen, die bei anderen Leistungsgruppen auch angewendet werden. Daher ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, dass die medizinische Versorgung von Patientinnen und Patienten gefährdet, und ohne Not die ursprünglichen Reformziele der Krankenhausreform für mehr Qualität und Effizienz geschwächt werden“, kommentiert Prof. Leif Erik Sander, Direktor der Klinik für Infektiologie an der Berliner Charité. Deshalb sein dringender Appell an die Parlamentarier: „Wir dürfen bei Qualität und Patientensicherheit keine Kompromisse machen! Die Leistungsgruppe Infektiologie muss, wie ursprünglich vorgesehen, wieder aufgenommen werden.“

Stellungnahme zahlreicher Fachgesellschaften und Verbände

Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) plädiert daher in einer Stellungnahme mit zahlreichen Fachgesellschaften und Verbänden, darunter die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), die Gesellschaft für Virologie (GfV), der Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI), die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), die Deutsche AIDS-Gesellschaft sowie die Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (dagnä) für die Änderungen des aktuellen Entwurfs des KHAG und die Wiederaufnahme der Leistungsgruppe Infektiologie.