Künstliche Hüft- und Kniegelenke in jungen Jahren? – Eine patientenindividuelle Entscheidung

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Anlässlich des AE-Kongresses in Frankfurt wurden auf einer Pressekonferenz Chancen, Risiken und Grenzen der Endoprothetik bei Hüft- und Kniegelenken jüngerer Patienten aufgezeigt. Belastung und Aufklärung spielen eine entscheidende Rolle.

„Was jung bedeutet ist sicherlich eine Definitionssache“, eröffnete Prof. Robert Hube Leitender Arzt, Orthopädische Chirurgie München (OCM), sein Statement zu diesem Thema. „Wir sprechen heute über Patientinnen und Patienten die 50 Jahre und jünger sind“, so der Orthopäde. Gerade wenn Patienten dieses Alters verschlissene Gelenke aufwiesen, stelle sich die Frage, ob der Gelenkersatz schon notwendig ist oder Alternativen möglich sind, so der Experte.

Er verwies darauf, dass die Standzeiten von Gelenken heute im Durchschnitt zwischen 20 und 40 Jahren liegen. Im Vergleich zeigten aber alle Registerdaten bezüglich der Ausfallwahrscheinlichkeiten, dass die Zeiten bis zu einer Revisionsoperation bei Jüngeren zwar gut sind, aber nicht so gut wie bei den älteren Patienten. „Auch wenn wir mit bewährten Implantaten auch bei jungen Patientinnen und Patienten in Zentren exzellente Langzeitergebnisse mit 20 Jahren von über 80 Prozent erreichen, zeigen die nationalen Prothesenregister schlechtere Standzeiten gegenüber dem normalen Patientengut“, so Hube. Dies liege daran, dass jüngere Menschen mehr Ansprüche bezüglich der Aktivität und somit der Lebensqualität stellten. „Der Belastungsstress, der bei dieser Patientengruppe auf die Implantate ausgeübt wird, ist deutlich höher“, so Hube. „Es gibt keine Garantie, dass ein künstliches Gelenk 40 Jahre oder bis zum Lebensende hält“, betonte er.

Insofern sei die Frage berechtigt, ob ein Gelenkersatz hinausgezögert werden sollte, um eine spätere Wechseloperation vermeiden zu können. Dies sei in den meisten Fällen aber nicht realistisch, da zunehmende Beschwerden auch die Lebensqualität weiter einschränkten, erklärte Hube, denn „wir haben bisher bei ausgeprägter Arthrose und nach dem Ausschöpfen aller Behandlungsmöglichkeiten keine weiteren Alternativen, um die Beschwerden zu lindern“.

Des Weiteren spricht für einen rechtzeitigen früheren Gelenkersatz laut Hube, dass sich mit zunehmenden Funktionseinschränkungen auch die OP-Ergebnisse des Gelenkersatzes verschlechtern.

Aus diesen Gründen ist dem Experten zufolge eine patientenindividuelle OP-Entscheidung, die Arzt und Patient bestenfalls gemeinsam treffen sollten, sehr wichtig. Gerade bei jüngeren Patienten müsse in einem Beratungsgespräch geklärt werden, was die Erwartungshaltung ist und was der Arzt garantieren kann. Dabei müsse die Möglichkeit einer Wechsel-OP angesprochen werden, nach der wahrscheinlich auch ein schlechteres funktionelle Ergebnis als nach der Erstoperation zu erwarten sei. Die jüngeren Patienten müssten wissen, dass es bei High-Impact-Aktivitäten wie Kontaktsportarten mit vermehrter Belastung wahrscheinlich zu einem früheren Versagen der künstlichen Gelenke kommt. „Hier ist Ehrlichkeit im Arzt-Patienten-Gespräch gefordert“, so Hube.

Auch die OP-Technik und die Implantatwahl spielen laut Hube eine wichtige Rolle für den OP-Erfolg. „Hier sollten weichteilschonende Operationstechniken und Implantate genutzt werden, die in Publikationen und Registern exzellente Ergebnisse und Standzeiten gezeigt haben“, betonte er. Die Zielgrößen in der Endoprothetik seien Stabilität bei guter Beweglichkeit, die Rekonstruktion der individuellen Anatomie und Biomechanik und die Haltbarkeit. „Dies sind hohe Ansprüche an die Operation bei im Allgemeinen hochaktiven Patientinnen und Patienten.“

Hube wies zudem darauf hin, dass nicht nur die reine Belastung der Gelenke eine Rolle beim Gelenkersatz spielt, sondern auch die der Arthrose zugrunde liegende Ursache, etwa Fehlstellungen, posttraumatische Situationen und Besonderheiten des Knochens. Gerade diese Patienten sollten sowohl bei der kritischen Indikationsstellung als auch bei der möglicherweise notwendigen Operation in Zentren versorgt werden, da dies ein optimales Ergebnis und eine möglichst schnelle Rückkehr in den Alltag sichere. „Der junge Patient ist sicher nichts für eine Klinik mit breitem Versorgungsauftrag”, so Hube. Letztendlich müsse aber auch hier der Patient selbst entscheiden, wem er das Vertrauen entgegenbringt und auch der Chirurg müsse sich fragen, wo der Patient am besten aufgehoben sei.

Letztendlich spielt bei der Auswahl von Experten und Kliniken laut Hube noch immer der Hausarzt eine führende Rolle, „der auch die entsprechenden Adressen in der Umgebung kennt”. Mit zertifizierten Einrichtungen (EndoCert) und den Endoprothesenzentren versuche man derzeit insgesamt diese Wahloptionen zu objektivieren. Auch die Teilnahme der Kliniken am Endoprothesenregister spiele in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, „da es den Kliniken zeigt, wo sie im Vergleich mit anderen Endoprothetik-Anbietern gerade stehen.” (hr)