Kopf-Hals-Tumore: Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren setzt sich durch21. Mai 2019 Immuncheckpoint-Inhibitor, der auf das PD1-Protein abzielt. Abbildung: © molekuul.be/Adobe Stock Kopf-Hals-Krebs kann erfolgreich mit Medikamenten behandelt werden, die die körpereigene Immunabwehr gegen die Tumoren verstärken. Nachdem im letzten Jahr in einer Vergleichsstudie gleich gute Ergebnisse wie mit einer aggressiven Chemotherapie erzielt wurden, wird der Einsatz derzeit der Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren in der ADRISK-Studie geprüft. In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 17.000 Menschen an Krebserkrankungen in Mundhöhle, Rachen, Nase oder Kehlkopf. Die Tumoren sind oftmals Folge eines langjährigen Alkohol- oder Zigarettenkonsums. Immer häufiger werden sie auch durch chronische Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV) ausgelöst. Viele Tumoren werden (zu) spät entdeckt, um sie durch eine Operation allein zu heilen: „Aufgrund ihrer Ausdehnung beziehungsweise ihrer Nähe zu lebenswichtigen Strukturen können sie oft nur durch umfangreiche Operationen in Kombination mit einer Strahlentherapie entfernt werden,“ erläutert Prof. Andreas Dietz, Direktor der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Leipzig im Vorfeld der 90. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNO-KHC) vom 29. Mai bis 1. Juni 2019 in Berlin. Viele Patienten erhalten deshalb nach der OP eine Strahlen- und/oder eine Chemotherapie mit Zytostatika, oder, wenn nicht mehr sinnvoll operiert werden kann, eine sogenannte primäre Radiochemotherapie. Kommt der Tumor im weiteren Verlauf wieder, werden die Ärzte immer versuchen, ihn operativ zu entfernen. Oft muss man aber aufgrund von Fernmetastasen einsehen, dass nur noch lebensverlängernde, palliative Maßnahmen eingesetzt werden können. Bislang kam in diesem Fall eine Chemotherapie zur Anwendung. Inzwischen kommen nun zunehmend Checkpoint-Inhibitoren als Immuntherapie zum Einsatz. Im Gegensatz zu den Zytostatika greifen diese monoklonalen Antikörper, die Krebszellen nicht direkt an. Sie zielen vielmehr auf eine Schaltstelle (Checkpoint) des Immunsystems: das PD1-Protein. Es befindet sich auf der Oberfläche von T-Zellen, die die wichtigsten Angreifer des Immunsystems gegen Krebszellen sind. Das PD1-Protein wirkt wie eine Bremse. Es soll übereifrige T-Zellen davon abhalten, körpereigene Zellen anzugreifen. Viele Krebszellen nutzen diese Möglichkeit. Sie binden mit einem Liganden (PD-L1) das PD1-Protein und schützen sich dadurch vor einem Angriff durch die T-Zelle. „Die Krebszellen weichen der Immunabwehr also aus, indem sie den Immunzellen eine Art molekulares Stoppschild entgegenhalten“, erläutert Dietz. „Treten diese Stopp-Signale in Kontakt mit passenden Rezeptoren auf der Oberfläche der Immunzellen, werden diese deaktiviert – die Immunabwehr kommt zum Erliegen. Spezifische Antikörper gegen die tumoreigenen Stopp-Signale – Checkpoint-Inhibitoren – können diese Blockade durchbrechen und die T-Zellen von dieser Fessel befreien, indem sie entweder PD-1 oder PD-L1 blockieren. Die Tumoren werden dann zum Abschuss durch die T-Zellen freigegeben.“ Checkpoint-Inhibitoren wurden zunächst zur Behandlung des schwarzen Hautkrebses und bei Nierenkrebs eingesetzt. „Demnächst werden sie zu einem festen Bestandteil der Therapie von Kopf-Hals-Tumoren werden“, ist Professor Dietz überzeugt. Der Durchbruch wurde laut dem Experten 2016 mit der Studie CHECKMATE 141 (Nivolumab) in der Zweitlinien- und 2018 mit der Studie KEYNOTE-048 (Pembrolizumab) in der Erstlinientherapie erzielt, deren Ergebnisse im Oktober letzten Jahres auf dem Europäischen Krebskongress (ESMO 2018) in München vorgestellt wurden. An der Studie hatten Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren teilgenommen, bei denen es bereits zu Metastasen gekommen war oder die nach einer Behandlung einen Rückfall erlitten hatten. Ein Teil der Patienten erhielt die derzeitige Standardbehandlung. Sie besteht aus einer aggressiven Chemotherapie mit drei Zytostatika („EXTREME-Schema“) plus einem Antikörper gegen das Krebswachstum. Eine zweite Gruppe wurde nur mit dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab behandelt. „Im Vorfeld bestanden starke Zweifel, ob eine Monotherapie mit einem PD-1-Inhibitor tatsächlich die sehr potente, aber auch toxische Dreierkombination des EXTREME-Schemas schlagen könnte“, berichtet Dietz. Die Ergebnisse hätten dann die Erwartungen jedoch übertroffen. Zwar sprachen mehr Patienten auf die Chemotherapie als auf Pembrolizumab (36,1 versus 23,3 Prozent) an. Die Wirkung von Pembrolizumab hielt mit 20,0 Monaten gegenüber 4,5 Monaten aber mehr als fünf Mal so lange an. Hinzu kam, dass den Patienten die schweren Nebenwirkungen der Chemotherapie erspart blieben. Die Studie wird nach Einschätzung von Dietz dazu führen, dass in Zukunft vermehrt Patienten vor beziehungsweise in Kombination mit einer Chemotherapie eine Behandlung mit einem Checkpoint-Inhibitor angeboten werde. Derzeit würden in zahlreichen klinischen Studien die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten der Checkpoint-Inhibitoren insbesondere in Kombination mit einer operativen Therapie geprüft. Dazu gehört auch die von Dietz geleitete ADRISK-Studie, die derzeit an 13 HNO-Kliniken in Deutschland prüft, ob der Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab die Behandlungsergebnisse verbessert, wenn er nach der Krebsoperation zusammen mit einer Strahlen- und Chemotherapie eingesetzt wird. An der Studie sollen 240 Patienten teilnehmen. Ergebnisse werden für den August 2022 erwartet. Literatur: Barbara Burtness et al., Keynote-048 presented at ESMO 2018 Postoperative Adjuvant Radiochemotherapy (aRCH) With Cisplatin (C) Versus aRCH With C and Pembrolizumab (P) in Locally Advanced Head and Neck Squamous Cell Carcinoma (HNSCC); Multicenter Randomized Phase II Study Within the German Interdisciplinary Study Group of German Cancer Society (IAG KHT); Pembro-Adjuvant-highRisk
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