Künstliches Kniegelenk: So viel wie nötig – so wenig wie möglich23. September 2021 Foto: kravka – stock.adobe.com Muss bei schwerer Arthrose des Knies ein Kunstgelenk implantiert werden, ist nicht immer eine Totalendoprothese notwendig: manchmal reicht auch die Versorgung mit einer Teilprothese, etwa der „Schlittenprothese“, aus, betont die Deutsche Gesellschaft für Edonprothetik (AE) anlässlich ihres 23. Jahreskongresses (24.-25.09.) und 25-jährigen Jubiläums der Fachgesellschaft. Voraussetzung für eine Teilprothesenversorgung sind laut AE intakt erhalten gebliebene Kreuzbänder sowie eine Beschränkung des Knorpelschadens ausschließlich auf einen Abschnitt des Kniegelenks. Durch den Erhalt des vorderen Kreuzbandes nehmen die Patienten das Kunstgelenk natürlicher wahr und können im Alltag und Sport aktiver sein. Zudem ist der Eingriff kleiner und die Rehabilitation kürzer, betont die Fachgesellschaft. Im Kniegelenk trifft das untere Ende des Oberschenkelknochens mit seinen zwei Gleitrollen, den Kondylen, auf das obere Plateau des Schienbeinkopfes. Dieser hat korrespondierende Ausbuchtungen zu den Kondylen. Es besteht auch noch ein Gelenk zwischen der Kniescheibe und dem Oberschenkelknochen. Alle Gelenkpartner sind mit einer Knorpelschicht überzogen, beschreibt die AE das Kniegelenk.Auch eine sehr schmerzhafte Arthrose, die starke Bewegungseinschränkungen zur Folge hat, kann nur einen umschriebenen Gelenkabschnitt betreffen. Der Rest des Gelenkes ist dabei möglicherweise noch intakt. „Häufig ist dies der innere Knieanteil zwischen Ober- und Unterschenkelknochen“, erläutert Priv.-Doz. Dr. Stephan Kirschner, Vizepräsident der AE und Direktor der Klinik für Orthopädie in den ViDia Kliniken, Karlsruhe. „Ist dies der Fall, kann auch nur ein Teilgelenk implantiert werden“, so Kirschner. Dies wird umgangssprachlich als mediale Schlittenprothese bezeichnet. „Dabei werden nur die wirklich von der Arthrose betroffenen Gelenkabschnitte ausgetauscht. Der Großteil des Kniegelenkes wie die andere Kondyle, die Kniescheibe und die Kniebänder bleiben“. Laut Leitlinien müssen jedoch vorher alle konservativen Möglichkeiten der Behandlung wie Physiotherapie, Gelenkinjektionen, Akupunktur und Schmerzmittel ausgeschöpft worden sein1-3. Zudem besteht auch die Möglichkeit, durch eine Umstellungsosteotomie zunächst die Achse des betroffenen Kniegelenks so zu korrigieren, dass das von Arthrose betroffene Areal entlastet wird. „Diese Option, O- und X-Beine operativ zu begradigen und so Zeit bis zu einerTotalprothese zu gewinnen, kann für jüngere und sportlich aktive Patienten infrage kommen“, so Kirschner. Im Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) sind für das Jahr 2019 insgesamt 124.677 Knieprothesenimplantationen registriert. 86,3 Prozent der dort dokumentierten Patienten erhielten eine Totalendoprothese und 13,5 Prozent mit eine Schlittenprothese. Jüngere Patienten bis 54 Jahre wurden eher mit einer Teilprothese versorgt: dies betraf 23,5 Prozentder Frauen und 27 Prozent der Männer. Patienten mit Umstellungsoperationen sind im EPRD nicht enthalten4. Der Orthopäde und Unfallchirurg kommentiert: „Patienten bekommen bis heute überwiegend eine Totalendoprothese –, gleichgültig, wie viele Abschnitte ihres Knies tatsächlich von Arthrose betroffen sind oder welche Achsstellung das betroffene Bein hat“. Wichtigstes Gegenargument der Teilprothetik sei die bis heute – zumindest im Durchschnitt – kürzere Haltbarkeit im Vergleich beider Verfahren zur totalen Knieendoprothese, so der Orthopäde und Unfallchirurg. Gegen eine Umstellungsoperation können eine eingeschränkte Beweglichkeit und die geringere Schmerzverbesserung im Gegensatz zu einer Endoprothese sprechen. Für beide Fälle gilt: „Aufgrund der im Gelenk möglicherweise weiter fortschreitenden Arthrose kann sowohl bei der Schlittenprothese wie auch nach einer Umstellung eine Folgeoperation erforderlich werden“. Kirschner fasst zusammen: „Sofern nur eine umschriebene Arthrose mit erhaltenen Kreuzbändern vorliegt, ist aufgrund der günstigen klinischen Ergebnisse der Teilgelenkersatz zu empfehlen. Bei hohen sportlichen Ansprüchen und einer Achsabweichung ist eine Umstellungsoperation zu diskutieren. Wenn alle Gelenkabschnitte betroffen sind, stellt die Totalendoprothese eine bewährte Versorgungsmöglichkeit dar“. Patienten sollten sich jedoch vor einem Eingriff informieren: „Oft werden in spezialisierten Kliniken alle drei Versorgungsmöglichkeiten (Umstellung, Schlitten und Totalendoprothese) in großen Fallzahlen und mit viel Erfahrung durchgeführt. Dann kann die für den Patienten individuell am besten passende Versorgung gemeinsam ausgewählt werden.“ Quellen:1. AWMF-Leitlinie Knieprothese 2. AWMF-Leitlinie Gonarthrose 3. Entscheidungshilfe Knieendoprothesen des IQWiG4. EPRD Jahresbericht 2020
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