Kleinere Krankenhäuser in Intersektorale Gesundheitszentren umwandeln

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Ein von der KBV in Auftrag gegebenes Gutachten belegt: Der Umbau defizitärer Klinikstandorte zu ambulanten Zentren – Intersektorale Gesundheitszentren – mit erweitertem Betreuungsangebot wäre sinnvoll, um die Versorgung in ländlichen Regionen sicher zu stellen.

„Viele kleine Krankenhäuser insbesondere in ländlichen Regionen kämpfen ums Überleben. Wir haben uns gefragt: Wie lassen sich die Standorte so umbauen, dass die Versorgung vor Ort erhalten bleibt und gleichzeitig Kapazitäten besser genutzt werden können?“ So erklärte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die Ausgangslage für ein der KBV in Auftrag gegebenes Gutachten erklärt.

„Primäres Ziel ist nicht, Krankenhäuser dicht zu machen. ‚Umbau statt Abbau‘ lautet das Motto“, so Gassen weiter. „Die neuen Zentren – wir nennen sie Intersektorale Gesundheitszentren, kurz IGZ – sind im ambulanten Sektor angesiedelt, ihr Angebot geht jedoch über das klassische ambulante Leistungsportfolio hinaus. Hierfür haben die Gutachter das Konzept einer erweiterten ambulanten Versorgung (EAV) entwickelt. Es bedeutet, dass diese intersektoralen Gesundheitszentren auch über Bettenabteilungen verfügen, in denen Patienten bei Bedarf über Nacht bleiben können“, erläuterte Gassen. „Die Menschen nur deshalb in eine Klinik zu schicken, weil es kein anderes niederschwelliges Angebot der ärztlichen Überwachung und Pflege gibt, ist nicht nur wirtschaftlich absurd. Es entspricht auch nicht den heutigen medizinischen Möglichkeiten oder den Wünschen der Patienten“, so Gassen weiter.

“Win-Win-Situation für alle Beteiligten”

Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KBV, Dr. Stephan Hofmeister, betonte: „Wir erhoffen uns von den IGZ eine Win-win-Situation für alle Beteiligten: die Erhaltung von Standorten sowie Arbeitsplätzen in den Kommunen, eine finanzielle Entlastung der Träger, die keine Defizite mehr ausgleichen müssen, sowie eine bedarfsgerechtere Versorgung der Bürgerinnen und Bürger.“

Das IGZ würde eine allgemeinmedizinische, internistische sowie chirurgische Grundversorgung anbieten, die bei Bedarf modular erweitert werden kann, etwa durch Kooperationen mit niedergelassenen Ärzten. Denkbar sei dies zum Beispiel im Bereich des ambulanten Operierens und weiterer Fachgebiete wie HNO, Dermatologie oder Urologie, so Hofmeister. Das Konzept sieht vor, dass Patienten im Rahmen der EAV für maximal fünf Tage eine pflegerische Rund-um-die-Uhr-Betreuung erhalten. Ärzte wären immer vor Ort beziehungsweise außerhalb der Sprechzeiten in Rufbereitschaft.

Budgets und Arztkapazitäten entsprechend anpassen

Um die IGZ in Deutschland zu etablieren bedürfe es jedoch langfristig rechtlicher Anpassungen, so Gassen. Diese beträfen zum Beispiel die Honorierung und die Bedarfsplanung: „Wenn bisher stationäre Leistungen künftig in einem IGZ ambulant erbracht werden, müssen auch die Budgets und Arztkapazitäten entsprechend angepasst werden. Es gilt: Das Geld muss der Leistung folgen.“

„Damit könnten wir den Patienten eine echte Alternative zum Krankenhaus bieten und die Lücke zwischen der teuren, medizinisch nicht erforderlichen vollstationären Versorgung und dem ambulanten Pflegedienst schließen“, führte Hofmeister aus und ergänzte: „Wir sehen die IGZ als Chance, die wohnortnahe Versorgung insbesondere in ländlichen Regionen zu sichern, unnötige Klinikaufenthalte zu reduzieren und darauf, dass die Kollegen am Krankenhaus sich auf die Patienten konzentrieren können, die sie wirklich brauchen.“

DKG-Vorwurf: “Wenig Verständnis für den tatsächlichen Versorgungsbedarf”

Ganz anders bewertet die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) die Vorschläge der KBV. Das von der KBV vorgelegte Gutachten zur Umwandlung von Krankenhausstandorten in sogenannte integrierte ambulante Versorgungszentren solle “mit wissenschaftlichem Anstrich von den seit langem bekannten Versäumnissen der Kassenärztlichen Vereinigungen in ländlichen Regionen ablenken”, heißt es in einer Mitteilung der DKG. 

“Wer ländliche Krankenhausstandorte zu ambulanten Behandlungszentren mit betreutem Schlafen umbauen möchte, der zeigt wie wenig Verständnis er für den tatsächlichen Versorgungsbedarf dieser Regionen mitbringt”, erklärte der DKG-Präsident Dr. Gerald Gaß. Die Kassenärztlichen Vereinigungen hätten es über viele Jahre hinweg versäumt, im Rahmen ihrer Sicherstellungsverantwortung auch in ländlichen Regionen für eine ausreichende ambulante Haus- und Fachärztliche Versorgung zu sorgen. Nun würden sie versuchen diese Versäumnisse zu kaschieren, so der Vorwurf der DKG. 

Laut DKG leisten die Krankenhäuser in ländlichen Regionen bereits heute neben der akutstationären Versorgung sowohl die ambulante Notfallversorgung als auch überwiegend die ambulante fachärztliche Regelversorgung für die Bevölkerung. Der Vorschlag der DKG: Die ambulante fachärztliche Versorgung solle in ländlichen Regionen in vollem Umfang auf  die dortigen Krankenhausstandorte übertragen werden. Zusammen mit dem Sicherstellungsauftrag sollten auch die notwendigen Finanzvolumina von der KBV auf die Kliniken übergehen. Dafür mache sich die DKG seit vielen Jahren stark, so Gaß. “Letzlich würde damit nur ordnungspolitisch vollzogen, was heute längst Realität ist”, betonte der DKG-Präsident.

Rahmenbedingungen der Studie

Das Gutachten hat die Universität Bayreuth zusammen mit der Oberender AG erstellt. Folgende Rahmenannahmen lagen der Studie zugrunde: Die für eine Umwandlung in ein IGZ geeigneten Standorte gehören der Grund- und Regelversorgung an, verfügen zumindest über eine internistische Fachabteilung, sind im ländlichen Raum angesiedelt und haben weniger als 200 Betten. Nach diesen Kriterien läge das Umwandlungspotenzial in Deutschland bei rund 190 Einrichtungen. Für die Studie wurde diese Größe auf Krankenhäuser mit einer Kapazität von 51 bis 150 Betten reduziert und 75 idealtypische Standorte zugrunde gelegt.

Anhand eines solchen idealtypischen Krankenhauses haben die Gutachter die Umwandlung in ein IGZ prozedural, betriebswirtschaftlich und rechtlich simuliert. Abschließend geben sie Empfehlungen für regulatorische Anpassungen, die die Umwandlung von Krankenhäusern in IGZ vereinfachen beziehungsweise flächendeckend ermöglichen würden.

Die Studienautoren haben nach eigenen Angaben ihre Strategie auf die demografischen und wirtschaftlichen Besonderheiten zugeschnitten, die die Entwicklung ländlicher Regionen in Deutschland künftig prägen. Sie hatten dabei insbesondere den wachsenden Anteil älterer Menschen im Blick, die oftmals auf eine fachärztliche Versorgung – verbunden mit kurzzeitiger Überwachung und Pflege – außerhalb der eigenen Wohnung angewiesen sind. „Diesen Patienten bieten Intersektorale Gesundheitszentren alle erforderlichen Dienstleistungen im wohnortnahen Bereich und in einer überschaubaren Einrichtung. So werden stationäre Aufenthalte in großen Kliniken vermieden, die von Patienten und ihren Angehörigen häufig als belastend empfunden werden, keinen Zugewinn an Qualität bringen und nicht selten unnötige Kosten verursachen“, sagt Prof. Andreas Schmid, Professor für Gesundheitsmanagement an der Universität Bayreuth. 

Grundversorgungung auf hohem Niveau und attraktive Arbeitsbedingungen

„Hohe medizinische Qualität und wirtschaftliche Effizienz sind in den Intersektoralen Gesundheitszentren dadurch verknüpft, dass sie einerseits keine Hightech-Geräte-Medizin vorhalten, die sie kaum optimal einsetzen können und die auch nicht dem Bedarf der lokalen Bevölkerung entsprechen. Andererseits können sie die von der Bevölkerung nachgefragte Grundversorgung auf höchstem Niveau erbringen. Dabei stehen sie mit Kliniken sowie anderen niedergelassenen Ärzten und Pflegediensten im Umfeld der Patienten im engen Kontakt. Insofern fungieren die IGZ als wichtige Knotenpunkte in einem ausbalancierten Netzwerk von Gesundheitsleistungen im ländlichen Raum“, erklärt Schmidt

Wie die Studie betont, werden attraktive Arbeitsbedingungen in den IGZ dazu beitragen, hochqualifiziertes Personal für den Gesundheitssektor in ländlichen Regionen zu gewinnen. Pflegekräfte können sich stärker den einzelnen Patienten zuwenden und sind geringeren Belastungen ausgesetzt als in einem Krankenhaus. Für junge Ärzte wiederum, die sich im ländlichen Raum niederlassen wollen, ist die Tätigkeit im IGZ mit geringeren wirtschaftlichen Risiken verbunden als die Gründung oder Übernahme einer einzelnen Praxis. Zudem stärkt der ständige Austausch mit Ärzten anderer Fachrichtungen die eigene medizinische Kompetenz.

Die Studienautoren stellten das Gutachten gemeinsam mit dem Vorstand der KBV im Rahmen der zweiten KBV-Herbsttagung in Berlin vor. (red/ja)