Krebszellen kapern neuronale Synapsen15. September 2025 Elektronenmikroskopische Aufnahme eines SCLC-Allotransplantats aus einem Mäusegehirn, die einen synaptischen Kontakt zwischen einer Krebszelle (rot) und einem neuronalen Terminal (gelb) zeigt. (Quelle: © Chihab, Ndoci und Gaedke / Universität zu Köln) Eine neue Studie zeigt, dass Krebszellen direkte Synapsen mit Nervenzellen formen, um sich auszubreiten. Das Ergebnis könnte neue Therapiemöglichkeiten eröffnen, die darauf abzielen, diese Kommunikationslinien zu unterbrechen. Ein internationales Forschungsteam hat herausgefunden, dass die Zellen des kleinzelligen Lungenkrebses funktionale Synapsen mit Neuronen formen, wodurch sie effektiv die neuronalen Netzwerke des Körpers kapern, um schneller zu wachsen. Das Ergebnis beleuchtet eine neue Dimension der Krebsbiologie und eröffnet vielversprechende neue Therapiemöglichkeiten. Die Studie „Functional synapses between neurons and small-cell lung cancer“ ist in „Nature“ erschienen. Weitreichende Kommunikation zwischen Organismus und Tumor Bislang wurden solche Synapsen nur in Hirntumoren beobachtet, die aus dem Nervensystem selbst entstehen. Die Entdeckung, dass sich auch ein Lungenkrebs in neuronale Schaltkreise einbinden kann, zeigt, wie tief sich Tumore in den Wirt integrieren, um zu wachsen und zu gedeihen. „Unsere Studie unterstreicht das alarmierende Ausmaß der Kommunikation zwischen Organismus und Tumor, und wie der Körper ihn auch noch unterstützt, als wäre er gesundes Gewebe“, erklärt Studienkoordinator Dr. Filippo Beleggia aus der Abteilung Translationale Genomik. Ausgehend von einer Analyse genetischer Daten identifizierten die Forschenden eine Reihe von Genen, die mit der Synapsenbildung in Verbindung stehen. Daraufhin visualisierten sie das Vorhandensein von Synapsen zwischen Zellen des kleinzelligen Lungenkrebses und Neuronen in Zellkulturen und im Mausmodell. „Ich war verblüfft, als wir das Ausmaß der Neuronen sahen, die die Krebszellen kapern konnten”, sagt Seniorautor Professor Dr. Matteo Bergami, Forschungsgruppenleiter am Exzellenzcluster für Alternsforschung CECAD der Universität zu Köln. „Ich glaube, dieses Ergebnis wird die Medikamentenentwicklung transformieren und zu effizienteren Therapien führen, die eine Metastasierung des kleinzelligen Lungenkrebses im Gehirn verhindern.“ „Verblüffende Anpassungsfähigkeit“ von Krebszellen Die Forschenden beobachteten die Synapsenkommunikation zwischen Neuronen und Krebszellen über zwei verschiedene Neurotransmitter: Glutamat and GABA. Des Weiteren entdeckten sie, dass die Krebszellen sich in der Gegenwart sensorischer oder kortikaler Neuronen schneller vermehrten. „Durch die Bildung synaptischer Verbindungen mit verschiedenen Arten von Neuronen zeigten die Krebszellen eine verblüffende Anpassungsfähigkeit zur Beschleunigung ihres Wachstums“, berichtet Dr. Elisa Motori vom Institut für Biochemie. „Es ist verlockend zu spekulieren, dass die Zellen des kleinzelligen Lungenkrebses nicht nur mit den Neuronen ‚plaudern‘, sondern auch wachstumsfördernde Ressourcen von ihnen erhalten.“ Wurden die durch Glutamat vermittelten Signale unterbunden, führte dies zu einer geringeren Tumorlast und längerem Überleben der Versuchstiere und zeigt somit einen vielversprechenden Angriffspunkt für eine medikamentöse Behandlung auf. „Wir haben gezeigt, dass eine pharmakologische Unterbrechung der Kommunikation zwischen Krebszellen und Neuronen die Tumorkontrolle verbessern kann und entsprechende Therapien mit Chemotherapie kombiniert werden können“, erklärt Seniorautor Prof. Christian Reinhardt von der Uniklinik Essen. Verschiedene therapeutische Optionen Die Forschenden identifizieren mehrere therapeutische Möglichkeiten, vom Einsatz bereits erhältlicher Neurotransmitter-blockierender Medikamente bis hin zur Entwicklung völlig neuer Ansätze, die auf die Kommunikation zwischen Krebszellen und Nervenzellen abzielen. Das Forschungsteam untersucht weiterhin die molekularen Details dieser synaptischen Verbindungen, eine Arbeit, die für die Optimierung von Behandlungsstrategien und die Identifizierung der vielversprechendsten therapeutischen Kombinationen entscheidender Bedeutung sein wird. Die internationale Forschungskollaboration wurde von den Laboren von Dr. Filippo Beleggia (Universität zu Köln), Prof. Christian Reinhardt (Uniklinik Essen), Dr. Elisa Motori (Universität zu Köln), Prof. Matteo Bergami (Universität zu Köln), Prof. Silvio Rizzoli (Georg-August-Universität Göttingen) und Prof. Max Anstötz (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) koordiniert, mit weiteren Schlüsselpartnern in Köln, München, Antwerpen und an der Stanford-Universität.
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