Künstliche Intelligenz als Co-Pilot für die Kinderanästhesie

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Künstliche Intelligenz könnte Anästhesisten bald dabei helfen, Kinder im Operationssaal besser zu schützen und ihre Genesung durch eine bessere Schmerzbehandlung zu verbessern, wie eine systematische Übersicht nahelegt.

Die Anästhesieversorgung von Kindern ist besonders schwierig, da ihre Anatomie selbst bei Patienten gleichen Alters sehr unterschiedlich sein kann. Nun stellen Forscher heraus, dass Künstliche Intelligenz (KI) bei der Bestimmung der geeigneten Größe und Platzierung von Beatmungsschläuchen, der Überwachung des Sauerstoffgehalts und der Beurteilung postoperativer Schmerzen besser abschneidet als Standardmethoden.

KI verbesserte durchweg die Vorhersage, Minderung und Behandlung von Komplikationen, erhöhte die klinische Genauigkeit und Entscheidungsfindung und ermöglichte es Anästhesisten, bei Komplikationen früher einzugreifen. Die noch unveröffentlichten Ergebnisse ihrer Übersichtsarbeit präsentierten die verantwortlichen Forscher auf der Jahrestagung Anesthesiology® 2025.

KI als Co-Pilot, nicht als Ersatz

„Stellen Sie sich KI als Co-Piloten vor, während der Anästhesist alle endgültigen Entscheidungen trifft“, sagt Aditya Shah. Shah ist Hauptautor der Übersichtsarbeit und Medizinstudent am Central Michigan University College of Medicine in Saginaw (USA). „KI kann kontinuierlich Tausende von Datenpunkten in Echtzeit analysieren und Muster aus früheren Fällen lernen“, erklärt er. Dadurch erkenne sie subtile Veränderungen früher und könne dabei helfen, Entscheidungen auf die einzigartige Anatomie jedes Kindes zuzuschneiden. „Sie ersetzt jedoch nicht die Ausbildung und das Fachwissen des Anästhesisten, sondern bietet lediglich eine zusätzliche Sicherheitsebene und Unterstützung.“

Shah und Kollegen analysierten zehn Studien. Dabei stellten sie fest, dass KI-Tools effektiver sind als aktuelle Screening-/Analysemethoden. Obwohl KI-Tools für die Kinderanästhesie noch in der Forschungsphase sind, sei es aufgrund ihrer erheblichen Vorteile wahrscheinlich, dass sie in naher Zukunft in die Praxis integriert werden, meint Shah.

Beobachtete Verbesserungen durch KI

Den Forschern zufolge zeigen die Studien, dass KI folgende Verbesserungen bewirken kann:

Überwachung des Sauerstoffgehalts

Im Rahmen des Sauerstoffmonitorings werden Alarme erst ausgelöst, wenn die Werte bereits gefährlich niedrig sind. Um dies zu optimieren, trainierten Wissenschaftler KI-Systeme. Sie verwendeten Daten des Sauerstoffgehalts aus Anästhesiegeräten auf der Grundlage von mehr als 13.000 Operationen. Diese analysierten sie kontinuierlich Sekunde für Sekunde.

Das effizienteste KI-Modell analysiert die kindlichen Atem-, Sauerstoff- und Herzdaten in Echtzeit. Es erkennt dabei winzige Veränderungen, welche für den Menschen nicht wahrnehmbar sind. Das Modell kann Anästhesisten bis zu 60 Sekunden vor dem Auslösen des Standardalarmsystems warnen. Somit haben Anästhesisten eine zusätzliche Minute Zeit, um das Beatmungsgerät anzupassen, Sekrete zu entfernen oder das Atemwegsproblem zu beheben, bevor der Sauerstoffgehalt des Kindes gefährlich niedrig wird. Dadurch können möglicherweise Herz- oder Hirnschäden verhindert werden. Der Unterschied ist laut Shah so, als würde man ein Feuer löschen, sobald es ausbricht, anstatt erst gewarnt zu werden, wenn der erste Rauch aufsteigt.

Postoperative Schmerzbewertung

Bei Kindern ist es schwierig, Schmerzen zu beurteilen, da sie oft nicht mitteilen können, wie sie sich fühlen. Die derzeitigen Methoden sind zu etwa 85 bis 88 Prozent genau, darunter die FLACC-Skala (Face, Legs, Activity, Cry, Consolability) und die Wong-Baker-Skala.

Forscher zeichneten mehr als 1000 Schmerzbewertungen – z.B. Weinen, Unruhe, Schutzhaltung des Halses und Gesichtsausdrücke – bei 149 Kleinkindern auf. Darauf basierend trainierten sie ein KI-System, um zu erkennen, welche Hinweise für die Erkennung von Schmerzen am wichtigsten sind. Das KI-Tool maß die Schmerzen der Kinder mit einer Genauigkeit von 95 Prozent.

Genauigkeit der Größe und Platzierung von Atemschläuchen

Die Größe von Atemschläuchen und die Tiefe ihrer Platzierung im Hals sind entscheidend, um schwerwiegende Komplikationen wie Verletzungen der Atemwegsschleimhaut und eine unzureichende Sauerstoffversorgung zu vermeiden. Aktuelle Formeln verwenden das Alter oder die Größe des Kindes, aber die Anatomie von Kindern kann sehr unterschiedlich sein.

Verschiedene Studien zeigen, dass KI diesen Prozess genauer machen kann. In einer Studie mit 37.000 Kindern verwendeten Modelle des maschinellen Lernens Patientenmerkmale, um die Größe und Tiefe des Atemschlauchs weitaus genauer vorherzusagen. Fehler konnten so um 40 bis 50 Prozent reduziert wurden.

KI als personalisierte Entscheidungshilfe in Echtzeit

„KI kann Anästhesisten eine personalisierte Entscheidungshilfe in Echtzeit bieten und so möglicherweise Komplikationen und Folgen bei Kindern reduzieren, bei denen Präzision besonders wichtig ist“, sagt Co-Autor Patrick Fakhoury, Medizinstudent am Central Michigan University College of Medicine. „Für Eltern liegt der wahre Wert der KI in der Gewissheit, dass alles in Ordnung ist.“

(ah/BIERMANN)