Klare Entscheidungskriterien für die Therapieanpassung bei Multipler Sklerose

Die Aufnahmen aus der Magnetresonanztomographie zeigen mehrere entzündlichen Läsionen im Gehirn eines jungen Patienten mit Multipler Sklerose. (Quelle: © MUI/Radiologie Innsbruck)

Die Ergebnisse einer neuen Studie zu Multipler Sklerose könnten die Therapie dieser chronisch entzündlichen Erkrankung entscheidend verbessern: Forschende aus Innsbruck, Wien und Bern belegen, dass zwei oder mehr in der Magnetresonanztomographie sichtbare Läsionen im Gehirn innerhalb eines Jahres für eine Therapieintensivierung sprechen.

Für die Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) steht seit einigen Jahren eine Reihe von Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, die das Ausmaß der Entzündungsreaktion und damit einhergehend die Beschwerden der Patienten auch bei schweren Verläufen günstig beeinflussen können. So können das Auftreten von Krankheitsschüben und eine permanente Behinderung eingedämmt werden.

Der Neuroimmunologe Harald Hegen (Quelle: © MUI/Vandory)

Abseits klinischer Symptome, die von Einschränkungen des Sehvermögens bis hin zu Lähmungserscheinungen ein breites Spektrum umfassen, kann die Krankheitsaktivität bei MS auch bildgebend dargestellt werden. „Der Nachweis entzündlicher Läsionen im Gehirn mittels MRT erlaubt auch eine Einschätzung geringerer Krankheitsaktivität, denn vermeintlich stabile Patient:innen können trotz Therapie weiterhin neue, klinisch stumme, entzündliche Veränderungen entwickeln“, weiß Neuroimmunologe Harald Hegen, der an der Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie bereits seit vielen Jahren zu MS forscht.

Ob die MS-Therapie schon auf Basis der reinen MRT-Diagnostik angepasst werden soll beziehungswiese wie viele Läsionen im MRT ausschlaggebend sind, konnte nun erstmals im Rahmen einer retrospektiven Studie unter der gemeinsamen Führung der neurologischen Universitätskliniken Innsbruck, Wien und Bern geklärt werden.

In die Studienkohorte wurden 131 MS-Patienten aus MS-Zentren in Österreich und der Schweiz eingeschlossen, die unter einer gering- bis moderat-effektiven Immuntherapie zwölf Monate lang klinisch stabil waren und dann einer MRT unterzogen wurden. „Wir konnten zeigen, dass Patient:innen mit schubförmiger MS, die unter Immuntherapie zwei oder mehr neue entzündliche MRT-Läsionen innerhalb eines Jahres entwickeln, auch bei klinischer Stabilität, also ohne Symptome, von einem Wechsel auf eine hoch-effektive Immuntherapie profitieren“, beschreibt Erstautor Gabriel Bsteh von der Medizinischen Universität Wien die zentrale Erkenntnis. Damit liefert die Studie eine für den klinischen Alltag wichtige Erkenntnis, die für die individuelle Therapieanpassung genutzt werden sollte.

„Nachdem Läsionen oft schon vor dem Auftreten klinischer Symptome in der MRT sichtbar sind, ermöglicht eine bildgebende Kontrolle bei Patient:innen mit einer gering- bis moderat-effektiven Therapie ein frühes Eingreifen in den individuellen Krankheitsverlauf“, betont Studienleiter Hegen. In der Studienkohorte waren rund 40 Prozent der Patienten klinisch stabil, zeigten allerdings in der MRT schon eine oder mehrere Läsionen. Bislang war in der klinischen Praxis eine Therapieverstärkung nur nach Auftreten klinisch manifester Symptome angezeigt.

Die Multicenterstudie, deren Ergebnisse in künftige Empfehlungen von Therapieleitlinien einfließen sollen, ist ein Leuchtturmprojekt einer über die vergangenen Jahre stetig weiterentwickelten Kooperation von MS-Zentren in Österreich und der Schweiz. „Wir verfügen zusammen über eine umfassende Datenbank von mehr als 8000 MS-Patient:innen. Solche multizentrischen Kooperationen legen die notwendige Basis an Fallzahl und Datenqualität für eine Vielzahl weiterer Projekte zur Verbesserung der Versorgung von MS-Patient:innen“, schließt Neurologe Bsteh.