Krebszell-Cluster auflösen, um Metastasen zu verhindern

Digoxin ist ein Wirkstoff, der natürlich in Fingerhut-Pflanzen vorkommt und auf den Herzmuskel wirkt. (Foto: ©radub85 – stock.adobe.com)

Erfolgreicher Test bei Brustkrebs-Patientinnen: Der Wirkstoff Digoxin, bekannt aus der Herzmedizin, löst Klümpchen von zirkulierenden Brustkrebszellen im Blut auf und reduziert so die Gefahr von Metastasenbildung.

Im Blut zirkulierende Tumorzellen (CTC) können sich zu kleinen Klumpen von bis zu einem Dutzend Zellen zusammenschließen und sich in anderen Organen einnisten. Dort wachsen die Cluster zu Metastasen heran.

In einer neuen Studie, die soeben in der Fachzeitschrift „Nature Medicine“ erschienen ist, zeigt ein Team von Forschenden der ETH Zürich, der Universitätsspitäler von Basel und Zürich sowie des Kantonsspitals Baselland einen neuen, vielversprechenden Ansatz, um die Metastasenbildung zu verhindern.

In einer klinischen Studie verabreichten die Forschenden neun Patientinnen mit metastasierendem Brustkrebs eine Woche lang Digoxin in niedriger und sicherer Dosierung. Das Ergebnis: Die Zahl der Zellen pro Cluster nahm signifikant ab – im Durchschnitt um 2,2 Zellen. Angesichts der typischen Clustergrößen von nur einer Handvoll Zellen bedeutet dies eine deutliche Reduktion des Metastasenrisikos. Denn je kleiner die Cluster sind, desto weniger sind sie in der Lage, erfolgreich Metastasen hervorzubringen. „Die Bildung von Ablegern bei Brustkrebs hängt von CTC-Clustern ab“, betont Studienleiter Nicola Aceto, Professor für Molekulare Onkologie an der ETH Zürich. „Je größer sie sind, desto erfolgreicher sind sie.“

Die Achillesferse der CTC-Cluster sind die Natrium-Kalium-Pumpen (Na+/K+-ATPasen), die in den Membranen der Tumorzellen sitzen und dafür verantwortlich sind, dass Natrium aus den Zellen und Kalium in die Zellen befördert wird. Digoxin blockiert diese Ionen-Pumpen und unterdrückt somit den Ionenaustausch. Die Zellen nehmen deshalb verstärkt Kalzium von der Außenseite der Zellmembran in sich auf. Dies schwächt den Zusammenhalt der Krebszellen im Cluster, sodass diese auseinanderfallen.

Digoxin allein beseitigt den bestehenden Tumor jedoch nicht. Das Mittel müsste in Kombination mit anderen Substanzen, die bestehende Krebszellen töten, abgegeben werden.

Forschende wollen Wirkstoff verbessern

Der Wirkstoff Digoxin stammt ursprünglich aus dem Fingerhut (Digitalis sp.) und wird in der Regel bei Herzleiden wie Herzinsuffizienz verwendet. Dass Digoxin auch im Zusammenhang mit Brustkrebs wirksam sein könnte, entdeckten die ETH-Forschenden im Jahr 2019. Sie führten ein umfangreiches Screening durch, bei dem sie mehr als 2400 verschiedenen Substanzen systematisch in Zellkulturen testeten, um aktive Wirkstoffe gegen CTC-Cluster zu finden.

In einem nächsten Schritt wollen die Forschenden auf Basis von Digoxin neue Moleküle entwickeln, die die CTC-Cluster noch besser auflösen. Der ETH-Spin-off Page Therapeutics arbeitet bereits daran.

Darüber hinaus will Aceto seine Forschung ausweiten auf weitere streuende Krebstypen wie Prostata-, Darm- oder Pankreaskrebs sowie das Melanom. In seinem Labor sind erste Versuche dazu bereits angelaufen.