Langzeitfolgen von COVID-19: Erste Ergebnisse der COVIDOM-Studie veröffentlicht18. Juli 2022 Thomas Bahmer, Internist und Pneumologe der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel. (Foto: © UKSH) Auch nach einer überstandenen COVID-19-Erkrankung können manche Symptome fortbestehen. Wie viele Menschen davon betroffen sind und welche Faktoren zu einem solchen Post-COVID-Syndrom (PCS) beitragen, hat ein Team um Prof. Thomas Bahmer, Internist und Pneumologe der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, untersucht. Die Forschungsgruppe hat hierfür in der COVIDOM-Studie zu COVID-19-Langzeitfolgen ein leicht einsetzbares Klassifikationssystem zur Einordnung der PCS-Symptome entwickelt. Außerdem konnten zwei maßgebliche Risikofaktoren für die Entstehung eines PCS identifiziert werden. Diese ersten Ergebnisse der COVIDOM-Studie, an der auch das Universitätsklinikum Würzburg und die Charité Universitätsmedizin in Berlin beteiligt sind, wurden in der Fachzeitschrift „eClinicalMedicine“ publiziert, die Teil der Lancet Discovery Series ist. Für die Auswertung der COVIDOM-Studie haben Bahmer und sein Team 1400 Personen nach einer überstandenen Infektion analysiert. Mithilfe eines neuen Klassifikationssystems, des PCS-Scores, konnte das Vorliegen sowie der Schweregrad eines PCS erfasst und damit das vielfältige und komplexe Langzeitgeschehen nach einer SARS-CoV-2-Infektion erstmals in ein einheitliches Schema eingeordnet werden. „Dieser neue Score kann objektiv zwischen unterschiedlichen Schweregraden der PCS-Beschwerden unterscheiden“, sagt Bahmer. Der PCS-Score beruht auf zwölf Fragen, die auf unterschiedliche Symptombereiche abzielen. Die Fragen wurden den Probanden nach der Akutphase ihrer Infektion gestellt, um möglichst alle Aspekte eines vermuteten PCS zu erfassen. „Die Einfachheit der Berechnung des PCS-Scores erlaubt es uns, ihn unmittelbar in die routinemäßige Nachversorgung von Corona-Infizierten zu integrieren. Mit dem PCS-Score kann die Notwendigkeit einer fachärztlichen Weiterbehandlung abgeschätzt und die Behandlung auf einen möglichst objektiven Befund gestützt werden“, sagt Prof. Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Innere Medizin I, Campus Kiel, der zusammen mit Prof. Michael Krawczak, Direktor des Institutes für Medizinische Informatik und Statistik, Seniorautor und Studienleiter ist. Auch wenn die medizinische Versorgung von Patienten mit einem PCS nicht in den Bereich der Notfallversorgung fällt, droht die oftmals langwierige und zeitintensive Abklärung ihrer Beschwerden die begrenzten Ressourcen der Krankenversorgung zu überlasten. Eine schnelle und objektive Einordnung des klinischen Geschehens mithilfe des PCS-Scores könnte hier zumindest teilweise Abhilfe leisten, so die Autoren. „Wir freuen uns, dass in kurzer Zeit eine große Anzahl an Probandinnen und Probanden für die COVIDOM-Studie gewonnen und erste wichtige Erkenntnisse veröffentlicht werden konnten. Das dabei neu entwickelte Klassifikationssystems ist nicht nur ein Fortschritt für die Wissenschaft, es hat auch als Steuerungselement im praktischen Alltag bei der Versorgung der Patientinnen und Patienten eine große Bedeutung“, sagt Prof. Jens Scholz, Vorstandsvorsitzender (CEO) des UKSH und Mitglied der Nationalen Task Force des Nationalen Forschungsnetzwerks der Universitätsmedizin (NUM), das die COVIDOM-Studie fördert. Beim überwiegenden Teil der Probanden der COVIDOM-Studie war die akute COVID-19-Erkrankung leicht bis moderat verlaufen. Weniger als zehn Prozent mussten im Krankenhaus behandelt werden. Dennoch berichtete etwa die Hälfte der untersuchten Personen über Beschwerden, die nach der akuten Erkrankungsphase dauerhaft anhielten. Je nach Studienstandort bezeichneten sich nur 15 bis 30 Prozent der Personen neun Monate nach der Infektion als gesundheitlich vollständig unbeeinträchtigt. Beim Rest bleibt jedoch offen, ob ihre SARS-CoV-2-Infektion tatsächlich ursächlich für die immer noch wahrgenommenen Symptome war. Ein klinisch relevantes PCS konnte anhand des Scores bei zehn bis 20 Prozent der Probanden festgestellt werden. Auch zwei starke Risikofaktoren für ein PCS wurden in der COVIDOM-Studie identifiziert. „Wie erwartet erhöhten schwere Erkrankungssymptome in der Akutphase das Risiko für ein Post-COVID-Syndrom. Überraschend war jedoch, dass auch eine geringe psychosoziale Belastbarkeit und niedrige Resilienz zu einem PCS führen können“, sagt Bahmer. So seien insbesondere Menschen gefährdet, die ihre Widerstandsfähigkeit gegen Krisen als gering einschätzen und daher mit dieser neuartigen Viruserkrankung möglicherweise schlecht zurechtkamen. Derzeit werden die Probanden der COVIDOM-Studie circa zwölf Monate nach ihrem ersten Besuch in den Studienzentren ein zweites Mal befragt. Dabei soll geklärt werden, ob diejenigen, die nach neun Monaten einen hohen PCS-Score hatten, weiterhin unter Beschwerden leiden und welche Faktoren eventuell zum Verschwinden oder zur Besserung der Symptome beitrugen. In der COVIDOM-Studie, die im Rahmen des Nationalen Pandemie-Kohorten-Netzes (NAPKON/ NAPKON-POP) durchgeführt wird, untersuchen Forschende des UKSH, des Universitätsklinikum Würzburg und der Charité Berlin, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Exzellenzclusters „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) seit März 2020 die gesundheitlichen Folgen bei SARS-CoV-2-Infizierten unterschiedlicher Schweregrade. Die Probanden werden dabei in einem populationsbasierten Ansatz in Schleswig-Holstein, Unterfranken und Berlin (Neukölln) rekrutiert. NAPKON ist eine bundesweite Forschungsplattform zu COVID-19, in der sich Universitätsklinika sowie Kliniken und Arztpraxen zu einem Netzwerk zusammengeschlossen haben, um mit gemeinsamen Forschungsstandards ein vergleichbares klinisches Bild der Akut- und Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion zu generieren. Die Studie wird gefördert vom Nationalen Forschungsnetzwerk der Universitätsmedizin (NUM), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zu Beginn der Corona-Pandemie initiiert wurde, um die Forschungsaktivitäten der deutschen Universitätsmedizin zur Bewältigung der Corona-Pandemie zu bündeln und zu stärken. Unter dem Dach des NUM schaffen Verbundprojekte wie NAPKON gemeinsam mit weiteren Komponenten des NUM grundlegende Infrastrukturen für das Verständnis und damit für die Bekämpfung von Pandemien am Beispiel von COVID-19.
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