Kontinenz Gesellschaft fordert nationale Inkontinenzstrategie

Andreas Wiedemann, 1. Vorsitzender der Deutschen Kontinenz Gesellschaft. Foto: Uni WH

Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft hat auf ihrem 36. Kongress ein Positionspapier vorgestellt, mit dem sie sich erstmals direkt an die Politik wendet. Darin warnt die Gesellschaft vor einer Gefährdung der Inkontinenzversorgung in Deutschland.

Auf dem Kontinenz Kongress kamen vom 14.-15.11.2025 mehr als 1000 Fachärzte, Physiotherapeuten und Pflegefachpersonen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen, um interdisziplinär die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft zur Diagnose und Therapie von Inkontinenzerkrankungen und Erkrankungen des Beckenbodens zu diskutieren.

Nach Angaben der Deutschen Kontinenz Gesellschaft leiden in Deutschland rund 10 Millionen Menschen an Inkontinenz. Etwa die Hälfte davon ist von Stuhlinkontinenz betroffen, einer oft tabuisierten und unterschätzten Erkrankung. Eine Teilhabe am öffentlichen Leben sei unter diesen Umständen oft nicht mehr möglich. Bei einer frühzeitigen Behandlung bestünden jedoch hohe Heilungs- und Besserungschancen, betont die Gesellschaft. Bleibe die Behandlung aus, verschlechtere sich die Situation der Betroffenen kontinuierlich.

„Inkontinenz muss auf die gesundheitspolitische Agenda”

In dem Positionspapier mit dem Titel „Inkontinenz behandeln. Leiden lindern. Gesundheitswesen entlasten“ wird die zunehmend gefährdete Versorgungssituation für Menschen mit Harn- und Stuhlinkontinenz ausführlich thematisiert. Die Deutsche Kontinenzgesellschaft fordert eine nationale Inkontinenzstrategie, die unter anderem Maßnahmen umfasst wie die Anpassung der Vergütungsstruktur für die Behandlung von Inkontinenz, die Stärkung der Versorgungsforschung und eine qualitätsgesicherte Hilfsmittelversorgung.

„Inkontinenz muss endlich auf die gesundheitspolitische Agenda. Die Nichtbehandlung ist keine Einsparung – sie führt zu höheren Kosten im Gesundheits- und Pflegesystem. Wir brauchen gezielte Maßnahmen, um die Versorgung zu verbessern und die Lebensqualität der Betroffenen zu sichern“, betont Prof. Andreas Wiedemann, Vorsitzender der Deutschen Kontinenz Gesellschaft.

Verschleppte Therapie führt zu hohen Folgekosten

„Inkontinenz ist nicht nur ein individuelles Leid, sondern auch ein gesundheitsökonomisches Risiko, wenn wir es medizinisch unbehandelt lassen“, so der Chefarzt der Urologischen Klinik am Evangelischen Krankenhaus Witten. „Die mangelnde Versorgung führt zu Pflegebedürftigkeit, sozialer Isolation und aufgrund von Folgeerkrankungen zu hohen Folgekosten für das Gesundheitssystem.“ Die Kontinenz Gesellschaft beziffert die gesamtwirtschaftliche Belastung durch unbehandelte Inkontinenz auf europaweit bei 69,1 Mrd. Euro im 2023. Ohne gesundheitspolitisches Eingreifen drohe ein Anstieg auf 86,7 Mrd. Euro bis 2030.

Das Problem sei, dass sich immer mehr Ärzte und Gesundheitseinrichtungen aus der Behandlung von Inkontinenzerkrankungen zurückzögen. Für diese sei die Behandlung unwirtschaftlich, da die Inkontinenzerkrankung in der Finanzierungsstruktur des Gesundheitswesens ungenügend abgebildet werde. Für die Urodynamik etwa, eine komplexe, einstündige Untersuchung unter Einsatz eines Facharztes und einer Pflegekraft, decke die in den Vergütungskatalogen festgelegte Vergütung die entstehenden Kosten nicht. Die Untersuchung ist aber nach Auffassung der Deutschen Kontinenzgesellschaft notwendig, um die Art der Inkontinenz zu bestimmen und den Befunden entsprechend die richtige Therapie auszuwählen.

(ms/BIERMANN)