Krankenhausreform als Chance für die Endoprothetik nutzen6. Dezember 2023 Holger Haas (l.) und Georgi Wassilew (Bild: Sreenshot Pressekonferenz, 5.12.2023) Die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik (AE) hat sich im Vorfeld ihres 25. AE-Kongresses für verpflichtende Qualitätsstandards in der Endoprothetik ausgesprochen und fordert dazu auf, diese im Rahmen der Krankenhausstrukturreform zu verankern. Der AE zufolge sollten OPs nur in spezialisierten EndoCert-zertifizierten Zentren stattfinden. Etwa 400.000 künstliche Hüft- und Kniegelenke setzen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland jedes Jahr ein. Schon jetzt können Patientinnen und Patienten von Standzeiten über 15 Jahren ausgehen, oftmals auch deutlich länger. Doch bei einem niedrigen Prozentsatz der Behandelten muss das Implantat vorzeitig gewechselt werden. Die Gründe sind etwa Auskugelung des Gelenks, Infektionen, Lockerungen und Schmerzen. „Dies belastet die Patientinnen und Patienten sehr, geht es doch mit weiteren Krankenhausaufenthalten, längeren Fehlzeiten im Beruf und einem erhöhten Risiko für Folgeeingriffe einher“, sagte Dr. Holger Haas, Chefarzt Zentrum Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin am Gemeinschaftskrankenhaus Bonn auf einer Online-Pressekonferenz. Zudem entstünden weitere Kosten, die das Gesundheitssystem belasten. Nicht alle Patienten gehen ideal gesund und fit in die Operation Oft liegen dem frühzeitigen Implantatversagen bekannte medizinische oder strukturelle Risiken zugrunde, betont die AE. Was die medizinische Seite angehe, zeigten etwa Studien klar, dass bestimmte Patientengruppen von vornherein ein höheres Risiko im Zusammenhang mit der Operation haben, etwa durch fortgeschrittenes Alter und Gebrechlichkeit, männliches Geschlecht, Adipositas, Voroperationen und Begleiterkrankungen wie Diabetes. „Die Versorgung muss deshalb auch auf diejenigen ausgerichtet sein, die nicht ideal gesund und fit in den Eingriff gehen“, betonte Haas. Untersuchungen belegten, dass etwa alte gebrechliche Menschen deutlich von einer geriatrisch orientierten Mitbetreuung profitieren. „Deshalb sollte diese Kompetenz in jeder operierenden Einrichtung verfügbar sein – was heute nicht immer der Fall ist.“ Risiken durch hohe Operations- und Strukturqualität minimieren In zahlreichen Veröffentlichungen ist der AE zufolge zudem auf unterschiedlichen Gebieten der Medizin nachgewiesen worden, dass ein Zusammenhang zwischen der Versorgungsqualität und der Anzahl durchgeführter Operationen besteht. „Um vermeidbare Risiken zu minimieren, ist es deshalb notwendig, laufend den neuesten Stand der Wissenschaft zu Medizin und Strukturen in die Klinikabläufe zu integrieren“, erklärte Prof. Georgi Wassilew, AE-Generalsekretär und Direktor der Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie am Universitätsklinikum Greifswald. Und last but not least: „Zentral ist das Zusammenspiel aller am Prozess beteiligten Berufsgruppen und Personen, sowie die Vorhaltung der über das absolut notwendige Maß herausgehenden technischen Ausstattungen“, ergänzte Haas. Laufend die neuesten Erkenntnisse zum Patientenwohl in die Abläufe integrieren Der Fachgesellschaft zufolge gewährt all dies das Prüfsiegel EndoCert für Kliniken, die Hüft- und Knieprothesen implantieren und wechseln. Angesichts der herausragenden Bedeutung dieses Bereichs hat die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) unter Mitarbeit unter anderem der AE bereits vor elf Jahren die EndoCert-lnitiative ins Leben gerufen. Sie basiert auf einem wissenschaftlich fundierten Anforderungskatalog zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Dieser stellt sicher, dass immer die neuesten Erkenntnisse zum Patientenwohl integriert sind, so die AE. Zusätzlich ist die Teilnahme am Endoprothesenregister Deutschland (EPRD), das ebenfalls seit elf Jahren in Betrieb ist, verpflichtend, so die Fachgesellschaft weiter. „In den vergangenen Jahren wurden im Register 2,6 Millionen Datensätze erfasst. Circa eine Million Ersteingriffe und über 100.000 Wechseleingriffe befinden sich derzeit in der Überwachung“, erklärte Haas. Es ist der AE zufolge das zweitgrößte Register in Europa und das drittgrößte Register weltweit, aus dessen Daten wichtige Erkenntnisse in der Endoprothetik gewonnen wurden, beispielsweise dass die endoprothetische Versorgung bei alten Patienten nur mit zementierten Schäften erfolgen sollte. Lernende Systeme und qualifiziertes Feedback bei jährlichem Audit „Es geht uns bei EndoCert um gelebte Qualität in der Endoprothetik, nicht um ein Einmalzertifikat“, betonte Haas, der auch Vorsitzender der Zertifizierungskommission EndoCert ist. Dies bedeute jährliche Audits zum Erhalt des Zertifikats. „Bei diesen prüfen vor Ort ausgebildete Fachexperten, die selbst operativ im Bereich der Endoprothetik tätig sind, die Einhaltung der Anforderungen. Im Rahmen des bisherigen Betriebs wurden so in über 3500 Audits circa 3600 Abweichungen von den Vorgaben festgestellt und behoben, da andernfalls eine Zertifizierung nicht erteilt worden wäre“, berichtete Haas. Zusätzlich seien über 34.000 Hinweise an die Kliniken ausgesprochen worden, die zur Verbesserung und Optimierung der Versorgung genutzt werden konnten. Das qualifizierte Feedback der Prüfenden begleite und unterstütze die laufende Weiterentwickelung. Dies verlange allen Beteiligten viel Arbeit und Energie ab und verursache zusätzliche Kosten, war sich Haas bewusst – aber der Aufwand lohne sich. Der Fachgesellschaft zufolge nehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz insgesamt über 500 Kliniken am Zertifizierungsverfahren teil. EndoCert-Prüfsiegel gibt Sicherheit gelebter Prozesse Derzeit sind nach Angaben er Fachgesellschaft 44 Prozent der Endoprothesen-Kliniken in Deutschland nach EndoCert zertifiziert, knapp 500 Einrichtungen. „Dies bedeutet deshalb nicht notwendigerweise, dass die nichtzertifizierten schlechtere Arbeit machen“, sagte Wassilew, „aber die Sicherheit gelebter Prozesse auf dem neuesten Stand haben Patientinnen und Patienten nur bei dem EndoCert-Siegel“. „Wir setzen uns deshalb für die verpflichtende Einführung dieser Zertifizierung im Rahmen der Krankenhausstrukturreform ein“, so Haas und Wassilew weiter. (hr)
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