Langer Aufenthalt im All verändert das Gehirn von Astronauten

Dr. Moritz H. Albrecht auf der Mars Society Convention in Washington DC. (Quelle: Universitätsklinikum Frankfurt)

Eine von der NASA finanzierte Studie zeigt, dass längere Aufenthalte im Weltall die Gehirnstruktur von Astronauten gravierend verändern. Eine bemannte Marsmission wäre damit in der bisher geplanten Form nicht möglich.

Der nachhaltige Einfluss andauernder Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper ist bisher nur wenig erforscht. Erst vor wenigen Jahren prägte die NASA den Begriff des Vision Impairment and Intracranial Pressure Syndroms (VIIP; Beeinträchtigung von Sehvermögen und Hirndruck). Es hatte sich gezeigt, dass Astronauten, die von der Internationalen Raumstation ISS zurückkehrten, oftmals unter einem Papillenödem – also einer Schwellung des Sehnervs – und erhöhtem Hirndruck litten. Folglich wurde von vielen Astronauten über Sehstörungen und Kopfschmerzen berichtet. Dieses Phänomen wurde nun in einer Studie im “New England Journal of Medicine” unter Beteiligung des Universitätsklinikums Frankfurt näher untersucht.

Mithilfe von MRT-Scans der Gehirne von Astronauten vor und nach Aufenthalten im Weltall entdeckten die Forscher um Dr. Moritz H. Albrecht, Assistenzarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, dass vor allem längere Weltraumreisen zu einer Verengung der Hirnwasserräume und sogar zu einer signifikanten Verschiebung des Gehirns der Astronauten führten. Sollten sich diese Effekte als nachhaltig herausstellen, könnte beispielsweise eine bemannte Mission zum Mars nicht in der bisher geplanten Form durchführbar sein.

Abnahme von Sehvermögen und motorischen Fähigkeiten
Die Schwierigkeit: Die Schwerelosigkeit im Raumschiff führt zu Veränderungen gerade derjenigen Hirnregionen, die Einfluss auf die Koordinationsfähigkeit und Wahrnehmung der Astronauten haben sowie auf ihre Fähigkeit, mit anderen Crewmitgliedern zu interagieren. Mehrere der in der Studie untersuchten Astronauten litten bereits nach wenigen Monaten im All unter VIIP, vermutlich hervorgerufen durch die Verengung der Zisternen des Subarachnoidalraums. Dieser mit Hirnwasser gefüllte Raum schützt das Gehirn vor Zusammenstößen mit dem Schädelknochen.

Nach einer längeren Zeit im All wären die Teilnehmer womöglich nicht mehr in der Lage, Objekte in ihrer näheren Umgebung korrekt wahrzunehmen, geschweige denn ihre täglichen Aufgaben zu erfüllen. Dass sich diese Veränderungen in der Studie schon nach nur etwa drei Monaten zeigen, stellt nicht nur Marsreisen infrage, die aufgrund der Entfernung mit aktueller Raumfahrttechnologie mindestens zwei Jahre in Anspruch nehmen; auch längere Mondreisen böten Herausforderungen.

Gravierende Veränderungen im Gehirn nach längerem Aufenthalt im All
Zur Untersuchung der Auswirkungen von langen Weltraumaufenthalten auf das menschliche Gehirn hatte die Forschergruppe MRT-Scans von 34 Astronauten vor und nach deren Reise ins All verglichen. 18 davon absolvierten längere Aufenthalte von bis zu mehreren Monaten, zum Beispiel auf der Internationalen Raumstation ISS, 16 waren nur für wenige Wochen auf Spaceshuttle-Missionen im Weltraum unterwegs.

Bei fast allen Astronauten mit längerem Allaufenthalt stellten die Forscher eine Verengung der Zentralfurche im Hirn fest. Außerdem wurde bei ihnen ausnahmslos eine Verschiebung des Gehirns nach oben festgestellt sowie die beschriebene Verengung verschiedener Hirnwasser leitender Zisternen. Diese Veränderungen zeigten sich nach kurzen Aufenthalten im All selten bis gar nicht, sind also durch die Aufenthaltsdauer bedingt. Ob sich diese Veränderungen des Gehirns nach einiger Zeit wieder zurückbilden oder irreversibel sind, müssen nun weitere Studien zeigen.

Literatur:
Roberts DR et al: N Engl J Med. 2017;377(18):1746-1753.

Quelle: Universitätsklinikum Frankfurt