Kohortenstudie: Atemwegserkrankungen in der frühen Kindheit stehen mit erhöhtem Mortalitätsrisiko im Erwachsenenalter in Zusammenhang8. März 2023 Abbildung: © iDoPixBox/stock.adobe.com Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass Infektionen der unteren Atemwege in früher Kindheit mit einem erhöhten Risiko dafür verbunden sind, als Erwachsener an einer Atemwegserkrankung zu versterben. In einer Studie, die von Forschern des Imperial College London (Großbritannien) geleitet und in „The Lancet“ veröffentlicht wurde, haben die Autoren herausgefunden, dass Personen, die im Alter von zwei Jahren an einer Infektion der unteren Atemwege (LRTI) wie Bronchitis oder Pneumonie gelitten hatten, später im Erwachsenenalter fast doppelt so häufig vorzeitig an einer Atemwegserkrankung verstarben. Die Untersuchungsergebnisse belegen, dass die Rate für frühzeitigen Tod durch Atemwegserkrankungen bei denjenigen, die in früher Kindheit an einer LRTI gelitten hatten, bei etwa zwei Prozent lag – verglichen mit nur etwa einem Prozent bei Personen ohne LRTI in der Kindheit. Die Ergebnisse blieben nach Anpassung um sozioökonomische Faktoren und den Raucherstatus bestehen. Die Forschenden schätzen, dass im Jahr 2017 rund 3,9 Millionen Todesfälle oder sieben Prozent aller Todesfälle weltweit durch chronische Atemwegserkrankungen verursacht wurden. Die meisten dieser Todesfälle wurden durch die Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) verursacht. In älteren Arbeiten hatten Wissenschaftler LRTI bei Säuglingen mit der Entwicklung von Lungenfunktionsstörungen, Asthma und COPD bei Erwachsenen in Verbindung gebracht. Allerdings blieb dabei unklar, ob es auch einen Zusammenhang mit vorzeitigem Tod im Erwachsenenalter gibt. Die nun veröffentlichte Studie umfasst einen Zeitraum von mehr als 73 Jahren und liefert nach Ansicht der Verantwortlichen den bisher besten Beweis dafür, dass die Atemwegsgesundheit zu einem frühen Zeitpunkt im Leben Einfluss auf die Sterblichkeit im späteren Leben hat. Rauchen ist nicht zwingend der Hauptfaktor für Tod aufgrund Atemwegserkrankungen bei Erwachsenen Die Ergebnisse, so formuliert das Imperial College London in einer Mitteilung zu der Studie, stellten die Auffassung infrage, dass Todesfälle unter Erwachsenen aufgrund von Atemwegserkrankungen nur durch schädliche Verhaltensweise wie Rauchen in diesem Lebensabschnitt bestimmt werden. Laut den Forschenden unterstreicht dies, dass es schon deshalb nötig ist, Atemwegsinfektionen bei Kindern zu verhindern, indem Maßnahmen wie Impfungen, Verbesserung der Lebensbedingungen sowie eine bessere Diagnostik und Therapie von zugrunde liegenden Erkrankungen gestärkt und optimiert werden. Dr. James Allinson, Hauptautor der Studie vom National Heart & Lung Institute am Imperial College London, erklärt: „Aktuelle Präventionsmaßnahmen in Bezug auf Atemwegserkrankungen bei Erwachsenen konzentrieren sich hauptsächlich auf Risikofaktoren des Lebensstils bei Erwachsenen wie das Rauchen. Dass jeder fünfte Todesfall aufgrund einer Atemwegserkrankung unter Erwachsenen viele Jahrzehnte zuvor in der Kindheit mit häufigen Infektionen in Verbindung gebracht wird, zeigt, dass es notwendig ist, das Risiko weit vor dem Erwachsenenalter anzugehen. „Um die Aufrechterhaltung bestehender gesundheitlicher Ungleichheiten bei Erwachsenen zu verhindern, müssen wir die Gesundheit von Kindern verbessern – nicht zuletzt durch die Bekämpfung von Kinderarmut. Evidenz, die auf die frühen Ursachen chronischer Erkrankungen bei Erwachsenen hindeuten, tragen auch dazu bei, das Stigma zu hinterfragen, dass alle Todesfälle durch Krankheiten wie COPD mit Faktoren des Lebensstils zusammenhängen.“ „Die Ergebnisse unserer Studie deuten darauf hin, dass die Bemühungen zur Reduzierung von Atemwegsinfektionen bei Kindern einen Einfluss auf die Bekämpfung der vorzeitigen Sterblichkeit durch Atemwegserkrankungen im späteren Leben haben könnten“, ergänzt Prof. Rebecca Hardy, Mitautorin der Studie vom University College London und der Loughborough University (ebenfalls Großbritannien). „Wir hoffen, dass diese Studie dazu beitragen wird, internationale Gesundheitsorganisationen bei Strategien zur Bewältigung dieses Problems zu unterstützen.“ Auswertung von Daten aus einer 1946 gestarteten Kohorte Für ihre Studie verwendeten die Wissenschaftler Daten aus der landesweiten britischen Kohortenstudie National Survey of Health and Development (NSHD). Dafür hatte man Personen bei deren Geburt im Jahr 1946 rekrutiert. Bis zum Jahr 2019 wurden in der Folge Gesundheitsdaten und Informationen zu Todesfällen von 3589 Personen untersucht. Von den 3589 in die Studie eingeschlossenen Personen hatten 913 vor dem zweiten Lebensjahr eine LRTI entwickelt. Prof. Nish Chaturvedi vom University College London, Co-Autor der aktuellen Veröffentlichung und Leiter der NSHD-Studie, sagt: „Diese Studie unterstreicht die Bedeutung von Untersuchungen über die gesamte Lebensspanne hinweg. Als die am längsten laufende landesweit repräsentative Kohortenstudie Großbritanniens – die NSHD des Medical Research Council, 1946 British Birth Cohort – ist in einzigartiger Weise dazu geeignet, frühkindliche Faktoren zu untersuchen, die zu einer vorzeitigen Sterblichkeit durch Atemwegserkrankungen im späteren Leben führen können.“ Da die Ergebnisse in der Kindheit liegende Ursprünge gesundheitlicher Ungleichheiten bei Erwachsenen zeigen, die in den 1940er-Jahren geboren wurden, könnten Verbesserungen der Gesundheit und Gesundheitsversorgung von Kindern seit dieser Zeit zu besseren Ergebnissen unter Kinder geführt haben, die heute geboren werden. Belege für die möglicherweise lebenslangen Folgen einer schlechten Gesundheit bei Kindern unterstreichen laut den Wissenschaftler jedoch, dass es nötig ist, die Vorbeugung von LRTIs bei Kindern weiter zu verfolgen. Die Forschenden verwendeten ein statistisches Modell, um den Zusammenhang zwischen einer Atemwegsinfektion in der frühen Kindheit und einem vorzeitigen Tod durch Atemwegserkrankungen im Erwachsenenalter abzuschätzen. Dabei berücksichtigten sie verschiedene Faktoren, die das Risiko beeinflussen können. LRTI im Kindesalter erhöht Mortalitätsrisiko im Zusammenhang mit Atemwegserkrankungen im Erwachsenenalter um 93 Prozent Eine um den sozioökonomischen Hintergrund in der Kindheit und den Raucherstatus der Studienteilnehmer angepasste Analyse ergab, dass Kinder, die im Alter von zwei Jahren an einer LRTI erkrankten, als Erwachsene mit einer um 93 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit vorzeitig an einer Atemwegserkrankung verstarben als Personen, die im Alter von zwei Jahren nicht an einer LRTI gelitten hatten. Dies entspricht einer Rate von 2,1 Prozent für vorzeitigen Tod aufgrund einer Atemwegserkrankung bei Erwachsenen in der Gruppe denjenigen, die in der frühen Kindheit an einer LRTI erkrankten, verglichen mit 1,1 Prozent der Personen, für die keine LRTI vor dem zweiten Lebensjahr dokumentiert war. Dieses erhöhte Risiko sei möglicherweise für 179.188 vorzeitige Todesfälle in England und Wales zwischen 1972 und 2019 oder einen von fünf Todesfällen durch Atemwegserkrankungen verantwortlich, schreiben die Studienautoren. Im Vergleich dazu seien drei von fünf Todesfällen aufgrund von Atemwegserkrankungen oder 507.223 zusätzliche Todesfälle in England und Wales im gleichen Zeitraum auf mit dem Rauchen verbundene Todesfälle bei Erwachsenen zurückzuführen. Die Forschenden stellen fest, dass es trotz der vorgenommenen Adjustierungen bei der Datenanalyse möglicherweise andere Risikofaktoren gegeben hat, die nicht angegeben wurden, beispielsweise Tabakkonsum der Eltern und eine Frühgeburt. Die Wissenschaftler räumen außerdem ein, dass ein gesellschaftlicher Wandel während der eine ganze Lebensspanne umfassenden Studie möglicherweise zu Veränderungen der Lungenfunktion nachfolgender Kohorten und veränderten Outcomes geführt haben. Als Erwachsenenalter galt in dieser Studie ein Alter zwischen 26 und 73 Jahren. Der Tod vor dem 73. Lebensjahr wurde als vorzeitig betrachtet. Die Daten zu Todesfällen durch chronische Atemwegserkrankungen im Jahr 2017 stammen aus einer Studie aus dem Jahr 2020.
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