Kognitive Wahrnehmung: Einschränkungen als Folge chronischer Nierenerkrankung

Schematische Darstellung der Aktivierung vom Mikrogliazellen. Illustration: © designua – stock.adobe.com

Einschränkungen der kognitiven Wahrnehmung sind ein Problem bei chronischer Nierenerkrankung. Sie können das Leben stark beeinträchtigen. Studien zeigen, dass eine Nierentransplantation die kognitiven Defizite rückgängig machen kann.

Welche Mechanismen genau zu den kognitiven Beeinträchtigungen infolge einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) führen, ist bislang weitgehend unklar. Eine neue Studie der Universitätsmedizin Leipzig liefert wichtige Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung, die für therapeutische Ansätze der CKD und deren Folgeerscheinungen dienen könnten.

Mikroglia sind spezialisierte Immunzellen des Gehirns, die eine Schlüsselrolle bei der Umwandlung neuronaler Funktionen spielen. Die Aktivierung dieser Zellen ist oft mit entzündlichen Prozessen verbunden, die wiederum das Gehirn und die kognitiven Funktionen beeinflussen. „In der vorliegenden Studie konnten wir zeigen, dass die chronische Nierenerkrankung zu einer Aktivierung der Mikrogliazellen führt, was eine Reihe von negativen Effekten auf das Gehirn hat und insbesondere die Feinregulierung der Kaliumverteilung in den Nervenzellen stört“, erklärt Dr. Silke Zimmermann, Erstautorin der Studie und Wissenschaftlerin der Universitätsmedizin Leipzig.
Um die Mechanismen der CKD im Gehirn zu untersuchen, etablierten die Leipziger Wissenschaftlern für diese Arbeit ein chirurgisches Mausmodell, bei dem fünf Sechstel des Nierengewebes entfernt wurden. Die Studiendaten zeigten, dass diese Mäuse schlechter in kognitiven Tests abschnitten und eine reduzierte neuronale Kaliumumsetzung aufwiesen. Die Analyse der Genexpression verdeutlichte, dass in den neuronalen Zellclustern der Mausmodelle mit CKD mehrere Signalwege betroffen waren. 

Rezeptor an Nervenzellen mit Hemmstoff blockiert

Die Studienanalysen der experimentellen Ansätze sowohl an Zellkulturen als auch an Mausmodellen belegten, dass die CKD die Barrierefunktion der Endothelzellen des Gehirns beeinträchtigt. Damit zeigten die Leipziger Wissenschaftler, dass die fortschreitende Urinvergiftung bei Nierenversagen die Gefäßdurchlässigkeit im Gehirn verändert. Diese Störung der Blut-Hirn-Schranke ermöglicht es toxischen Substanzen, das Gehirn zu erreichen und dort Entzündungsreaktionen auszulösen. Dieser Prozess beeinträchtigt wiederum das Gleichgewicht von Kalium in den Mikrogliazellen. 

Die Wiederherstellung der Kalium-Homöostase in den Zellen gelang den Forschenden, indem sie einen Rezeptor an den Nervenzellen mit einem Hemmstoff blockierten – dadurch verbesserten sich auch die kognitiven Funktionen. „Damit ist es uns gelungen, einen Mechanismus im Gehirn nachzuweisen, der eine zentrale Funktion für die Entstehung der gestörten Kognition hat. Wir denken, dass es ausreichend ist, diesen Mechanismus zu behandeln, um die Kognition bei betroffenen Patienten zu verbessern“, sagt Prof. Berend Isermann, ebenfalls Korrespondenzautor der aktuellen Studie. 

„Unsere Forschung zeigt, dass die Regulation des Kaliumausstroms in Mikrogliazellen und die Erhaltung der neuronalen Funktion vielversprechende Ansätze zur Behandlung der kognitiven Beeinträchtigungen darstellen könnten. Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse dazu beitragen, diese Mechanismen weiter zu entschlüsseln und gezielte Therapien für die kognitive Beeinträchtigung bei chronische Nierenerkrankung zu entwickeln. Eine andere Vision von uns ist es, neuartige Biomarker zu erforschen, die frühzeitig eine Entwicklung einer Kognitionsverschlechterung anzeigen können“, sagt Dr. Dr. Zimmermann, Clinician Scientist am Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik. Gemeinsam mit Institutsdirektor Isermann leitete sie das Grundlagenforschungsprojekt.

Originalpublikation in „Kidney International“:
Chronic kidney disease leads to microglial potassium efflux and inflammasome activation in the brain. http://dx.doi.org/10.1016/j.kint.2024.06.028