Kniearthrose: Neue Leitlinie betont Eigenverantwortung und Bewegung

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Die neu überarbeitete S3-Leitlinie „Prävention und Therapie der Gonarthrose“ gibt wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für die Behandlung von Kniearthrose. Besonderer Fokus liegt darauf, Patienten zu befähigen, ihre Behandlung aktiv mitzugestalten.

„Die neue Leitlinie stellt neben der Diagnostik und speziellen medizinischen Therapie insbesondere die Rolle der Eigenverantwortung der Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt. Bewegung, Gewichtsreduktion und eine dann individuell angepasste Therapie sind dabei zentrale Bestandteile“, sagt Prof. Christoph H. Lohmann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik Magdeburg. Die unter Federführung der DGOU entstandene Leitlinie erscheint im Juni, vorab vorgestellt wird sie in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Orthopädie und Unfallchirurgie – Mitteilungen und Nachrichten“ (OUMN).

Mit der neuen S3-Leitlinie „Prävention und Therapie der Gonarthrose“ legt die DGOU laut eigenen Angaben „gemeinsam mit über 20 Fachgesellschaften – darunter auch die Deutsche Schmerzgesellschaft –, Hausärztinnen und Hausärzten sowie Patientenvertretungen einen umfassend evidenzbasierten und patientenzentrierten Standard zur Behandlung dieser Volkskrankheit vor“. Die Basis der neuen S3-Leitlinie bildete die in diesem Jahr aktualisierte veröffentlichte S2k-Leitlinie (Version 4.0).

Mehr Eigenverantwortung für die Patientinnen und Patienten

Ein zentrales Anliegen der Leitlinie ist es, Patientinnen und Patienten zu befähigen, ihre Behandlung aktiv mitzugestalten. Ärztinnen und Ärzte sollen sie dabei unterstützen, ihre Rolle im Therapieprozess zu verstehen und anzunehmen. Um die Information der Patienten zu verbessern, kann nun auf die erstmalig erstellte Patientenleitlinie verwiesen werden.

Die DGOU gibt einen Überblick über die wichtigsten Aspekte der aktiven Patientenrolle:

  • Aufklärung und Eigenverantwortung: Patientinnen und Patienten sollen durch gezielte Aufklärung und Motivation aktiv in die Behandlung eingebunden werden. Ziel ist es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass der Therapieerfolg maßgeblich von ihrer Mitwirkung und Eigenverantwortung abhängt.
  • Informieren und Akzeptieren: Es ist wichtig, dass Betroffene sich darüber im Klaren sind, dass sie langfristig mit ihrer Erkrankung leben müssen. Sie sollen lernen, mit den damit verbundenen Herausforderungen umzugehen, ohne den Lebensmut zu verlieren. Ein realistisches Verständnis über den typischen Verlauf – geprägt von Phasen der Besserung und Verschlechterung – hilft dabei, die Erkrankung zu akzeptieren und langfristig positiv zu bewältigen.
  • Therapieansatz: In vielen Fällen handelt es sich um eine chronische Erkrankung, die nicht zwingend operativ behandelt werden muss. Vorrangig kommt eine konservative Therapie zum Einsatz, insbesondere durch gezielte Physiotherapie – oftmals über viele Jahre hinweg als tragende Säule der Behandlung.
  • Konservative Maßnahmen: Im Mittelpunkt stehen bewegungstherapeutische Ansätze, die Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit fördern. Diese individuellen Trainingsprogramme tragen entscheidend zur Funktionsverbesserung und Schmerzreduktion bei.
  • Gesunder Lebensstil und Prävention: Ein aktives Gewichtsmanagement ist essenziell, insbesondere zur Entlastung der Gelenke bei Übergewicht. Empfohlen werden eine überwiegend pflanzliche, ausgewogene Ernährung sowie regelmäßige körperliche Aktivität – beispielsweise durch Gehen oder Radfahren.
  • Vermeidung ungünstiger Belastungen: Kniebelastende und unphysiologische Bewegungen im Alltag, Beruf oder beim Sport sollten nach Möglichkeit vermieden werden, um eine zusätzliche Schädigung der Gelenkstrukturen zu verhindern.

Weitere Neuerungen: Individualisierung, Nachhaltigkeit und Updates zu verschiedenen Therapien

Neben der Patientenaufklärung und Mitentscheidung gibt es weitere Neuerungen. So wird der Fokus auf eine individuelle Therapie anstatt einer Einheitslösung gelegt. Alter, Lebenssituation und persönliche Ziele der Patientinnen und Patienten werden stärker berücksichtigt. Mit Blick auf den zunehmenden Nachhaltigkeitsgedanken in der Medizin fließen erstmals auch umwelt- und ressourcenschonende Aspekte in die Bewertung von Behandlungsmöglichkeiten ein.

Bezüglich der medikamentösen Therapie werden wissenschaftlich fundierte Hilfestellungen gegeben, die den behandelnden Ärztinnen und Ärzten helfen sollen, Wirkungsstärken realistisch einzuschätzen und die Risiken von Medikationsfehlern und Nebenwirkungen zu senken. Ferner wurden Tapes und Manuelle Therapie als neue Kapitel hinzugefügt. Auch die Allgemeine Knieendoprothetik wird besprochen. In einem neu erstellten Kapitel werden die Indikationsstellung, Risikofaktoren- und perioperatives Management, unterstützende Technologien, Metallhypersensitivität und Mindestmengen behandelt.

„Die neu veröffentlichte S3-Leitlinie ist ein Meilenstein für die Versorgung von Menschen mit Kniearthrose. Sie hilft Ärzten, Therapeuten und Betroffenen, gemeinsam die besten Entscheidungen für die Behandlung zu treffen – transparent, nachvollziehbar und wirksam“, betont Prof. Johannes Stöve, federführender Autor der Leitlinie und Chefarzt an der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus Ludwigshafen.