Krebsvorsorge bei obdach- und wohnungslosen Menschen: Status quo als Basis für Präventionsprogramm erforscht28. Juli 2023 Foto: ©Kara – stock.adobe.com Krebs trifft obdach- und wohnungslose Menschen doppelt so häufig wie die Allgemeinbevölkerung und ist die zweithäufigste Todesursache in dieser medizinisch unterversorgten Gruppe. Gleichzeitig fehlen Bewusstsein und Struktur für gezielte Krebsvorsorge. Vor diesem Hintergrund erforschte ein Team unter der Leitung der Medizinischen Universität (MedUni) Wien (Österreich) die aktuelle Situation in vier Ländern Europas und formulierte Ansätze für die Entwicklung eines Präventionsprogramms. Die Studie ist aktuell im Fachjournal „eClinicalMedicine“ erschienen. Im Rahmen der Studie des Forschungsteams um Tobias Schiffler und Igor Grabovac von der Abteilung für Sozial- und Präventivmedizin des Zentrums für Public Health der MedUni Wien wurden die Erfahrungen und Sichtweisen jener erhoben, die direkt betroffen sind: obdach- und wohnungslose Menschen mit und ohne Krebs sowie Fachkräfte in Einrichtungen der Gesundheits- und Sozialdienste. Angehörige dieser Gruppen in Österreich, Griechenland, Großbritannien und Spanien gaben Einblicke in bestehende Gegebenheiten und Hindernisse bei der Krebsvorsorge für Menschen am Rande der Gesellschaft. „Die Datenlage zu dieser Problematik war bisher äußerst dünn“, betont Erstautor Schiffler die hohe Relevanz der qualitativen Forschungsarbeit. Check-ups als „Luxus“ Wie die Studie ergab, ist das Bewusstsein für Krebsvorsorge bei obdach- und wohnungslosen Menschen sowohl bei den Betroffenen selbst als auch bei den Vertretern der Gesundheits- und Sozialdienste nur in geringem Maß vorhanden. So spricht zum Beispiel eine wohnungslose Person aus Österreich im Interview von einem „Luxus, sich um Vorsorgeuntersuchungen und Check-ups zu kümmern, wenn man noch akute Probleme mit sich herumträgt“. Ein Mangel besteht auch bei zielgruppenspezifischen Angeboten zur Krebsprävention. Einzelne lokale Initiativen scheitern meist daran, obdach- und wohnungslose Menschen in ausreichendem Maß zu erreichen. Wird Krebs bei einem Angehörigen dieser unterversorgten Bevölkerungsgruppe doch einmal entdeckt, so geschieht das oft in Zusammenhang mit der notärztlichen Versorgung einer akuten Erkrankung bzw. Verletzung. Oder aber der Tumor ist bereits so weit fortgeschritten, dass er Beschwerden verursacht. Regelmäßige Behandlungs- oder Nachsorgemaßnahmen, die dann eventuell noch möglich sind, erweisen sich aufgrund der Lebensumstände obdach- und wohnungsloser Menschen naturgemäß als schwierig. In einzelnen Ländern stehen die Betroffenen zudem vor finanziellen oder strukturellen Barrieren beim Zugang zum Gesundheitssystem. Das führt dazu, dass sich obdach- und wohnungslose Menschen nicht in dem Maß um ihre Gesundheit kümmern können, wie sie das – auch nach eigenen Aussagen – eigentlich möchten. Entsprechend werden Erkrankungen oft erst spät oder zu spät erkannt. Lebenserwartung von 47 Jahren Die durchschnittliche Lebenserwartung von obdach- und wohnungslosen Menschen liegt bei 47 Jahren, wie Daten aus Großbritannien zeigen. Ursache dafür ist die insgesamt höhere Krankheitslast dieser Gruppe. Krebs trifft Menschen mit Obdachlosigkeitserfahrungen doppelt so häufig wie die Allgemeinbevölkerung. Dies wird u. a. mit einer höheren Prävalenz von Risikoverhalten (z. B. Alkohol- und Tabakkonsum), aber auch mit dem häufigeren Auftreten von Infektionskrankheiten und Mangelernährung sowie den genannten Barrieren beim Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen in Verbindung gebracht. „Unsere Studie ist eine der ersten, die Krebsvorsorge aus der Perspektive direkt Betroffener beleuchtet. Die Ergebnisse können die Basis maßgeschneiderter und zielgerichteter Präventionsmaßnahmen bilden, die die Bedürfnisse und Umstände dieser Zielgruppe berücksichtigen“, sagt Studienleiter Grabovac. Die Studie wurde im Rahmen des groß angelegten EU-Projekts CANCERLESS (Cancer prevention and early detection among the homeless population in Europe: Co-adapting and implementing the Health Navigator Model) durchgeführt, das ebenfalls von Grabovac geleitet wird.
Mehr erfahren zu: "Onkologische Erkrankungen: Leitlinie zum Fertilitätserhalt veröffentlicht" Onkologische Erkrankungen: Leitlinie zum Fertilitätserhalt veröffentlicht Die S2k-Leitlinie „Fertilitätserhalt bei onkologischen Erkrankungen“ stellt die Möglichkeiten zum Erhalt oder der (Wieder-)Herstellung von Fertilität bei Krebserkrankten dar, informiert die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG).
Mehr erfahren zu: "GKV-Finanzlage bleibt schwierig" GKV-Finanzlage bleibt schwierig Der Tag der Überlastung im Gesundheitswesen war in diesem Jahr der 22. Oktober. Der Tag greife immer früher im Jahr. Darauf hat der Landesverband der BKK Bayern hingewiesen.
Mehr erfahren zu: "Neuroblastom: Gezielte Diät verstärkt die Wirkung einer neuen Krebstherapie" Weiterlesen nach Anmeldung Neuroblastom: Gezielte Diät verstärkt die Wirkung einer neuen Krebstherapie Ein Forschungsteam der Universität Zürich und des Universitäts-Kinderspitals Zürich (Schweiz) hat einen neuen therapeutischen Ansatz für Neuroblastome entwickelt: Die Kombination eines Medikaments mit einer speziellen Diät bremst das Tumorwachstum und […]