Leihmutterschaft und Eizellspende in Deutschland: Betroffene wünschen sich Beteiligung an der Ausgestaltung der Zukunft

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Um eine ganzheitliche Betrachtung einer möglichen Legalisierung und Regelung von Leihmutterschaft und Eizellspende in Deutschland und die Teilhabe Betroffener zu ermöglichen, haben diese die Allianz zur Legalisierung der Leihmutterschaft und Eizellspende (A.L.L.E.) ins Leben gerufen. Ein Mitte Mai veranstaltetes Symposium bot Gelegenheit zur Diskussion.

Der Kinderwunsch sei ein wichtiges Thema für junge Krebsbetroffene, verdeutlicht die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs, die A.L.L.E mit ins Leben gerufen hat: Zum Zeitpunkt der Diagnose gebe die Aussicht auf Familienplanung eine Zukunftsperspektive, in der Nachsorge trage der Kinderwunsch zur Rückkehr der Patienten in die Normalität und den Alltag bei. Dabei spielen die Kryokonservierung von Keimzellen sowie Keimzellgewebe eine entscheidende Rolle. Diese fertilitätserhaltenden Maßnahmen seien aber nicht bei allen Betroffenen möglich: In manchen Fällen müssten die Therapien umgehend beginnen, während andere Betroffenen nach der Therapie körperlich nicht mehr dazu in der Lage seien, Kinder auszutragen. Entsprechend setzt sich die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs auch für Alternativen zur Kryokonservierung ein.

Ende März 2023 trat auf Betreiben verschiedener Bundesministerien erstmals die „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ zusammen – ein interdisziplinär besetztes Gremium bestehend aus 18 Experten aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Soziologie, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Rechtswissenschaften. Die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs und der Verein zur Förderung der Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland e.V. (VFLLD) vermissen hier die Einbindung Betroffener und riefen daher die Allianz A.L.L.E. ins Leben. Am 12. Mai 2023 luden beide Organisationen zu einem ersten hybriden Symposium „Zukunft Leihmutterschaft und Eizellspende in Deutschland“ ein. Ziel des Symposiums war es, Impulse für die Ausgestaltung von Leihmutterschaft und Eizellspende in Deutschland zu geben und weitere Schritte aufzuzeigen, wie eine Legalisierung erreicht werden kann.

In einem ersten großen Panel kamen zunächst sieben Personen zu Wort, die aus unterschiedlichsten Gründen von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen sind oder waren (zurückliegende Krebserkrankung, Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser (MRKH)-Syndrom, angeborener Herzfehler, Endometriose, vorzeitiges Eintreten der Wechseljahre, homosexuelle Männer-Paare). Sie schilderten den insgesamt circa 100 Teilnehmenden vor Ort und online ihre persönlichen Erfahrungen und wiesen auf die Bedeutung einer Legalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft hin.

Direkt im Anschluss gab Prof. Ralf Dittrich, Leiter des IVF- und Endokrinologischen Labors der Frauenklinik der Universitätsklinik Erlangen, einen Überblick über Möglichkeiten der assistierten Reproduktion, während Dr. Nadia Primc, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, die ethischen Aspekte der Eizellspende und Leihmutterschaft erläuterte und dabei die menschliche Reproduktion im Spannungsfeld zwischen Spender:in, Empfänger:in, und Spenderkind beleuchtete.

Vor der Mittagspause präsentierte Dr. Anika König, Ethnologin und Projektleiterin des Projekts „Children in Between: Disruptions of Transnational Surrogacy in the Time of COVID-19 and its Aftermath“ an der Freien Universität Berlin, Ergebnisse aus der empirischen Forschung zu Leihmutterschaft. Dabei legte sie einen Fokus auf die Perspektiven der Leihmütter, der Wunscheltern und der Kinder.

Nach dem Mittag schlossen sich Vorträge zu den Gestaltungsmöglichkeiten von Leihmutterschaft und Eizellspende in Deutschland an. Dabei erläuterten Tobias Devooght vom VFLLD e.V. und Marion Leuchtmann vom FE-Netz e.V. Beispiele aus dem europäischen und nicht-europäischen Ausland. In einer Gegenüberstellung verschiedener Modelle wurden die Vor- und Nachteile der einzelnen Regelungen dargestellt und abgewogen. Im Anschluss widmete sich Dr. Petra Thorn, Sozialarbeiterin, Sozial- und Familientherapeutin, gesellschaftlichen und psychosozialen Fragestellungen der Eizellspende, der Embryonenspende und der Leihmutterschaft. Dabei betonte sie die Bedeutung der Beratung der Betroffenen, die im Falle einer Legalisierung ebenfalls mit bedacht werden muss.

Den Abschluss der Veranstaltung bildete ein Podiumsgespräch zu den rechtlichen Herausforderungen für Wunscheltern in Deutschland. Dabei gaben die Rechtsanwälte und Familienrechtsexperten Thomas Oberhäuser und Dr. Marko Oldenburger im Gespräch mit Dr. Anika König Einblicke in den Regelungsbedarf des deutschen Straf- und Familienrechts.

Forderungen an die Politik

Organisatoren, Referenten und Teilnehmer des Symposiums formulierten den klaren Wunsch, dass Betroffene am Prozess der Legalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft beteiligt werden sollten.

Konkret bedürfe es unter anderem einer klaren und umfänglichen gesetzlichen Neuregelung sowie       einer Diskussion und Regelung auf Grundlage von Erfahrungen aus dem Ausland, in dem bereits Regelungen bestehen und aus denen man lernen kann. Die Betroffenen wünschen sich zudem die Vermeidung neuer Konstrukte oder Sonderwege, die in der Praxis womöglich Probleme bereiten, sowie     „Werkzeuge der Nachjustierung, um getroffene Regelungen überarbeiten und der Praxis entsprechend anpassen zu können”. Außerdem wird eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation in praktisch realisierbarer Form gefordert.

„Wenn wir wollen, dass eine realistische und praktikable Regelung erarbeitet wird, die für die betroffenen Personen eine Entlastung bringt, dann muss bei der Ausgestaltung des Gesetzes pragmatisch und praxisnah vorgegangen werden“, gibt Prof. Mathias Freund, Vorsitzender des Kuratoriums der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs, zu bedenken. Die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin sollte zu diesem Zweck die Stimmen und Erfahrungen der Betroffenen mit in ihre Diskussion einbeziehen und Anhörungen unter Beteiligung eben dieser betroffenen Personengruppen zulassen.