Kindergastroenterologen kritisieren zu späte Diagnose pädiatrischer CED

Dr. Martin Claßen vom Klinikum Links der Weser, Bremen, 1. Vorsitzender der GPGE (li.) und PD Dr. Carsten Posovszky, Universitätsklinikum Ulm, 2. Vorsitzender der GPGE. (Quelle: GPGE)

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn werden bei vielen Kindern und Jugendlichen zu spät diagnostiziert und qualitativ unzureichend behandelt, sagt die Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE). Gleichzeitig zeige sich eine steigende Häufigkeit in dieser Altersgruppe, in der CED zu den wesentlichen chronischen Krankheiten gehört, so Vertreter der Fachgesellschaft. Die GPGE fordert daher eine bessere Behandlung ausschließlich durch Spezialisten.

Dr. Martin Claßen, 1. Vorsitzender der GPGE und PD Dr. Carsten Posovszky,2. Vorsitzender, berichten von einer Neuerkrankungsrate bei Kindern von 800 bis 1400 Patienten pro Jahr. Die für Betroffene niederschmetternde Diagnose wird somit bei circa 25 Prozent im Kindes- und Jugendalter gestellt. In dieser Altersgruppe kommt es häufig zu einem ausgedehnten Befall und einem aggressiven Verlauf.

Die Betroffenen würden schon früh mit Krankheit konfrontiert und müssen ein Leben mit Durchfällen, Bauchschmerzen und Medikamenten führen, so die Experten weiter. Sie seien zudem durch die Entzündung und Ausdehnung der Erkrankung meist schwerer als Erwachsene betroffen. “Gerade Teenager fühlen sich nicht attraktiv oder sportlich und haben Angst vor sozialer Isolation. Sie sind körperlich schwächer und leiden an Müdigkeit. Ein Kinobesuch oder ein Ausflug mit der Clique ohne eine Toilette in der Nähe? Wer an Durchfall-Schüben leidet, ist da ganz schnell draußen. Deutlich formuliert: CED kann Nachteile in der schulischen und beruflichen Ausbildung zur Folge haben. Durch die psychischen Beeinträchtigungen können sich die Lebensperspektiven nachhaltig verändern”, so Claßen und Posovskzy.

Eine CED werde bei Kindern und Jugendlichen oft erst spät diagnostiziert, so die Experten. Bis zur gezielten Therapie vergehen so viele Monate voller Angst und Unsicherheit für die Betroffenen und ihre Familien. Bei unzureichender Behandlung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen besteht die große Gefahr, wesentliche Entwicklungsstufen bezüglich normaler Körperlänge, Gewicht, Pubertät und auch Sexualität mit erheblicher Einschränkung zu erleben. Das kann nicht nachgeholt werden. Kurzfristiges Ziel einer medikamentösen Therapie ist die Besserung der Symptomatik und die Wiederherstellung der Aktivitäten wie Sport in Schule und Freizeit. Mittel- und langfristiges Ziel ist die Remissionserhaltung, also das Abheilen entzündeter Schleimhaut im Magen-Darm-Trakt und damit der Beschwerden sowie der Erhalt von Lebensqualität.

Aufgrund der Schwere der Erkrankung müssten Kinder und Jugendliche mit CED grundsätzlich von einem Kinder- und Jugendarzt mit einer Expertise in der Gastroenterologie versorgt werden. Denn gerade diese Patientengruppe habe einen Anspruch auf die bestmögliche Behandlung zur Verbesserung ihrer langfristigen Prognose und Perspektive, so die beiden Gastroenterologen. Fakt sei jedoch: Andere Behandler diagnostizieren und therapieren Kinder und Jugendliche mit CED, ohne ausreichend Erfahrung an einer größeren Zahl an Patienten dieser Altersgruppe zu haben.

Die GPGE betreibt zur Verbesserung der Behandlung das europaweit größte CED-Register für Kinder- und Jugendliche mit über 5000 erfassten Patienten. Dieses Register ermöglicht Erkenntnisse zur Verbesserung der Behandlung. Es gewährleistet ein unmittelbares Feedback über Behandlungsergebnisse an die teilnehmenden Kindergastroenterologen und den intensiven Austausch mit anderen Spezialisten. Eine individualisierte Langzeittherapie durch ein multidisziplinäres Versorgungsteam von spezialisierten Ärzten, Pflegern, Psychologen und Ernährungsfachkräften hat den Patienten mit seiner Familie im Fokus.

Die GPGE kooperiert eng mit der Selbsthilfeorganisation DCCV (Deutsche Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Vereinigung) mit dem gemeinsamen Ziel, dass die Betroffenen Unterstützung bekommen. Die GPGE engagiert sich intensiv in der Fort- und Weiterbildung von Kinderärzten, insbesondere zum Thema CED.

Die GPGE fordert für Betroffene einen problemlosen Zugang zu spezialisierten Zentren haben. “Wir fordern auch die Teilnahme der Behandler am CED-Register, um mit diesem kontinuierlichen Austausch die Qualität zu verbessern”, so die beiden Vorsitzenden weiter. “Wir brauchen mehr Zulassungsstudien für die Behandlung von neuen Medikamenten für betroffene Kinder und Jugendliche. Ein strukturierter Übergang dieser jungen Patientengruppe in die Erwachsenenmedizin muss eine verbindliche Regelleistung werden. Hier müssen die Krankenkassen mit entsprechenden Projekten unterstützen. Es braucht gemeinsame Anstrengungen, um mit Hilfe von Langzeitdaten die gesamte Biographie des Patienten in den Mittelpunkt zu stellen. So lassen sich auf lange Sicht Komplikationen und schwerwiegende Verläufe vermeiden. Vor allem aber: Deutschland braucht endlich eine adäquate Vergütung für multidisziplinäre Teams und die psychosoziale Unterstützung der Betroffenen.”