Kriegswunden beim 1. Nürnberger Wundkongress: Szenario TerrorMANV – Wie gut sind wir vorbereitet?14. November 2018 Bild: © alexlmx – Fotolia.com Das deutsche Notfallrettungssystem gehört zu den besten Welt. Ein terroristischer Anschlag größeren Ausmaßes aber würde Rettungsdienste und Kliniken in vielfacher Hinsicht herausfordern. Worauf sie sich einstellen müssen und welche Defizite aktuell bestehen – darüber informiert beim 1. Nürnberger Wundkongress ein prominenter Vertreter des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Das Szenario eines Massenanfalls von Verletzten (MANV) durch einen Terroranschlag, kurz TerrorMANV, scheint im Tagungsprogramm des 1. Nürnberger Wundkongresses auf den ersten Blick nicht recht zum Themenkanon zu passen. Denn bei einem terroristischen Anschlag wie etwa 2015 in Paris oder 2016 in Brüssel bekämen es Rettungskräfte und Kliniken mit völlig anderen Arten von Wunden zu tun. Mit Wunden, wie sie in Deutschland in der täglichen Versorgung so gut wie nie vorkommen. Nach Einschätzung von Experten wären Rettungsdienste und Kliniken hierzulande auf die Herausforderung eines MANV mit komplexen Schuss- und Explosionsverletzungen bei einer hohen Anzahl hochgradig lebensbedrohlich Verletzter und in der unkalkulierbaren Gefahrensituation eines Anschlags in vielerlei Hinsicht nicht ausreichend vorbereitet. Auch wenn in den letzten Jahren gute Vorschritte zu verzeichnen sind. Im Ernstfall wüsste hierzulande kaum jemand, was zu tun ist. Genau darum bietet der 1. Nürnberger Wundkongress mit einer Sitzung zum Thema TerrorMANV Raum für einen so notwendigen wie spannenden Exkurs. Auch wenn es freilich um ein Szenario geht, das niemand hier jemals erleben möchte. Referent Prof. Benedikt Friemert, Oberstarzt im Sanitätsdienst der Bundeswehr und Klinischer Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm, hat im Einsatz auf dem Balkan, am Horn von Afrika und am Hindukusch operiert und setzt sich in Deutschland seit Jahren dafür ein, dass hiesige Chirurgen sich mit Verletzungsmustern befassen sollten, die sie bislang nur mit fernen Kriegen in Zusammenhang bringen. Denn der internationale Terror hat Kriegswaffen und damit Kriegsverletzungen zurück nach Europa und nach Deutschland gebracht. Friemert und sein Team geben hochspezialisiertes Wissen aus der Einsatzchirurgie an zivile Kollegen weiter und bringen ihnen bei, worauf es im Ernstfall ankommt. Ist das deutsche Notfallrettungssystem auf einen zivilen MANV wie im Falle eines Busunglücks oder einer Massenkarambolage auf der Autobahn bestens vorbereitet, stellt ein TerrorMANV eine ziemlich neue Herausforderung dar. Die Unterschiede sind vielgestaltig: Autounfälle verursachen typischerweise stumpfe Traumata, Anschläge mit Kriegswaffen dagegen penetrierende und perforierende Wunden. Diese Patienten verbluten sehr schnell. Sie haben keine Zeit, in geeignete Kliniken verteilt zu werden, sondern müssen ins nächste Krankenhaus. Druckwellen von Explosionen können Blutgefäße in der Lunge und anderen Organen zerstören, dazu kommen möglicherweise Verbrennungen und Rauchgasvergiftungen, Infektionen durch herumfliegendes Material, und schließlich werden Patienten unter Umständen selbst zum Geschoss. Auch koordinieren in Terrorlagen nicht Rettungskräfte das Vorgehen, wie nach einem Verkehrsunglück, sondern die Polizei. Sie entscheidet auch, wann überhaupt Rettungskräfte vor Ort dürfen. Diese müssen dann besonders schnell handeln, eine eigene Bedrohung ist dabei nicht immer auszuschließen. Die medizinischen Abläufe vor und in der Klinik stehen unter anderen Prämissen, als Rettungsdienste und Mediziner es gewohnt sind. Priorität hat nicht mehr eine optimale individualmedizinische Versorgung mit bestmöglichem Ergebnis, sondern im Vordergrund steht die Lebensrettung möglichst vieler Menschen. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass mehr Amputationen durchgeführt werden, als rein medizinisch notwendig wären. Und schließlich bleiben Ausmaß und Verlauf eines Anschlags zunächst völlig unklar, die Täter und ihre Absichten unbekannt. Niemand kann sagen, wann die Gefahr beendet sein wird, ob weitere Angriffe an anderen Orten folgen und wie viele Patienten am Ende tatsächlich versorgt werden müssen.
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