Kolorektalkrebs: Chronischer Stress beschleunigt Progression, indem er zu Dysbiose im Darm führt

Die stressbedingte Progression von Kolorektalkrebs führen die Autoren einer neuen Studie auf eine Verringerung nützlicher Darmbakterien – vor allem solche der Gattung Lactobacillus, wie hier abgebildet – zurück, da dies die Immunantwort des Körpers gegen Krebs schwächt. (Abbildung: © Four888/stock.adobe.com; KI-generiert)

Von neuen Erkenntnissen zu den Auswirkungen von chronischem Stress auf das gesunde Gleichgewicht der Darmmikrobiota erhoffen sich Forschende neue Wege zur Prävention und Therapie von Kolorektalkrebs.

Durch die Beseitigung bestimmter Darmbakterien und die Induktion von Stress in einem Mausmodell konnten Wissenschaftler um Dr. Qing Li vom Department of Gastrointestinal Cancer and Liver Diseases am West China Hospital der Sichuan University of China den beschriebenen Zusammenhang feststellen. Wie Li anlässlich der diesjährigen UEG Week (4.-7. Oktober, Berlin) berichtete, war die Arbeitsgruppe auch in der Lage, eine bestimmte Bakterienart als potenzielles therapeutisches Ziel zu identifizieren. „In unserer Studie verwendeten wir einen Antibiotika-Cocktail (Vancomycin, Ampicillin, Neomycin und Metronidazol), um Darmmikroben zu eliminieren, gefolgt von einem Transfer fäkalen Mikrobioms“, erklärte die Forscherin das Vorgehen in der Studie. Ziel war es zu untersuchen, ob die Darmmikrobiota eine entscheidende Rolle dabei spielt, dass chronischer Stress die Progression von Kolorektalkrebs beschleunigt.

Stress reduziert insbesondere Bakterien der Gattung Lactobacillus

Die Ergebnisse zeigten, dass chronischer Stress nicht nur das Tumorwachstum steigerte, sondern auch nützliche Darmbakterien reduzierte, insbesondere die Gattung Lactobacillus, die für eine gesunde Immunantwort gegen Krebs unerlässlich sind. Li beschrieb: „Die stressbedingte Progression von Kolorektalkrebs kann auf eine Verringerung nützlicher Darmbakterien zurückgeführt werden, da dies die Immunantwort des Körpers gegen Krebs schwächt. Lactobacillus, der empfindlich auf Vancomycin und Ampicillin reagiert, wurde sowohl in der Kontroll- als auch in der Stressgruppe durch einen Antibiotika-Cocktail dezimiert. Diese Depletion unterstreicht seine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung der Darmgesundheit und seinen potenziellen Zusammenhang mit einer Progression von Darmkrebs unter chronischem Stress.“

Um weiter zu erforschen, wie Lactobacillus die CD8+ T-Zellwerte und die Progression von Kolorektalkrebs beeinflusst, gaben die Forscher Mäusen, die unter chronischem Stress gesetzt wurden, Lactobacillus als Nahrungsergänzungsmittel. In diesem Setting beobachteten die Forschenden eine verringerte Tumorbildung. Li erklärte: „Durch eine Stuhlanalyse fanden wir heraus, dass Lactobacillus plantarum speziell den Gallensäurestoffwechsel reguliert und die Funktion von CD8+ T-Zellen verbessert. Dies zeigt, wie Lactobacillus die Anti-Tumor-Immunität verbessern kann.“

Die Studie führte auch zu unerwarteten Erkenntnissen: „Anfangs dachten wir, dass L. plantarum die Anti-Tumor-Immunfunktion von CD8+ T-Zellen durch die Einleitung der Metabolitenproduktion verbessern könnte, wie frühere Erkenntnisse nahelegen“, erläuterte Li. „Unsere In-vitro-Tests ergaben jedoch, dass das konditionierte Medium von L. plantarum CD8+ T-Zellen nicht signifikant zur Produktion solcher Schlüsselmetaboliten stimulierte. Dies deutet darauf hin, dass L. plantarum möglicherweise Substanzen im Darm benötigt, um die Antitumorwirkung von CD8+ T-Zellen zu verstärken.“

Antitumormedikamente mit einer L.-plantarum-Ergänzung kombinieren

Das Potenzial von Therapien auf Lactobacillus-Basis bei der Behandlung von Patienten, insbesondere von Patienten mit chronischem Stress, bezeichnen die Forschenden als vielversprechend. „Die Kombination traditioneller Antitumormedikamente mit einer L.-plantarum-Ergänzung könnte eine praktikable Therapiestrategie für Patienten mit stressbedingtem Kolorektalkrebs sein“, so Lis Einschätzung. Für die Zukunft plant die Arbeitsgruppe, Stuhl- und Tumorproben von Kolorektalkrebspatienten zu sammeln, um Veränderungen der Darmmikrobiota bei Personen mit und ohne chronischem Stress zu analysieren. „Unser Ziel ist es, zu überprüfen, ob L. plantarum bei gestressten CRC-Patienten signifikant reduziert ist, und seine Beziehung zu Antitumor-Immunzellen zu untersuchen“, teilte Li mit.

Die nun anlässlich der UEG Week präsentierte Studie beleuchtet die komplexe Beziehung zwischen Stress, Darmmikrobiota und Darmkrebs und legt nahe, dass Strategien zur Wiederherstellung der Darmgesundheit eine entscheidende Rolle bei der Krebsbehandlung spielen könnten, insbesondere bei Patienten mit chronischem Stress. „Die Wiederherstellung nützlicher Bakterien im Darm, wie beispielsweise Lactobacillus, könnte die natürlichen Abwehrkräfte des Körpers gegen Darmkrebs stärken“, schloss Li.