Kombination zweier Blutmarker verbessert Diagnosegenauigkeit bei ALS

UKB-Forschungsteam um Dr. Patrick Weydt, Paula Lindenborn und Dr. Sarah Bernsen entdeckt: Kombination aus zwei Blutmarkern erhöht Diagnosegenauigkeit bei ALS. (Bild: ©Alessandro Winkler/UKB)

Eine Studie des Universitätsklinikums Bonn und des Alfried Krupp Krankenhauses Essen zeigt, dass die Kombination zweier Blutmarker die Diagnose der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) deutlich verbessern kann. Die Ergebnisse liefern neue Hinweise für eine präzisere Diagnostik und Verlaufseinschätzung.

Die Diagnose der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) bleibt trotz moderner Bildgebung und genetischer Tests eine Herausforderung – insbesondere bei der Abgrenzung zu klinisch ähnlichen neurodegenerativen Erkrankungen. Eine neue Studie des Universitätsklinikums Bonn (UKB) in Kooperation mit dem Alfried Krupp Krankenhaus Essen zeigt, dass die Kombination zweier Blut-Biomarker – Neurofilament-Leichtketten (sNfL) und kardiales Troponin T (cTnT) – die diagnostische Genauigkeit bei ALS signifikant erhöht. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Annals of Neurology“ veröffentlicht.

Obwohl sNfL bereits als etablierter Marker für neuroaxonale Schädigung gilt, ist es nicht spezifisch für ALS. Der klassische Herzmarker cTnT hingegen zeigt bei ALS-Patienten aufgrund muskelspezifischer Veränderungen ebenfalls erhöhte Werte – jedoch ohne Herzpathologie. In der vorliegenden Studie wurde der diagnostische Wert beider Marker sowohl einzeln als auch in Kombination untersucht.

ALS-spezifischer Grenzwert für cTnT identifiziert

Insgesamt wurden retrospektiv Daten von 293 ALS-Patienten mit 85 Patienten mit anderen neurodegenerativen Erkrankungen sowie 29 gesunden Kontrollpersonen verglichen. Zusätzlich validierte eine unabhängige Kohorte von 501 ALS-Patienten die Ergebnisse.

Die Auswertung mittels ROC-Kurvenanalyse ergab, dass die kombinierte Biomarkerstrategie die Trennschärfe gegenüber anderen Erkrankungen deutlich verbessert. Ein weiterer Befund der Studie ist die Festlegung eines ALS-spezifischen Schwellenwertes für cTnT bei 8,35 ng/l. Dieser liegt deutlich unter dem etablierten kardiologischen Grenzwert (14 ng/l). Mit diesem angepassten Cut-off konnte die Sensitivität der ALS-Diagnostik weiter gesteigert und zusätzliche Betroffene korrekt identifiziert werden.

Prognostischer Mehrwert

Die Studie zeigt zudem, dass ALS-Patienten mit unauffälligen Biomarkerwerten („Biomarker-negativ“) deutlich langsamere Krankheitsverläufe aufweisen als „Biomarker-positive“ Patienten. Bei den Studienteilnehmenden lag die mittlere Krankheitsdauer der Biomarker-negativen Gruppe bei 73 Monaten gegenüber 18 Monaten in der Biomarker-positiven Gruppe. Auch die Krankheitsprogression verlief signifikant langsamer.

„Unsere Ergebnisse belegen, dass die Kombination von sNfL und cTnT die diagnostische Genauigkeit bei ALS erhöht und darüber hinaus wertvolle Hinweise auf den Krankheitsverlauf geben kann“, berichtet PD Dr. Patrick Weydt, Leiter Ambulanz für ALS und andere Motoneuronerkrankungen UKB. „Gerade im klinischen Alltag ist es entscheidend, ALS frühzeitig und zuverlässig von anderen neurologischen Erkrankungen abgrenzen zu können. Die Kombination aus sNfL und cTnT bietet hier einen echten diagnostischen Mehrwert – und das mit etablierten, routinetauglichen Labormethoden“, ergänzt Dr. Torsten Grehl, Zentrum für ALS und andere Motoneuronerkrankungen vom Alfried Krupp Krankenhaus Essen.

Die duale Markerstrategie könnte laut den Autoren künftig helfen, ALS früher und sicherer zu diagnostizieren – und Subgruppen mit unterschiedlicher Prognose zu identifizieren. Die Erkenntnisse würden somit neue Perspektiven für die personalisierte ALS-Diagnostik und –Therapieentwicklung bieten.