Kritik an Apothekenreform: ALM sieht Gesundheitsversorgung gefährdet22. Oktober 2025 Die geplante Apothekenreform soll Apotheken unter anderem die Durchführung von diagnostischen Labortests und die Herausgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ohne Rezept ermöglichen. Symbolbild: wideeyes/stock.adobe.com Die geplante Apothekenreform des Bundesgesundheitsministeriums greift nach Ansicht des Verbandes Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) unnötig in bewährte Versorgungsstrukturen ein. Patientenzentrierte und qualitätsorientierte Labordiagnostik sei integraler Bestandteil guter Medizin und effizienter Gesundheitsversorgung – und gehöre in ärztliche Hand. Der Verband ALM sieht in dem aktuellen Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums zur Apothekenreform Risiken für die Qualitätssicherung und Patientensicherheit, insbesondere durch eine geplante Ausweitung diagnostischer Tätigkeiten auf Apotheken, die dies nach einer aktuellen Umfrage ohnehin nur knapp zur Hälfte selbst wollen. Statt neue Parallelstrukturen zu schaffen, sollte der direkte Zugang für Versicherte zu fachärztlicher Labordiagnostik erleichtert werden – etwa durch eine bessere Einbindung in die hausärztliche Versorgung oder qualitätsgesicherte Voucher-Modelle. „Es geht uns darum, in die Weiterentwicklung einbezogen zu werden, um die Qualität der Versorgung zu sichern“, sagt Dr. Michael Müller, erster Vorsitzender des ALM. „Auch die Labordiagnostik in der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus und erst recht in der Infektionsdiagnostik braucht klare Verantwortlichkeiten und geprüfte Qualität – dafür stehen wir als Labore in der Medizin.“ Risiko für Patientensicherheit und Infektionsschutz Aus Sicht des ALM verkennt der Entwurf, dass patientennahe Schnelltests auf Infektionserkrankungen schon bei der Indikationsstellung, also der Auswahl der richtigen Laboruntersuchung, ärztliche Expertise erfordern. Nach § 24 IfSG sollen künftig Apotheken, Pflegeeinrichtungen und sogar Personen ohne medizinische Qualifikation Tests auf verschiedene Infektionskrankheiten durchführen dürfen – darunter Influenza, Adenoviren-, Noro- und RSV-Infektionen, HIV, Hepatitis C, SARS-CoV-2 sowie Syphilis. Damit werde ein zentraler Pfeiler der Qualitätssicherung in der Diagnostik ausgehöhlt. Dabei gilt: Qualität in der Diagnostik entsteht nicht allein durch die Durchführung eines Tests, sondern durch korrekte Probenahme, sachgerechte Bewertung und medizinische Interpretation. Standards, die ärztlich geführte Labore seit Jahren gewährleisten. „Testen ist keine reine technische Leistung mit Anwendung eines Laborverfahrens“, so Müller. „Nur wenn Laborbefunde auch ärztlich eingeordnet werden, können sie zu richtigen Entscheidungen in Prävention, Therapie und Infektionsschutz führen. Ohne diesen Kontext drohen Fehlinterpretationen, falsche Sicherheit und im schlimmsten Fall Schaden für die Patientinnen und Patienten.” Die Vorstellung, dass kranke Menschen mit potenziell übertragbaren Krankheiten in die Apotheke gehen und dort ohne ärztliche Untersuchung Labordiagnostik bekommen, die zudem noch qualitativ schlechter ist, sei in gewisser Weise absurd, führt Müller fort. Das überfordere sowohl Patienten als auch Apotheker. Verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Rezept: Eingriff in die ärztliche Therapieverantwortung Der ALM sieht auch bei den neu vorgesehenen §§ 48a und 48b des Arzneimittelgesetzes erheblichen Klärungsbedarf. Diese Regelungen sollen Apotheken ermöglichen, bestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne ärztliche oder zahnärztliche Verschreibung abzugeben – sowohl im Rahmen einer sogenannten „Anschlussversorgung“ als auch bei „akuten Erkrankungen“. Der stellvertretende Vorsitzende Prof. Jan Kramer, Facharzt für Laboratoriumsmedizin und Innere Medizin, warnt: „Hier wird der ärztliche Behandlungsprozess ausgehebelt. Medikamentöse Therapieentscheidungen setzen immer eine gesicherte Diagnose und eine (fach-)ärztliche Kontrolle voraus. Wenn Apotheken eigenständig verschreibungspflichtige Präparate abgeben dürfen, wird die Grenze zwischen Diagnostik, Therapie und Beratung faktisch aufgehoben.“ Kommerzialisierung statt Aufklärung Problematisch ist aus Sicht des ALM zudem die geplante Änderung des Heilmittelwerbegesetzes (§ 12 HWG), die Werbung für In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung sowie für Testungen in Apotheken auch außerhalb von Fachkreisen zulässt. Dies öffne den Markt für werbliche Kampagnen rund um Schnelltests, die sich an Verbraucher richten, ohne hinreichende Aufklärung über Aussagekraft, Grenzen und Risiken solcher Tests. „Die geplante Werbeerlaubnis schafft wirtschaftliche Anreize, die medizinische Entscheidungen überlagern können“, so Kramer. „Diagnostik ist keine Handelsware – sie ist ein zentraler Bestandteil ärztlicher Verantwortung.“ Klare Zuständigkeiten sichern Qualität und Verantwortung Der ALM appelliert an das Bundesministerium für Gesundheit und den Gesetzgeber, die geplanten Neuregelungen grundlegend zu überarbeiten. Ziel müsse eine klare Abgrenzung zwischen pharmazeutischen, pflegerischen und ärztlichen Aufgaben sein. Nur so können Qualität, Patientensicherheit und Transparenz gewährleistet werden. „Die Strukturen der Labordiagnostik in Deutschland stehen für Qualität, Sicherheit und Verantwortung. Diese Standards dürfen nicht unterlaufen werden. Gute Medizin beginnt mit guter Diagnostik – und die gehört in ärztliche Hand“, betont Müller abschließend. Der ALM wird den Referentenentwurf im Detail prüfen und eine umfassende Stellungnahme vorlegen. Darin wird der Verband insbesondere die Auswirkungen auf Qualitätssicherung, ärztliche Verantwortung und Patientensicherheit bewerten und konkrete Änderungsvorschläge einbringen.
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