Koalition nach Halbzeit: Meister – im Ankündigen von Gesetzen

Diskussionsrunde zur Halbzeitbilanz: Andrew Ullmann, Christos Pantazis, Kirsten Kappert-Gonther, Moderatorin Jessica Hanneken, Dirk Heinrich, Tino Sorge (v.l.). Screenshot: Schmitz

Wird die Gesundheitspolitik die Versorgungsprobleme der Zukunft lösen? Diese Frage zur Halbzeitbilanz der Ampel-Regierung stand beim 10. Fachärztetag des Spitzenverbandes Fachärzte Deutschlands (SpiFa) am 15.03.2024 in Berlin zur Diskussion.

Die Vertreter der Koalition versuchten herauszustellen, was die Ampelregierung bisher in die Wege geleitet und erreicht hat. Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion CDU/CSU, fühlte ihnen als einziger Oppositionsvertreter auf den Zahn. SpiFa-Chef Dr. Dirk Heinrich betonte die Verunsicherung der Ärzte, die viele zu einem frühzeitigen Renteneintritt verleiten könnte. „Die niedergelassene Kollegen sind enttäuscht, frustriert und auf dem Absprung“, sagte Heinrich. Man könne niemandem mehr erklären, warum ein Hausarzt in Schlewig-Holstein 73 Prozent und in Bayern 110 Prozent ausgezahlt bekomme. „Die Kollegen interpretieren das als mangelnde Wertschätzung und so mancher sagt dann: ‚Das tue ich mir nicht mehr an.‘“. Nachwuchs sei aber nicht da. „Es ist Ihre Aufgabe, das zu lösen“, appellierte der Hals-Nasen-Ohren-Arzt an die Politiker.

Prof. Andrew Ullmann, Gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion,betonte, die Ampel-Koalition wolle „die Fehlentwicklung durchbrechen: ‚wir geben immer Geld drauf, und dann sind sie schon ruhig‘ – das geht nicht mehr“. Der Internist hob die Bedeutung der Ambulantisierung hervor, denn ein Drittel der der Krankenhausfälle seien „ambulant-sensitiv“, d.h. sie könnten auch ambulant erbracht werden, doch „die ambulanten Leistungserbringer sind durch das Budget geknebelt“. Er ließ duchblicken: „Wir diskutieren Entbudgetierung auch bei Fachärzten.“ Als weiteren Pluspunkt der Koalition nannte Ullmann das Bürokratieentlastungsgesetz. Diese Initiative der FDP-Fraktion hatte Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) am Vortag ausdrücklich gelobt.

“Hoffe, dass wir uns in eine richtige Richtung entwickeln“

Dr. Kirsten Kappert-Gonther von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen formulierte bescheiden die „große Hoffnung, dass wir uns innerhalb der Legislaturperiode zumindest in eine richtige Richtung entwickeln“. Sie zählte auf, was die Koalition ihrer Ansicht nach bereits geleistet hat: „Die Digitalisierung haben wir nach vorne gebracht, auch das Transparenzgesetz halte ich für absolut richtungsweisend.“ Große Hoffnungen setze sie auf das Versorgungsgesetz I. Soziale Fragen müssten mehr in den Fokus genommen und die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels endlich anerkannt werden, forderte sie. Als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie liegt ihr besonders die bessere Versorgung der psychisch Kranken am Herzen. „Die Zahlen galoppieren uns davon“, betonte sie.

Dr. Christos Pantazis von der SPD-Fraktion, ebenfalls Arzt, betonte, dass die Regierung unter schwierigen Voraussetzungen gestartet sei. Jetzt führe sie die tiefgreifendste Reform der Krankenhausfinanzierung seit 20 Jahren durch. „Viele haben den Ernst der Lage noch nicht begriffen“, sagte er. Die Länder seien ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden. Das Mitglied des Gesundheitsausschusses ging mehrfach auf den Zwist mit den Ländern bezüglich der Krankenhausreform und des Transparenzgesetzes ein. Er betonte, dass alle Länder zugestimmt hätten, bis auf Bayern, das von Anfang an dagegen war, und Schleswig-Holstein, das sich enthielt. „Dass trotz dieser Einigung, der 14 Länder zugestimmt haben, der Bundesrat dann den Vermittlungsausschuss angerufen hat, empfinde ich als Wortbruch.“

“Lauterbach bringt die ganze Branche gegen sich auf”

CDU-Mann Sorge fand es „putzig, dass es jetzt als Erfolg dargestellt wird, wenn mal zwei Gesetze beschlossen worden sind“. Ansonsten sei Lauterbach vor allem stark darin, Gesetze anzukündigen. „Es ist ein Problem der Ampel, dass man nicht zu Potte kommt und nach einer halben Legislaturperiode noch immer alles auf externe Probleme und die Vorgängerregierung schiebt.“ Lauterbach habe eine Kommission einberufen, aber nicht mit den Akteuren gesprochen und er habe die Länder außen vor gelassen. „Lauterbach ist der einzige Minister, der es geschafft hat, wirklich die gesamte Gesundheitsbranche gegen sich aufzubringen“, spitzte Sorge zu und führte das „unechte Vermittlungsausschuss-Ergebnis“ an, das „schon an Erpressung grenzt“. Der Gesetzentwurf liege immer noch nicht vor, derweil stürben die Krankenhäuser weg. Bei der Digitalisierung hätten Lauterbach und die Grünen gebremst, kritisierte Sorge – aus ideologischen Gründen: „Wir wollen nicht, dass die Industrie an die Daten kommt“, habe es geheißen, daher habe sich die CDU der Abstimmung enthalten. Die Entbudgetierung der Hausärzte sei ein Beispiel, wie man Ärzte verunsichern kann. „Warum nur die Hausärzte?“, fragte Sorge. „Und wieder haben wir jetzt krude Ankündigungen: Entbudgetierung in Problembezirken, wo soll das sein?“

Warten auf Verlängerung

Mit der Aussage „Wir haben keinen Erkenntnismangel, sondern einen Umsetzungsmangel“ brachte FDP-Vertreter Ullmann vielleicht das Grundproblem der Ampel-Koalition auf den Punkt. Er betonte, man würde ein Fußballspiel auch nicht nach der ersten Halbzeit beurteilen, sondern es zählten die ganzen 90 Minuten – eventuell auch mit Verlängerung. „Da kann man nicht warten, bis die Nachspielzeit kommt, das muss man jetzt mal machen!“, konterte aus dem Publikum die Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Dr. Ellen Lundershausen, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer.

(ms)

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Quellen "Halbzeitbilanz: Wird die Gesundheitspolitik die Versorgungsprobleme der Zukunft lösen?", 10. SpiFa-Tag, 15.03.2024, Berlin