Künstliche Intelligenz für die Medizintechnik

Aufbau zum Training und zur Validierung einer KI für die autonome Navigation eines Führungsdrahts. (Foto: Vanessa Stachel)

Mittelständische Medizintechnikunternehmen in Baden-Württemberg sollen schon bald Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) zur Weiter- oder Neuentwicklung ihrer Produkte nutzen.

Das Know-how dazu stellen die Projektgruppe für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie PAMB des Fraunhofer IPA und die Universitätsmedizin Mannheim im Anwendungszentrum für Intelligente Maschinen in der Medizintechnik (ANIMMED) bereit. Im Rahmen des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg fördert das Land ANIMMED und weitere sieben Projekte mit insgesamt 13,9 Millionen Euro, vermeldet das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA.

Mit Methoden der KI (oder AI – Artificial Intelligence) können Maschinen in komplexen Situationen automatisch analysieren, entscheiden oder steuern. Diese Eigenschaften machen KI-Systeme für den Einsatz in der Medizin besonders relevant: Intelligente Methoden ermöglichen heute bereits in der Praxis die Analyse gewaltiger Datenmengen in der Diagnostik, die ein Mensch nicht mehr bewältigen kann.

Laut IPA können Medizingeräte durch den Einsatz von intelligenten Methoden automatisiert werden. Somit könnten Geräte die klinischen Anwendungen wesentlich effizienter machen und Ärzte effektiver unterstützen. “Ohne den Einsatz von KI erscheint heute jedoch eine Automatisierung von Medizingeräten in den meisten klinischen Anwendungen kaum möglich. Der Grund liegt in der natürlichen Vielfalt des menschlichen Organismus, seiner Verletzlichkeit und der komplexen Biologie des menschlichen Körpers. Der Mensch beherrscht diese Komplexität und Variabilität. Er fällt Teilentscheidungen und regelt Elemente im medizinischen Prozess, seine Ressourcen können jedoch durch die Hilfe von intelligenten Maschinen deutlich erweitert werden. Automatisierung durch KI-Systeme wird daher heute als technischer Schlüssel für eine zukünftige effiziente Präzisionsmedizin betrachtet”, erklärt das IPA.

Trotz dieser Erwartungen stünden außer in wenigen diagnostischen Bereichen, wie der Radiologie und Dermatologie, nur vereinzelte, eingeschränkte KI-Anwendungen vor dem Einsatz in der klinischen Anwendung. Die Möglichkeiten der KI im Einsatz für die Steuerung medizintechnischer Geräte und Instrumente seien in der klinischen Praxis noch weitgehend unerschlossen, so das IPA.

Vorteile von KI in der Medizintechnik

Verschiedene Projekte der Mannheimer Projektgruppe haben laut IPA gezeigt, dass KI in der Klinik als Schlüsseltechnologie für die intelligente Steuerung von Maschinen, d. h. Instrumenten, Geräten oder Systemen wie Robotern von zentraler Bedeutung ist. Mithilfe von KI könnten Maschinen zukünftig Ärzte auch bei kritischen Aufgaben und der Steuerung komplexer Abläufe in der Klinik unterstützen, indem sie Prozesse sogar automatisch übernehmen und das Personal bedarfsgerecht entlasten. So werde es möglich, Prozesse der Pflege, Diagnose und Intervention optimal auf die individuelle Situation des Patienten abzustimmen und gleichzeitig effizient zu gestalten. Damit bliebe die medizinische Versorgung trotz zusätzlicher Kosten für die erforderliche digitale Infrastruktur auch in Zukunft bezahlbar.

Trainingsdaten sind entscheidend

Zu den entscheidenden Punkten der KI-Anwendung für Medizinprodukte zählt nach Angaben des IPA der Zugang zu den Trainingsdaten. Denn lernfähige KI-Systeme für intelligente Geräte und Instrumente sollen mit großen Datenmengen trainiert werden, die valide sind. Das bedeutet, die Daten stellen die Realität mit einer ausreichenden Genauigkeit dar und sind im Hinblick auf das berechnete Ergebnis überprüfbar. Speziell für medizintechnische Anwendungen lassen sich solche großen Datenmengen nur im klinischen Alltag oder in extrem realitätsnahen Szenarien und Simulationen gewinnen, erklärt das IPA. “An dieser Anforderung scheitert in den meisten Fällen die Entwicklung von KI-Systemen in der Medizin. Der Aufwand für Unternehmen wird zu groß. Damit schließt sich der fehlerhafte Kreis: Weil konkret greifbare Anwendungen fehlen, können Machbarkeit und Nutzen von KI-Lösungen aktuell durch Praxisbeispiele nicht in ausreichendem Umfang nachgewiesen werden. So kommt die Entwicklung von Anwendungen nur schwer voran.” ANIMMED breche durch Best-Practice-Demonstratoren und das Angebot von kliniknahen Entwicklungsmethoden diesen Teufelskreis, heißt es. Auf dem Gelände des Universitätsklinikums Mannheim unterstütze ANIMMED Medizintechnikunternehmen bei der Entwicklung, dem Training und der Adaption von KI-Lösungen für intelligente medizinische Geräte und Instrumente.

Weitere Infos:
http://www.forum-gesundheitsstandort-bw.de
http://www.umm.uni-heidelberg.de/heinrich-lanz-zentrum
http://pamb.ipa.fraunhofer.de