Linderung von Fibromyalgie-bedingten Schmerzen durch kognitive Verhaltenstherapie

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Dass sich eine kognitive Verhaltenstherapie bei Patienten mit Fibromyalgie durch eine Verringerung der Schmerzkatastrophisierung positiv auf Schmerzen und Lebensqualität auswirkt, ist nicht ganz neu. Wissenschaftler von der Harvard Medical School gingen nun in einer bildgebenden Studie den neuronalen Grundlagen dieses Effektes auf den Grund.

Die Ergebnisse der jüngst im Fachmagazin „Arthritis & Rheumatology“ publizierten Studie deuten an, dass sich durch die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) die Konnektivität bestimmter Hirnschaltkreise so verändern können, dass es den betroffenen Patienten wieder möglich ist, sich von ihren Schmerzen zu distanzieren. 

Das Fibromyalgie-Syndrom ist gekennzeichnet durch eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik und ein hohes Ausmaß negativer und unangenehmer Gefühle (negativer Affekt). Die KVT verwendet strukturierte Techniken, um negativen Einstellungen und dysfunktionaler Kognition entgegen zu wirken. In einer randomisierten kontrollierten Studie konnte bereits gezeigt werden, dass die KVT edukativen Maßnahmen überlegen ist, wenn es darum ging, die Schmerz-bedingte Beeinträchtigungen und andere Aspekte der Fibromyalgie auf das tägliche Leben zu verringern. Auch konnte bereits gezeigt werden, dass die KVT zu einer Verringerung der Schmerzkatastrophisierung beiträgt. Unter Katastrophisieren versteht man in der Klinischen Psychologie die Neigung, negative Aspekte einer Situation oder mögliche negative Konsequenzen in übertriebenem Maße wahrzunehmen und darüber zu grübeln oder diese zu antizipieren. 

Kognitive Verhaltenstherapie versus Schmerzschulung

Um die Auswirkungen der KVT auf die Schmerzkatastrophisierung und die ihr zugrunde liegenden neuronalen Schaltkreise zu untersuchen, konzipierten US-amerikanische Wissenschaftler um Vitaly Napadow, Massachusetts General Hospital in Charlestown, und Robert R. Edwards, Brigham & Women’s Hospital in Boston, nun eine randomisierte, kontrollierte, mechanistische Studie, an der 98 Probandinnen mit einer seit mindestens sechs Monaten bestätigten Fibromyalgie-Diagnose teilnahmen. Die Forscher beschränkten sich in ihrer Studie auf weibliche Teilnehmer, zum einen wegen der hohen Prävalenz und zum anderen, um störende geschlechtsspezifische Unterschiede in der Gehirnaktivität auszuschließen. Nach dem Zufallsprinzip wiesen sie 64 Teilnehmerinnen einer KVT-Behandlungsgruppe und 34 einer Kontrollgruppe zu, die über Fibromyalgie und chronische Schmerzen aufgeklärt wurde, aber keine spezifischen KVT-Techniken erlernte. Alle Teilnehmerinnen waren zwischen 18 und 75 Jahre alt und füllten zu Studienbeginn mehrere validierte Fragebögen zu Schmerzen und Lebensqualität aus. 

KVT verbessert Schmerz-bedingte Beeinträchtigungen, Lebensqualität und Katastrophisierung

Die Intervention lief über acht Wochen mit insgesamt acht Sitzungen, die aus 60-75-minütigen Besuchen bei einem zugelassenen Psychotherapeuten bestanden. Die Probandinnen wurden in erster Linie nach dem Grad der Schmerzstörung beurteilt, d. h. danach, wie sehr ihre Schmerzen ihre täglichen Aktivitäten beeinträchtigen, nach der Schmerzkatastrophisierung, dem Schweregrad der Schmerzen und den Gesamtauswirkungen der Fibromyalgie auf die Lebensqualität der Patientinnen.

Im Ergebnis wurden KVT-Teilnehmerinnen signifikant weniger durch ihre Schmerzen beeinträchtigt als Mitglieder der Kontrollgruppe. Auch zeigten sie eine deutlich geringere Schmerzkatastrophisierung und  berichteten, dass ihre Fibromyalgie-Symptome ihr tägliches Leben deutlich weniger beeinflussten. Den Studienautoren zufolge spielte die Verringerung der Schmerzkatastrophisierung eine wichtige Rolle bei der Vermittlung dieser funktionellen Verbesserungen in der KVT-Gruppe.

KVT beeinflusst Konnektivität bestimmter Hirnregionen

Um die zugrundeliegenden neuronalen Schaltkreise zu beurteilen, führten die Forscher Neuroimaging-Tests zu Studienbeginn sowie nach Abschluss der KVT durch. Diese wiesen darauf hin, dass die KVT ihre Wirkung durch eine Veränderung der Konnektivität bestimmter Gehirnregionen erzielt. „Bevor sich die Teilnehmer der KVT unterzogen, sahen wir, dass bestimmte Teile des Gehirns, die mit der Selbstwahrnehmung und dem Empfinden verbunden sind, sehr stark miteinander verbunden waren, was darauf hindeutet, dass sich die Patienten der Schmerzempfindung, die sie erlebten, durchaus bewusst waren und ihre Symptome verinnerlicht hatten“, berichtet einer der beiden Erstautoren Jeungchan Lee vom Spaulding Rehabilitation Hospital und der Harvard Medical School. „Nach der KVT waren diese Verbindungen deutlich weniger stark, was darauf hindeutet, dass die Patientinnen sich nach der Therapie besser von ihren Schmerzen distanzieren konnten.“

Lee zufolge tragen diese Ergebnisse zu einer wachsenden Zahl von Veröffentlichungen bei, die den Nutzen nichtpharmakologischer Behandlungen – einschließlich KVT – für chronische Schmerzzustände wie Fibromyalgie hervorheben. „Die Identifizierung der vielfältigen biopsychosozialen Mechanismen, durch die diese Behandlungen zur Schmerzlinderung beitragen, könnte die Praxis der Präzisionsschmerzmedizin erleichtern und die Behandlungsergebnisse für die vielen Patienten, die unter chronischen Schmerzen leiden, verbessern“, sagt Lee. 

„Ich hoffe, dass diese Ergebnisse Ärzte dazu motivieren, die KVT als wirksame Behandlungsoption in Betracht zu ziehen, um die Auswirkungen der Schmerzen der Patienten zu verringern“, fügt Seniorautor Edwards an. „Chronische Schmerzzustände wie Fibromyalgie beinhalten lang anhaltende Muster von Veränderungen im zentralen Nervensystem und KVT ist eine von vielen Behandlungsoptionen – wie Medikamente und Physiotherapie – von denen wir wissen, dass sie für Menschen, die mit Fibromylagie leben, von Nutzen sein können.“

Die Forscher weisen darauf hin, dass die KVT mehrere therapeutische Komponenten umfasst und ihre Ergebnisse nicht verallgemeinert werden können, um die Auswirkungen aller KVT-Formen auf die Reduzierung chronischer Fibromyalgie-Schmerzen zu bewerten. Für die Zukunft hoffen sie, auch Daten von Männern und nichtbinären Fibromyalgie-Patienten zu sammeln. 

(ah)