Krebs im frühen Stadium: Mechanismus in vielen Geweben gleich

Magenzellen, die sich von einem reifen Stadium wieder zu einem Stammzell-artigen Stadium zurückentwickeln. (© Washington University School of Medicine)

Neueste Forschungsergebnisse von der Washington University School of Medicine in St. Louis zeigen, dass reife Zellen im Magen manchmal in ihrer Entwicklung einen Schritt zurückgehen und sich wieder wie sich schnell teilende Stammzellen verhalten.

Jetzt haben die Forscher auch festgestellt, dass dieser Prozess möglicherweise ein universeller sein könnte: In jedem Organ scheint Gewebe in Reaktion auf bestimmte Schädigungen mit einer “Verjüngung” reifer Zellen zu reagieren, die sich in der Folge rasch zu teilen beginnen. Unter diesen Umständen kann es dann zu einer Krebserkrankung kommen.

Ältere Zellen sind deshalb so gefährlich, weil sie, wenn sie sich wieder wie Stammzellen verhalten, all die krebsverursachenden Mutationen schon in sich tragen, die sich inzwischen in diesen Zellen angesammelt haben. Weil aber reife Zellen in Magen, Pankreas, Leber und Niere beim Beginn einer erneuten Teilung alle dieselben Gene aktivieren und denselben Prozess durchlaufen, könnten diese Erkenntnisse bedeuten, dass die Entstehung von Krebserkrankungen in den verschiedenen Organen viel ähnlicher abläuft, als die Wissenschaft es bisher vermutet hat. Das unterstützt die Vorstellung, dass man für eine Reihe unterschiedlicher Organe dieselben Strategien zur Behandlung oder Therapie von Krebserkrankungen nutzen kann. Berichtet wird über die neuen Erkenntnisse im “EMBO Journal”.

“Als wir den Kampf gegen den Krebs in den 1970er-Jahren begannen, glaubten Wissenschaftler, dass alle Krebserkrankungen sich ähnlich sind”, erklärt der Gastroenterologe Prof. Jason C. Mills. „Es stellte sich aber heraus, dass Krebserkrankungen sich von Organ zu Organ und von Person zu Person voneinander unterscheiden. Wenn aber, wie es die aktuelle Studie vermuten lässt, die Zellen in vielen verschiedenen Organen in ähnlicher Weise wieder zu einer Proliferation kommen, können wir uns Therapien vorstellen, die die Krebsentstehung auf eine allgemeinere Art und Weise behindern – unabhängig davon, wo im Körper der Krebs auftritt.“

Bei der Untersuchung von Magen-, Pankreas-, Nieren- und Leberzellen von Mäusen sowie von tumorösem und präkanzerösem Magen- und Pankreasgewebe von Menschen stellten die Forscher fest, dass reife Zellen sich in einen Stammzell-artigen Zustand zurückversetzen, wenn das entsprechende Gewebe durch Infektionen oder Trauma geschädigt wird. Dabei spielen immer dieselben Gene eine Rolle.

„Zuerst beobachteten wir einen massiven Anstieg in der Aktivität von Genen, die mit einer Zelldegradation in Zusammenhang stehen“, berichtet Prof. Spencer G. Willet, Erstautor der Studie. Die Information darüber veranlasse die Zelle schließlich, Nährstoffe auszuschütten und das Zellwachstum anzukurbeln.  

“Wenn man diese Reprogrammierung von Zellen mit dem Abriss eines Gebäudes und anschließendem Neubau an derselben Stelle vergleichen möchte: Der langsame Weg wäre, jeden Ziegelstein einzeln wegzunehmen und zu ersetzen”, sagt Mills. „Was wir hier beobachten aber ist, dass die Natur schlauer ist, als das Aufbauprogramm einfach rückwärts ablaufen zu lassen. Stattdessen läuft eine Art Abrissbirnen-Programm: Wenn sich eine alte Zelle erneut zu teilen beginnt, läuft ein Programm zur Entrümpelung und für einen Neubau. Und es ist dasselbe Programm in jedem der Gewebe, die wir analysiert haben.“