Leben in der Stadt erhöht das Risiko für Atemwegsinfektionen bei Babys und Kleinkindern

https://biermann-medizin.de/gewichtsverlust-bei-krebs-aufhalten/

Laut einer jüngst auf dem Internationalen Kongress der European Respiratory Society (ERS) in Mailand (Italien) vorgestellten Studie leiden kleine Kinder, die in der Stadt aufwachsen, an mehr Atemwegsinfektionen als solche, die auf dem Land groß werden.

Eine zweite Studie auf dem ERS-Kongress präsentierte Studie, die parallel in der Zeitschrift „Pediatric Pulmonology“ publiziert wurde, zeigt, dass Faktoren wie der Besuch einer Kindertagesstätte, das Leben in einer durch Feuchtigkeit belasteten Wohnung oder in der Nähe von dichtem Verkehr das Risiko für Atemwegsinfektionen bei Kleinkindern erhöhen. Verringert werde dieses Risiko, wenn die Kinder gestillt würden, erklären die Studienautoren.

Die COPSAC-Studie

Die erste der beiden genannten Studie stellte Dr. Nicklas Brustad vom Gentofte Hospital und der Universität Kopenhagen (Dänemark) vor. Die Copenhagen Prospective Studies on Asthma in Childhood (COPSAC) umfassten zum Zeitpunkt der vorgestellten Daten 663 Kinder und deren Mütter, die von der Schwangerschaft bis zum dritten Lebensjahr der Kinder an der Untersuchung teilnahmen. Die Forschenden erfassten, ob die Kinder in städtischer Umgebung oder in ländlichen Gebieten aufwuchsen und wie viele Atemwegsinfektionen sie entwickelten. Dabei zeigte sich, dass in der Stadt lebende Kinder vor ihrem dritten Lebensjahr durchschnittlich 17 Atemwegsinfektionen wie Husten und Erkältungen erlitten, verglichen mit durchschnittlich 15 Infektionen bei Kindern, die in ländlicher Umgebung lebten.

Während der Schwangerschaft unterzogen die Wissenschaftler die an der Studie beteiligten Mütter sowie später die Neugeborenen außerdem detaillierten Blutuntersuchungen und analysierten das Immunsystem der Kinder im Alter von vier Wochen. Die Studienautoren beobachteten dabei, dass in der Stadt lebende Kinder ein anderes Immunsystem aufwiesen als Kinder, die in ländlichen Gebieten lebten. Die Auswertungen ergaben auch Unterschiede in den Blutproben von Müttern und Säuglingen, die mit der unterschiedlichen Lebensumgebung und der Anzahl der Atemwegsinfektionen korrelierten.

„Unsere Ergebnisse lassen darauf schließen, dass das Leben in der Stadt ein unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung von Infektionen im frühen Leben ist, wenn mehrere damit verbundene Faktoren wie die Belastung durch Luftverschmutzung und der Beginn der Tagesbetreuung berücksichtigt werden“, erklärte Brustad. Interessanterweise scheinen Veränderungen im Blut schwangerer Mütter und Neugeborener sowie Veränderungen im Immunsystem des Neugeborenen diesen Zusammenhang teilweise zu erklären.

Brustad fuhr fort: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Umgebung, in der Kinder leben, einen Einfluss auf die Entwicklung ihres Immunsystems haben kann, bevor sie Husten und Erkältungskrankheiten ausgesetzt werden. Wir werden weiter untersuchen, warum manche ansonsten gesunde Kinder anfälliger für Infektionen sind als andere und welche Auswirkungen dies auf ihre spätere Gesundheit hat. Wir haben mehrere weitere Studien geplant, in denen wir Risikofaktoren ermitteln wollen und versuchen werden, die zugrunde liegenden Mechanismen anhand unserer großen Datenmenge zu erklären.“

Daten zu mehr als 1300 Müttern und Kindern in Großbritannien

Die zweite Studie wurde beim ERS-Kongress von Dr. Tom Ruffles von der Brighton and Sussex Medical School und dem University Hospitals Sussex NHS Foundation Trust in Brighton (Großbritannien) präsentiert. Die Untersuchung umfasste Daten von 1344 Müttern und deren Kindern, die in Schottland und England lebten. Die Mütter füllten ausführliche Fragebögen aus, als ihre Kinder ein Jahr alt waren sowie erneut, als ihre Kinder das zweite Lebensjahr vollendet hatten. Dazu gehörten Fragen zu Atemwegsinfektionen, Symptomen wie Husten und Wheezing, Atemwegsmedikamenten und der Exposition gegenüber potenziellen Umweltrisikofaktoren.

Die Analyse der Fragebögen ergab, dass das Stillen über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten dazu beitrug, Babys und Kinder vor Infektionen zu schützen, während der Besuch einer Tagesbetreuung das Risiko erhöhte. Kleinkinder, die in Häusern mit sichtbarer Belastung durch Feuchtigkeit lebten, benötigten doppelt so häufig eine Behandlung mit einem Inhalator zur Linderung von Atemwegsbeschwerden und doppelt so häufig eine Behandlung mit inhalativen Steroiden. Das Leben in einer Gegend mit dichtem Verkehr erhöhte das Risiko für Atemwegsinfektionen, während eine Exposition gegenüber Tabakrauch das Risiko für Husten und Wheezing erhöhte.

Wie Ruffles erklärte, liefern diese Ergebnisse wichtige Evidenz dafür, wie Atemwegsinfektionen bei Babys und Kleinkindern reduziert werden können. „Die Vorteile des Stillens sind allgemein bekannt, und wir sollten Mütter, die ihre Babys stillen möchten, weiterhin darin unterstützen“, erklärte Ruffles. „Wir sollten auch alle Anstrengungen unternehmen, um die Infektionslast in Kindertagesstätten zu verringern, Häuser frei von Feuchtigkeit und Schimmel zu halten, das Tabakrauchen zu reduzieren und die Luftverschmutzung zu verringern.“

Der auch an der Studie beteiligte Prof. Somnath Mukhopadhyay, ebenfalls von der Brighton and Sussex Medical School und dem University Hospitals Sussex NHS Foundation Trust, fügte hinzu: „Der Zusammenhang zwischen feuchten, mit Schimmel belasteten Unterkünften und der Notwendigkeit, dass diese sehr kleinen Kinder eine Asthmatherapie erhalten, unterstreicht, wie dringend wir entsprechende Gesetze brauchen, um Schimmel und Feuchtigkeit im sozialen Wohnungsbau zu bekämpfen. Hier im Vereinigten Königreich fordern wir beispielsweise eine schnelle Umsetzung des Awaab-Gesetzes, das Vermieter von Sozialwohnungen dazu zwingen soll, Feuchtigkeit und Schimmel innerhalb strenger Fristen zu beseitigen.“ Das sogenannte Awaab-Gesetz wurde nach dem Tod des zweijährigen Awaab Ishak vorgeschlagen. Der Junge war infolge von Feuchtigkeit und Schimmel in der von einer kommunalen Wohnungsgesellschaft bereitgestellten Unterkunft, in der die Familie lebte, verstorben.

„Wir wissen, dass manche Kleinkinder an immer wiederkehrendem Husten und Erkältungen leiden, und dass dies zu Erkrankungen wie Asthma führen kann, wenn diese Kinder älter werden”, kommentiert Prof. Myrofora Goutaki vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin an der Universität Bern (Schweiz). Sie ist Vorsitzende der ERS-Arbeitsgruppe für die Epidemiologie pädiatrischer Atemwegserkrankungen. “Es ist wichtig, dass wir alle Faktoren verstehen, die dazu beitragen könnten – beispielsweise die Bedingungen, unter denen Kinder leben und wo sie betreut werden. Je mehr wir über diese Faktoren wissen, desto mehr können wir tun, um die sich entwickelnden Lungen dieser kleinen Kinder zu schützen.“