Künstliche Intelligenz zur Erkennung von Anomalien der Herzkranzgefäße11. April 2025 KI-generiertes Symbolbild: ©Kanomaoi/stock.adobe.com Forschende des Inselspitals, Universitätsspital Bern und der Universität Bern haben ein KI-basiertes Tool entwickelt, das Anomalien der Koronargefäße in CT-Bildern mit hoher Präzision erkennt und klassifiziert. Koronaranomalien (engl. Anomalous Aortic Origin of a Coronary Artery, kurz AAOCA) sind sehr seltene angeborene Herzfehler, die oft vom ungeübten Auge übersehen werden, aber schwerwiegende gesundheitlichen Folgen haben können. Insbesondere bei jungen, körperlich aktiven Menschen können sie zu plötzlichem Herztod oder Herzinfarkt führen. Bis zu 30 Prozent der unerwarteten Todesfälle von jungen Athleten und Athletinnen sind gemäß Autopsieberichten auf solche durch fehlabgehende Herzkranzgefäße zurückzuführen. Da sie sehr selten auftreten und das Wissen oft fehlt, ob es sich um harmlose oder potenziell risikobehafteten Koronaranomalien handelt, ist ihre Identifizierung und Klassifizierung herausfordernd. Eine verbesserte Diagnostik, die es erlaubt solche Anomalien voll automatisch zu erkennen, könnte für Patienten und Patientinnen lebensrettend sein. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Christoph Gräni, Extraordinarius der Universität Bern und Leiter für Kardiale Bildgebung der Universitätsklinik für Kardiologie am Inselspital Bern, sowie Dr. Isaac Shiri, Forschungsleiter für Künstliche Intelligenz (KI) in der Kardiovaskulären Medizin am Inselspital, hat nun in Zusammenarbeit mit dem Universitätsspital Zürich ein innovatives, vollautomatisiertes Tool basierend auf KI entwickelt, das solche Anomalien in Bildern einer Computertomographie-Koronarangiographie (CCTA) erkennt und klassifiziert. Die Studie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ publiziert. Entwicklung eines zweistufigen Deep-Learning-Algorithmus Gräni und Kollegen analysierten insgesamt 4128 CCTA-Bilder von 2376 Patienten, darunter 335 Personen mit einer AAOCA. Das entwickelte Tool nutzt einen zweistufigen Deep-Learning-Algorithmus zur Segmentierung und Klassifizierung. Der erste Schritt, die Bildsegmentierung, trennt die relevanten anatomischen Strukturen von den umgebenden Geweben, um eine klare Sicht auf die Koronararterien zu ermöglichen. Nach der Bildsegmentierung konzentriert sich der Klassifizierungsschritt auf die Erkennung von AAOCA-Fällen und die Bestimmung, von wo das anomale Herzkranzgefäß aus der Aorta abgeht und wie es verläuft. Das Modell wurde mit externen Datensätzen in Zusammenarbeit mit dem Universitätsspital Zürich validiert und außerdem an einem öffentlich zugänglichen Datensatz getestet, um die Robustheit und Verlässlichkeit der Ergebnisse sicherzustellen. Hohe Präzision des Algorithmus „Der KI-gestützte Algorithmus erkennt die Herzfehlbildungen direkt in den Bildern und bestimmt automatisch die Art der Anomalie. Das Modell zeigte dabei eine überraschend hohe Präzision und konnte sogar Grenzfälle identifizieren, bei denen sich selbst Experten und Expertinnen uneinig waren. Diese hohe Genauigkeit unterstreicht das Potenzial des Tools, nahtlos in klinische Arbeitsabläufe integriert zu werden“, erklärt Gräni. So könnte das Tool beispielsweise Echtzeit-Warnungen für potenziell risikoreiche Anomalien liefern und Bildgebungspezialisten bei der klinischen Diagnose unterstützen. Weiter ermöglicht das Tool, große populationsbasierte Bilddatensätze gezielt auf Koronaranomalien zu durchsuchen und deren Zusammenhang mit dem klinischen Ergebnis zu analysieren. „Die Analyse solch seltener Krankheiten ist in großen retrospektiven und prospektiven Kohorten von Bildern manuell zu aufwändig, aber genau solche Studien sind für eine verbesserte Risikostratifizierung absolut essenziell“, so Gräni. Nächster Schritt: Entwicklung eines digitalen Zwillings Weitere Studien sind nötig, um das Modell weiter zu verfeinern und in realen klinischen Umgebungen zu testen. Das Team um Gräni entwickelt nun zusammen mit der Forschungsgruppe von Prof. Dominik Obrist von der Forschungsgruppe Cardiovascular Engineering am ARTORG Center for Biomedical Engineering Research einen digitalen künstlichen Zwilling für Koronaranomalien. Dazu sind wichtige Daten von interventionellen Messungen nötig, welche in Zusammenarbeit mit Prof. Lorenz Räber, Leiter des Herzkatheter-Labors des Inselspitals gesammelt werden. Dieser Ansatz soll dazu beitragen, die Relevanz einer Koronaranomalie mithilfe eines digitalen und physischen Zwillings außerhalb des Patienten – etwa unter simulierten Sportbedingungen – zu beurteilen, um interventionelle Untersuchungen zu vermeiden und das Risiko besser einschätzen zu können. „Diese Technologie des digitalen Zwillings könnte auf andere seltene kardiovaskuläre Anomalien ausgeweitet werden und die kardiologische Diagnostik insgesamt transformieren“, sagt Gräni abschließend.
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