„Krankenhausreform lässt Millionen Schmerzpatienten im Stich“12. September 2025 Foto: MQ-Illustrations/stock.adobe.com „Wir brauchen jetzt eine Leistungsgruppe Schmerzmedizin“, fordern Schmerzmediziner. Denn das Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) sieht die Leistungsgruppe nicht vor – mit gravierenden Folgen für die schmerzmedizinische Versorgung. „Die Krankenhausreform lässt Millionen Schmerzpatienten im Stich“, konstatierte Thomas Isenberg, Geschäftsführer der Deutschen Schmerzgesellschaft, im Rahmen einer Online-Pressekonferenz. Mit Blick auf die Krankenhausreform und das geplante Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) fordern die Schmerzmediziner eine planbare und sichere Perspektive für die schmerzmedizinische Versorgung, insbesondere für die interdisziplinäre, multimodale, Schmerztherapie (IMST). Rechtliche und finanzielle Grundlagen fehlen „Wir brauchen jetzt eine eigene Leistungsgruppe spezielle Schmerztherapie.“ Mit diesem Appell wandte sich der Präsident der Schmerzgesellschaft, Prof. Frank Petzke, an die Politik. Denn diese ist im Referentenentwurf zum KHAG bislang nicht vorgesehen. Damit fehlten die rechtlichen und finanziellen Grundlagen für eine interdisziplinäre Behandlung betroffener Patienten. Und das sind laut Schmerzgesellschaft nicht wenige. Rund 23 Millionen Menschen leiden in Deutschland an chronischen Schmerzen, vier Millionen sind besonders schwer betroffen und verlieren deutlich an Lebensqualität. Mit der IMST stehe eine wirksame Therapieoption zur Verfügung, so die Schmerzgesellschaft. Noch werde sie an 370 Kliniken angeboten, allerdings müssten Betroffene schon heute oft monatelang auf einen Platz warten. Laut Schmerzgesellschaft wird sich diese Situation ohne Leistungsgruppe für die spezielle Schmerztherapie weiter verschärfen, denn ohne klare gesetzliche Absicherung fielen diese Angebote zunehmend weg. Schmerzmediziner befürchten eine noch stärkere Unterversorgung, wenn weitere Einrichtungen schließen. Schmerztherapie fachfremden Leistungsgruppen zugeordnet Statt einer Leistungsgruppe „Spezielle Schmerztherapie“ sind Behandlungsfälle spezialisierter Schmerzstationen künftig fachfremden Leistungsgruppen wie „Allgemeine Innere Medizin“ oder „Allgemeine Chirurgie“ zugeordnet. Das Problem dabei: Diese Gruppen haben andere qualitative Mindestanforderungen – zum Beispiel in Personal- oder Geräteausstattung – die mit schmerzmedizinischen Strukturen wenig zu tun haben. Die Folge: Schmerztherapeutische Einrichtungen können die für sie unpassenden Auflagen nicht erfüllen und verlieren ihre Abrechnungsgrundlage. Die Deutsche Schmerzgesellschaft befürchtet Dominoeffekte, wenn keine eigene Leistungsgruppe für die spezielle Schmerzmedizin eingeführt werde. Wenn Einrichtungen schließen, bleiben Patienten mit chronifizierten Schmerzen dauerhaft unterversorgt. Und weder der ambulante Sektor noch psychosomatische Kliniken könnten diese Versorgungslücke schließen, wie die Experten auf der Presseveranstaltung ausführten. Ambulanter Bereich kann Versorgungslücke nicht schließen „Hoch chronifizierte Patienten können wir im ambulanten Bereich nicht auffangen“, betonte Dr. Markus Schneider, Präsident der Interdisziplinären Gesellschaft für Orthopädische Schmerzmedizin (IGOST). Er verwies auf die angespannte Versorgungslage: Schon jetzt sei keine adäquate Versorgung möglich. So kämen 5800 Patienten auf einen Schmerztherapeuten, der aber nur 300 bis 400 Patienten pro Quartal behandeln könne – und dürfe. Zudem erfolge die Behandlung sequenziell und monomodal, das sei ein grundlegend anderer Ansatz als 100 Stunden IMST in einer Klinik. Für die Wirksamkeit der multimodalen Versorgung bei Patienten mit chronifizierten Schmerzen gebe es eine gute Evidenz, so Schneider. Für ihn steht fest: „Wir brauchen als ambulante Schmerzmediziner diese stationäre Anbindung.“ Auch Dr. Jan Holger Holtschmit, Präsident der Arbeitsgemeinschaft nicht operativer orthopädischer und manualmedizinischer Akutkliniken (ANOA), ist sich sicher, dass der ambulante Bereich die Schließung stationärer Einrichtungen nicht auffangen kann. Die hochspezialisierte Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams lasse sich im ambulanten Setting nicht realisieren. Er hob hervor, dass die multimodale Therapie Chronifizierung vorbeugen und Operationen verhindern könne, was zur Kostenreduktion beitrage. Folgen für die Rehabilitation von Schmerzpatienten Der ANOA-Präsident weist auch darauf hin, dass psychosomatische Kliniken keine Alternative sind. Diese seien „schon jetzt überlaufen“. Außerdem litten mehr als die Hälfte der Patienten mit Chronifizierung an Schmerzen am Bewegungsapparat. Hier brauche es entsprechende Diagnostik, Physiotherapie und mitunter auch minimalinvasive Eingriffe unter OP-Bedingungen – beispielsweise Injektionen an der Wirbelsäule. Darauf seien psychosomatische Kliniken nicht ausgelegt. Ein weiterer Aspekt betrifft die Rehabilitation, wie Dr. Jan Emmerich, Vorstandsmitglied des Berufsverbands für Physikalische und Rehabilitative Medizin, erläuterte: „Die Schwächung der Schmerzmedizin im Krankenhaus wäre ein schwerer Einschnitt für eine adäquate Rehabilitation und Teilhabe von Patienten mit schweren chronischen Schmerzerkrankungen.“ Er befürchtet, dass Patienten ohne ausreichende Rehabilitationsfähigkeit in die Rehabilitation kommen, mit einem dementsprechend nicht ausreichenden Ergebnis. „Zu warten ist keine Option mehr“ Alternativen zur Einführung einer eigenen Leistungsgruppe spezialisierte Schmerzmedizin gibt es für die Experten der Deutschen Schmerzgesellschaft nicht. Geplante Ausnahmereglungen für Fachkrankenhäuser auf schmerzmedizinische Einrichtungen nicht anwendbar. Die Schmerzgesellschaft weist auch ausdrücklich darauf hin, dass auch nicht auf die spätere Schaffung einer eigenen Leistungsgruppe im Rahmen einer Weiterentwicklung gewartet werden könne: Viele schmerztherapeutische Einrichtungen würden diese Weiterentwicklung „nicht mehr erleben“, aufgrund fehlender Abrechnungsmöglichkeiten. „Zu warten ist keine Option mehr“, ist sich auch Dr. Reinhard Thoma, Sprecher der ad-hoc-Kommission Krankenhausreform der Deutschen Schmerzgesellschaft, sicher. „Ohne klare politische Entscheidungen zur Schmerztherapie im Krankenhaus droht in immer kürzeren Abständen die Schließung spezialisierter Einrichtungen.“ Das hätte gravierende Folgen für die Versorgung, vor allem im ländlichen Raum. Thoma befürchtet: „Schmerztherapie wird bald zum Luxusgut.“ Schließlich mangele es schon heute an tagesklinischen und stationären IMST-Angeboten. (ja/BIERMANN)
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