Kniegelenkersatz: Das gerade Bein ist nicht mehr das Standardziel3. Dezember 2025 Bild: TarikVision – stock.adobe.com Anlässlich ihres Kongresses im Dezember erläutert die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik, warum eine Knieprothese heute individueller sein muss und spricht von einem „Paradigmenwechsel”. Ein durch die OP hergestelltes standardisiertes „gerades Bein“ und eine streng normierte Gelenklinie sollten für bestmögliche Funktion sorgen, passe aber nur zu etwa 15 Prozent der Bevölkerung. Nicht jeder Mensch hat die gleiche Bein- und Knieform. Trotzdem wurde jahrzehntelang nach einem Einheitsprinzip operiert, das sich am Ideal eines geraden Beins orientiert, so die AE. „Das könnte erklären, warum trotz guter Implantate und fortgeschrittener OP-Techniken rund fünf bis 20 Prozent der Betroffenen kein „vergessenes Knie“ erreichen – ein Knie, das sich im Alltag nicht mehr künstlich anfühlt“, erläutert Prof. Rüdiger von Eisenhart-Rothe, Direktor der Klinik für Orthopädie und Sportorthopädie, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie am Klinikum rechts der Isar und AE-Vizepräsident. Gleichzeitig stiegen die Erwartungen: Viele Patientinnen und Patienten seien heute jünger, sportlich aktiv und möchten nach der Operation wieder uneingeschränkt am Alltag teilnehmen. Personalisierung statt Einheitslösung: Warum eine Knieprothese heute individueller sein muss Nach Angaben des Experten berücksichtigen neue Operationstechniken die individuelle Beinachse, die ursprüngliche Spannung der Bänder und die persönlichen Bewegungsmuster. „Damit werden auch X-und O-Beine nicht mehr auf gerade getrimmt.“ Studien zeigten: Wer eine Knieprothese bekommt, die zu seiner individuellen Anatomie passt, ist zufriedener und hat oft eine bessere Funktion. Die offene Frage: Welches Vorgehen passt zu wem? „Doch trotz großer Fortschritte bleibt eine zentrale Frage offen: Welche Ausrichtung genau passt zu welchem Patiententyp?“, so von Eisenhart-Rothe. Denn es gibt eine große Vielfalt an Knieformen: „Allein in der Frontalansicht sind über 100 unterschiedliche knöcherne Varianten beschrieben – hinzu kommen weitere Unterschiede in den Bändern und in der Bewegung des Knies.“ Doch bislang fehlt eine klare Evidenz, welche biomechanische Ausrichtung, die Alignment-Strategie, für welchen anatomischen und funktionellen Befund optimal ist. Auch die verschiedenen Implantatmodelle beeinflussten das Ergebnis: „Es ist noch nicht eindeutig geklärt, welche Kombination für welche Patientengruppe am besten funktioniert“, so der Orthopäde und Unfallchirurg. Die Chance der KI: Der Digitale Zwilling Der nächste Entwicklungsschritt ist Eisenhart-Rothe zufolge datengetrieben: KI kann große Datenmengen nutzen, die bei jeder Knieoperation entstehen. Dazu gehören Bilder wie Röntgen oder CT, Bewegungsanalyse und Messdaten während des Eingriffs und die tatsächliche Implantatpositionen. „Neu ist auch die Nutzung von Bewegungsdaten aus Alltagssensoren, wie sogenannte Wearables, die Gangbilder erfassen. Sie könnten langfristig sogar aussagekräftiger sein als statische Röntgenbilder, wenn es darum geht, wie gut eine Prothese wirklich funktioniert“, so der Experte. Eine große Datenbank für bessere Entscheidungen Ziel ist, so die AE, der Aufbau einer wachsenden Datenbank digitaler Zwillinge. Sie zeigt welche anatomischen Typen es gibt, welche Operationstechnik bei welchem Profil am besten funktioniert und welche Faktoren langfristig gute Ergebnisse begünstigen. Aus diesen Informationen kann ein „Digitaler Zwilling“ entstehen – ein computergestütztes, sehr genaues Abbild eines Patienten. „Dieses lernende Modell hilft vorherzusagen: Welche Prothesenposition und welche Technik führen bei einer Person mit bestimmten Merkmalen am wahrscheinlichsten zum besten Ergebnis?”, so Eishart-Rothe. Roboter als Hilfsmittel für präzisere Eingriffe Bei der Umsetzung im OP könnten Roboter helfen. „Sie schneiden nicht selbst. Sie helfen Chirurginnen und Chirurgen jedoch dabei, die Operation millimetergenau zu planen, während des Eingriffs präziser zu arbeiten und wichtige Daten automatisch zu erfassen.“ So könne die Implantatposition exakt an die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten angepasst werden. Das „vergessene Knie“ ist das Ziel Die Knieendoprothetik bewege sich immer weiter weg vom Einheitskonzept hin zu einer individuell zugeschnittenen Medizin. „Robotik und KI sind dabei nicht Selbstzweck, sondern Voraussetzung, um die komplexe Anatomie und Funktion des Kniegelenkes individuell abzubilden und zu behandeln. Der Digitale Zwilling könnte künftig der Schlüssel sein, um präzise vorherzusagen, welche Operationsstrategie für welchen Menschen das optimale Ergebnis erzielt. Unser erklärtes Ziel ist: ein Knie, das sich im Alltag nicht künstlich anfühlt – das „vergessene Knie“, fasst von Eisenhart-Rothe zusammen.
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