KI in der Augenchirurgie – Was kann sie heute schon?

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Was kann Künstliche Intelligenz (KI) heute in der Augenchirurgie schon leisten? Antworten auf diese Frage gab Dr. Ben Asani von der Augenklinik der LMU München während der Online-Pressekonferenz zum 123. Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG).

Asani richtete seinen Blick nicht nur auf einzelne Anwendungen der KI, sondern betrachtete beispielhaft auch Prozesse von der präoperativen Planung bis zur postoperativen Nachsorge. Dabei wiederum differenzierte er verschiedene Prozess-Schritte.

Anhand der Kataraktoperation verdeutlichte er dies mit den Schritten der individuellen Linsenkalkulation, der Größenbestimmung (Sizing) einer intraokularen Kontaktlinse (ICL), der Vorhersage ihres Abstandes zur Vorderfläche der natürlichen Augenlinse (Vault) sowie des folgenden chirurgischen Eingriffes.

Während des ersten Schrittes, der Linsenberechnung, haben moderne KI-gestützte oder hybridbasierte Formeln wie Kane, PEARL-DGS, Hill-RBF oder Nallasamy in aktuellen Übersichtsarbeiten eine überlegene oder zumindest gleichwertig hohe Genauigkeit gegenüber klassischen Formeln zeigen können. Einen Vorteil bietet dies vor allem in „schwierigen“ Augen (sehr kurz/lang, postrefraktive Hornhaut), da so die Refraktionsvorhersage optimiert und Nachkorrekturen reduziert werden können.

ICL-Sizing und Vault-Vorhersage

Beim ICL-Sizing und der Vault-Vorhersage sind Machine-Learning/Deep-Learning-Modelle heute bereits in der Lage, die postoperative Vault präziser vorherzusagen als beispielsweise klassische Regressionsansätze und können damit die Linsengrößenwahl verbessern. Das Ziel: weniger Unter- oder Übervaulting und geringere Komplikationsraten.

Während der Kataraktoperation können Deep-Learning-Modelle Operationsphasen wie zum Beispiel die Kapsulorhexis, Phakoemulsifikation oder IOL-Implantation und auch Instrumente verlässlich erkennen. Dies bietet Vorteile für das Training und die Ausbildung von Ophthalmochirurgen, kann aber auch die eigene Qualitätskontrolle des Operateurs unterstützen. Erste klinische Anwendungen zeigten zudem verkürzte OP-Zeiten beim Einsatz von Echtzeit-KI-Feedback.

Chirurgische Feinmanöver noch präziser machen

Als ein weiteres Beispiel der intraoperativen Unterstützung verwies Asani auf eine Robotik-Plattform für die vitreoretinale Chirurgie. Hochfeine manuelle Manöver sollen so präziser und das Handzittern verringert werden. Machbarkeit und Sicherheit dieser Plattform seien in der ersten randomisierten Studie zur Peeling-Chirurgie der epiretinalen Membran (ERM) und inneren Grenzmembran (ILM) bestätigt worden. Zwar habe die robotische Gruppe mehr Zeit benötigt, die Instrumentenführung sei jedoch genauer gewesen bei vergleichbaren funktionellen/anatomischen Resultaten.

Behandlungsintervalle und Ansprechen prognostizieren

Für den Bereich des KI-Einsatzes in der postoperativen und longitudinalen Patientenversorgung nannte Asani beispielhaft die Anti-VEGF-Therapien bei neovaskulärer AMD, Diabetischem Makulaödem und retinalem Venenverschluss. Hier zeigten aktuelle Studie bereits belastbare KI-Modelle, um anhand von optischen Kohärenztomographie(OCT)-Biomarkern und klinischen Daten sowohl Treat-and-Extend-Intervalle als auch das Ansprechen vorherzusagen. So ließen sich Intervalle individualisieren, Unter- respektive Überbehandlung vermeiden und Ressourcen schonen. (dk/BIERMANN)