Leipziger Studie identifiziert neue Gruppe Betroffener bei wenig bekannter Ess-Störung21. August 2025 Die Ess-Störung ARFID beginnt meist im Kindesalter. (Foto: © Colourbox) Die Ess-Störung ARFID beginnt meist im Kindesalter und wurde bislang vor allem bei Kindern oder Personen mit Untergewicht untersucht. Eine neue Studie der Universitätsmedizin Leipzig zeigt nun: Auch Erwachsene mit erhöhtem Körpergewicht können an ARFID leiden. Für viele Menschen ist Essen mit Genuss verbunden – für Betroffene von ARFID (englisch: Avoidant/Restrictive Food Intake Disorder) jedoch häufig mit Angst, Stress oder Ekel. Die Erkrankung äußert sich durch die Ablehnung bestimmter Nahrungsmittel, etwa wegen Geruch, Konsistenz oder aus Angst vor dem Verschlucken oder Erbrechen. Auch ein stark vermindertes Interesse am Essen kann ein Anzeichen sein. Im Unterschied zu anderen Ess-Störungen wie der Magersucht spielt der Wunsch nach Gewichtsverlust keine Rolle. Dennoch ist das Risiko für Mangelernährung und Folgeerkrankungen ähnlich hoch. Das Team um Dr. Ricarda Schmidt und Prof. Anja Hilbert erforscht ARFID seit Jahren an der Universitätsmedizin Leipzig. Es entwickelte unter anderem ein diagnostisches Interview zur Erkennung dieser Ess-Störung, das inzwischen weltweit verwendet wird. „Unsere aktuellen Ergebnisse zeigen, dass ARFID auch bei Erwachsenen mit höherem Körpergewicht vorkommt – wenn auch mit teils anders ausgeprägten Symptomen. Diese Patient:innen brauchen eine spezifische Diagnostik und angepasste Behandlungsangebote“, erklärt Schmidt, Leiterin der Studie. Symptome im klinischen Alltag häufig fehlgedeutet Für die aktuelle Untersuchung wurden 369 Erwachsene online befragt, mit einem Teil wurde zusätzlich ein klinisches Interview durchgeführt. Dadurch konnten sowohl selbstberichtete Symptome als auch offizielle Diagnosen erfasst und in Bezug zu Körpergewicht und weiteren Gesundheitsmerkmalen gesetzt werden. Die Befragung ergab, dass 34 Prozent der Erwachsenen mit ARFID ein erhöhtes Körpergewicht aufwiesen. Diese Gruppe zeigte häufiger als Betroffene mit niedrigem Gewicht ein wählerisches Essverhalten, eine größere Alltagsbelastung und ein gesteigertes Risiko für Stoffwechselerkrankungen. Besonders auffällig: 100 Prozent der Betroffenen mit erhöhtem Gewicht gaben psychosoziale Beeinträchtigungen an – im Vergleich zu 65 Prozent derer mit Untergewicht. Screeningverfahren erweitern Ein bislang wenig beachteter Aspekt: Viele der befragten Personen mit höherem Gewicht gaben an, sich stark mit ihrer Figur und ihrem Gewicht zu beschäftigen. Diese Sorgen werden im klinischen Alltag jedoch häufig fehlgedeutet. „Gerade bei Menschen mit höherem Körpergewicht bleibt ARFID oft unerkannt, weil die Gewichtssorgen irrtümlich als Hinweis auf andere Ess-Störungen oder als Folge von Diätverhalten gewertet werden“, erklärt Schmidt. So bleibe eine zutreffende Diagnose oft aus – mit potenziell gravierenden Folgen für die Versorgung, meint die Wissenschaftlerin. Um das zu ändern, müsse die Diagnostik überarbeitet und medizinisches Fachpersonal sensibilisiert werden. Bestehende Screeningverfahren sollten um gewichtsunabhängige Erkennungsmerkmale ergänzt werden. Auch müssten Therapieansätze angepasst werden – psychotherapeutisch als auch pharmakologisch, empfehlen die Studienautorinnen. „Mit unseren aktuellen Ergebnissen schließen wir eine wichtige Forschungslücke und erweitern das Verständnis der Erkrankung auf eine bislang kaum beachtete Gruppe“, sagt Schmidt, Wissenschaftlerin für Verhaltensmedizin. Folgeuntersuchungen zur Entstehung und Behandlung der Erkrankung sind an der Universitätsmedizin Leipzig bereits in Planung.
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