KI-LAURA-Projekt: Künstliche Intelligenz in der Lehre für Augenheilkunde an der Universität Bonn

Ausschnitt aus den E-Learning-Videos. Zentraler OCT-B-Scan mit eingefärbten Netzhautschichten eines gesunden 25-jährigen Mannes (Heidelberg Engineering, Heidelberg, Deutschland). Bildquelle: Universitäts-Augenklinik Bonn

Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) werden zunehmend in der klinischen Forschung eingesetzt. Es existieren auch erste Beispiele für Anwendungen in der Krankenversorgung. Daher sollten Ärztinnen und Ärzte mit den Chancen und Limitationen der eingesetzten Methoden vertraut sein. Das Institut für Medizindidaktik der Universität Bonn hat hierfür das Projekt für „Künstliche Intelligenz in der Lehre der Augenheilkunde und Radiologie“ (KI-LAURA) entwickelt.

„Die zentrale Projektidee besteht darin, ein anwendungsorientiertes Lernangebot für Medizinstudierende zu bieten, durch das die Lernenden fundierte, praxisnahe Kompetenzen im Umgang mit KI im Bereich der Bildgebung erwerben“, betont Prof. Tobias Raupach, Direktor des Instituts für Medizindidaktik. Die Fachrichtungen, bei denen der technologische Wandel bereits weit fortgeschritten ist, haben hierfür ein neues Curriculum entwickelt. Die Radiologie und Neuroradiologie des Universitätsklinikum Bonns bietet den Studierenden Einblick in die Möglichkeiten der KI für die Befundung von Computertomographie- und Magnetresonanztomographie-Aufnahmen. Im Fachbereich der Ophthalmologie werden den Studierenden KI-Anwendungen am Beispiel der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) und der Diabetischen Retinopathie (DR) erläutert

Alltagsrelevante Bildgebungsmodalitäten in der Augenheilkunde

Um in späteren Seminaren innovative KI-Algorithmen kritisch hinterfragen zu können, werden die Studierenden zunächst mit zwei wichtigen, da sehr alltagsrelevanten Bildgebungsverfahren in der Augenheilkunde vertraut gemacht. Das erste Beispiel ist die Fundusfotografie, die ein Bild ähnlich der klinischen Funduskopie liefert und somit optimal geeignet ist, Einblicke in die Kernkompetenzen eines Ophthalmologen zu geben. Zunächst sollen die Studierenden lernen, anhand welcher Kriterien eine qualitativ gute Fundusfotografie erkannt werden kann. Anschließend wird erläutert, wie sie einen physiologischen Normalbefund der Fundusfotografie von dem einer DR unterscheiden und diese in Ihre Krankheitsstadien einteilen können.

Als zweite Bildgebungsmodalität wird die optische Kohärenztomographie (OCT) nähergebracht. In eLearning-Videos wird zunächst anhand der OCT das Vorwissen aus dem Studium vertieft und der Aufbau der Netzhaut wiederholt. Im Anschluss lernen die Studierenden, wie bei der AMD verschiedene OCT-Biomarker dargestellt werden und spezifisch pathologische Flüssigkeit innerhalb der Netzhaut der jeweiligen Schicht zugeordnet werden kann. Prof. Frank Holz, Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn, erläutert: „Bildgebende Verfahren der Netzhaut wie die optische Kohärenztomographie können in kurzer Zeit durchgeführt werden und stellen mit ihren großen Datensätzen eine optimale Grundlage für KI-Anwendungen dar“.

Machine Learning und Deep Learning: Beispiele aus der Universitäts-Augenklinik Bonn

Mit diesem Vorwissen werden dann in interaktiven Seminaren und Lehrvideos den Studierenden die theoretischen Grundlagen und Funktionsweisen von KI-Algorithmen erläutert. Ein besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Interpretation und Validierung der Algorithmen gelegt. Die Studierenden sollen die häufig verwendeten Kennzahlen kennenlernen und dadurch in der Lage sein, Ergebnisse verschiedener KI-Algorithmen miteinander vergleichen zu können. Anschließend wird an einem praktischen Beispiel „Erkennung der DR mithilfe eines Deep-learning-Ansatzes“ dieses Basiswissen vertieft. Hier können die Studierenden auch selbst aktiv werden und verschiedene Fundusfotografien in den Algorithmus einspeisen. So kann spielerisch erlernt werden, welche Qualität der Aufnahmen der Algorithmus benötigt und wie vertrauenswürdig die erzielten Ergebnisse sind. Dr. Maximilian Wintergerst führt aus: „KI-Anwendungen werden zukünftig immer besser auch mit suboptimaler Bildqualität umgehen können. Dies könnte beispielsweise die Nutzung von Smartphone-basierten Fundusfotografien zur Diagnostik von Augenerkrankungen erleichtern und somit eine erschwingliche Möglichkeit für Bildgebung und Telemedizin in Entwicklungsländern bieten“. Seit 2019 hat die Universitäts-Augenklinik Bonn in Kollaboration mit dem Sankara Eye Hospital in Bangalore, Indien, ein telemedizinisches DR-Screening mittels Smartphone-basierter Fundusfotografie in und um Bangalore etabliert. Hierbei könnten die entwickelten Algorithmen in Zukunft eingesetzt werden.

Die Studierenden sollen ebenfalls lernen, welche Schritte für einen Machine-Learning-Ansatz notwendig sind. Mit ihren neu erworbenen Kenntnissen über die OCT-Untersuchung wird zunächst das „Data pre-processing“ simuliert. Hierfür werden die Lerninhalte an einem praktischen Beispiel vorgestellt, für das an der Universität Bonn von PD Maximilian Pfau und Leon von der Emde ein KI-Algorithmus entwickelt wurde. Dieser Algorithmus erlaubt es, nach einer OCT-Untersuchung automatisch die Sehfunktion vorherzusagen. Der innovative KI-Ansatz ermöglicht es anhand von OCT-Aufnahmen, die Funktion von Stäbchen- und Zapfen-Photorezeptoren, die jeweils verantwortlich für das Nacht- beziehungsweise Tagsehen sind, zu kartieren. Hierdurch werden den Patienten zeitaufwendige funktionelle Tests erspart und dennoch die Funktion der Netzhaut genau eingeschätzt. Zudem fanden die Bonner Forscher heraus, dass Läsionen bei der AMD sich ganz unterschiedlich auf das Nacht- und Tagsehen auswirken können. Im Vergleich zu Deep-Learning-Ansätzen anderer Arbeitsgruppen konnte auch der Machine-Learning-Ansatz hervorragende Ergebnisse liefern. Hier wird deutlich, dass nicht immer ein schwer zu interpretierender Deep-Learning-Ansatz gewählt werden muss.

In Seminaren werden anschließend gemeinsam Stärken und Schwächen der verschiedenen vorgestellten KI-Algorithmen verglichen und diskutiert und mögliche Anwendungsbereiche skizziert. Die Seminare sollen ebenfalls neben der Theorie praktische Beispiele des verwendeten Codes bieten. Die Veranstaltungen werden durch interaktive Quizze ausgeschmückt, die es den Studierenden erlauben, ihre Lernfortschritte nachzuverfolgen.

Ausblick: Zukünftige Entwicklungen der KI speziell in der Augenheilkunde Während sich die Aufnahme und Eingliederung von KI im klinischen Ablauf noch in der Anfangsphase befindet, ist der auf wissenschaftlichen Konferenzen vorgestellte Fortschritt bereits groß. Künftig könnte die KI nicht nur bei Diagnosen, sondern auch bei der Therapieentscheidung eine Hilfestellung bieten. Den Studierenden wird in den Seminaren des KI-LAURA-Projekts ein erster Einblick in diese aktuellen Entwicklungen und Problematiken geboten. Letztendlich sollen die Studierenden ermutigt werden sich weiter, beispielsweise im Rahmen einer Promotion, an der Schnittstelle von KI und Ophthalmologie zu engagieren. Die Kursmaterialien sind auf der KI-Campus-Website [https://kicampus.org/courses/ki-laura] kostenfrei für alle Interessierten verfügbar.

Autoren:
Leon von der Emde, Tobias Raupach, Matthias Laupichler, Frank G. Holz, Maximilian Wintergerst

Publikationen:
Leon von der Emde*, Maximilian Pfau*, Chantal Dysli, Sarah Thiele, Philipp T. Möller, Moritz Lindner, Matthias Schmid, Monika Fleckenstein, Frank G. Holz, Steffen Schmitz-Valckenberg. Artificial intelligence for morphology-based function prediction in neovascular age-related macular degeneration. Sci Rep 2019 Jul 31 (* these authors contributed equally to this work).

Simon Müller, Snezhana Karpova, Maximilian WM Witergerst, Kauschik Murali, Mahesh Palanivelu Shanmugam, Robbert P. Finger, Thomas Schultz Automated Detection of Diabetic Retinopathy from Smartphone Fundus Videos. Ophthalmic Medical Image Analysis, 7th International Workshop, OMIA 2020, Held in Conjunction with MICCAI 2020, Lima, Peru, October 8, 2020, Proceedings (pp. 83-92).