Vektorübertragene Infektionskrankheiten: Zunahme von Kriebelmücken in Deutschland erwartet20. Februar 2024 Die Art Simulium ornatum gehört zu den veterinär- und humanmedizinisch relevanten Kriebelmücken.Foto.©Dorian Dörge Forscher der Goethe-Universität und des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums in Frankfurt haben erstmalig die räumlichen Verbreitungsmuster von Kriebelmücken in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen modelliert. Die Wissenschaftler warnen davor, dass insbesondere medizinisch relevante Arten durch den voranschreitenden globalen Klima- und Landnutzungswandel vermehrt auftreten könnten. Sie sind nur zwei bis sechs Millimeter groß, ihr Aussehen ähnelt dem harmloser Stubenfliegen, doch ihre Stiche sind sehr unangenehm: Kriebelmücken (Simuliidae). Die flugfähigen und überwiegend schwarzen Insekten gehören zu den „Poolsaugern“: Weibliche Tiere raspeln mit scharfen „Zähnchen“ die Haut des Wirts auf und nehmen anschließend den sich dort bildenden Blutstropfen zu sich. Kriebelmücken sind vektorkompetent „Durch die von den Mücken in die Wunde eingetragenen gerinnungshemmenden und betäubenden Substanzen können die Stiche schwerwiegende allergische Reaktionen auslösen, oder es kann zu bakteriellen Sekundärinfektionen kommen“, erklärt Prof. Sven Klimpel vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, der Goethe-Universität Frankfurt, dem LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) und dem Fraunhofer IME Gießen. Klimpel fährt fort: „Kriebelmücken sind zudem vektorkompetent, also in der Lage, durch ihren Stich Infektionskrankheiten auslösende Erreger zu übertragen.“ Der bekannteste durch Kriebelmücken übertragene Erreger ist der auf dem afrikanischen Kontinent heimische Nematode Onchocerca volvulus, welcher die Onchozerkose („Flussblindheit“) auslösen kann. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation erlitten durch die Krankheit weltweit bereits über 1,15 Millionen Menschen einen Sehverlust. Erstautorin Sarah Cunze von der Goethe-Universität Frankfurt erläutert: „Etwa 98 Prozent der insgesamt 2000 auf allen Kontinenten – mit Ausnahme der Antarktis – vorkommenden Kriebelmückenarten ernähren sich von Blut. Dies ist für die Entwicklung ihrer Eier unerlässlich. In Deutschland wurden bisher 57 Kriebelmückenarten beschrieben. Anhand von 1.526 Datensätzen aus Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen haben wir die zwölf häufigsten dort heimischen Arten in drei biogeografische Gruppen unterteilt: Arten, die an Gewässeroberläufen leben, über verschiedene Landschaften weit verbreitete Arten und Tieflandarten.“ Humanmedizinisch relevante Arten könnten gefördert werden Für die drei Gruppen sagen die Forscher in ihrer aktuellen Studie unterschiedliche Populationsentwicklungstrends unter dem voranschreitenden globalen Klima- und Landnutzungswandel voraus: Die Gruppe der Arten mit einem Verbreitungsschwerpunkt in den Gewässeroberläufen wird aufgrund steigender Temperaturen und zunehmender chemischer Belastung der Gewässer als potentiell gefährdet eingeschätzt. Arten der dritten Gruppe hingegen, zu denen insbesondere auch veterinär- und humanmedizinisch relevante Kriebelmückenarten zählen, zeichnen sich durch breitere Nischen und somit eine höhere Toleranz gegenüber anthropogenen Veränderungen aus. Diese Arten könnten durch den anthropogenen Wandel gefördert werden. Ausgehend von ihrem bisherigen Verbreitungsschwerpunkt in größeren Flüssen des Tieflandes könnten diese Kriebelmückenarten in Zukunft häufiger auftreten. Klimawandel begünstigt Kriebelmückenvermehrung Medizinisch relevante Arten zeichnen sich durch ein besonders aggressives Stechverhalten gegenüber Säugetieren und Menschen aus. Zudem treten sie häufig in sehr hoher Zahl auf. „Nachbarländer wie beispielsweise Polen reagieren auf dieses Massenauftreten, welches durch einen synchronisierten Schlupf der aquatisch lebenden Larven gefördert wird, damit, dass Vieh in Gebieten mit bekanntermaßen hohem Vorkommen während der betreffenden Zeiträume nur im Stall gehalten oder nur nachts auf die Weide gelassen wird. Zukünftige höhere Temperaturen könnten zu verkürzten Entwicklungszeiten, zu mehr Generationen pro Jahr und damit insgesamt zu einem häufigeren Auftreten von Kriebelmücken führen“, fügt Cunze hinzu. Globaler Wandel fördert vektorübertragene Infektionskrankheiten In weiteren Arbeiten möchte das Team seine Ergebnisse mit empirischen Tests untermauern. Desweiteren möchten die Forscher durch Labortests klären, inwieweit Simuliiden-Arten in der Lage sind, bestimmte Infektionskrankheiten auslösende Erreger unter den derzeit in Europa herrschenden Bedingungen zu übertragen. „Die aus den Ergebnissen unserer Studie abgeleiteten Entwicklungstrends für die medizinisch relevanten Kriebelmückenarten sind ein Beispiel dafür, wie vektorübertragene Infektionskrankheiten durch den globalen Wandel gefördert werden können. Unsere Modellierungsansätze und -ergebnisse helfen uns dabei, Monitoring und Maßnahmenprogramme für vektorkompetente Arten effizient zu gestalten und Vorhersagen über zukünftige Entwicklungen abzuleiten“, fasst Klimpel zusammen.
Mehr erfahren zu: "KI in der Augenchirurgie – Was kann sie heute schon?" KI in der Augenchirurgie – Was kann sie heute schon? Was kann Künstliche Intelligenz (KI) heute in der Augenchirurgie schon leisten? Antworten auf diese Frage gab Dr. Ben Asani von der Augenklinik der LMU München während der Online-Pressekonferenz zum 123. […]
Mehr erfahren zu: "DOG-Kongress: Was war, was kommt?" DOG-Kongress: Was war, was kommt? Rekorde sind bekanntlich dafür da, zunächst auf- und dann eingestellt zu werden. Im vergangenen Jahr konnte die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) solch einen neuen Rekord melden: Insgesamt 3183 Fachteilnehmer waren […]
Mehr erfahren zu: "Meilenstein: EinDollarBrille feiert eine Million ausgegebene Brillen" Meilenstein: EinDollarBrille feiert eine Million ausgegebene Brillen Die Fränkische Organisation EinDollarBrille hat einen großen Meilenstein in ihrem weltweiten Einsatz gegen unbehandelte Fehlsichtigkeit erreicht.